Auf Herzenshöhe mit den Bienen - Das Arbeitstreffen Bienen und Spiritualität
Winter, dunkel, kalt. Der Bien in der Winterkugel, ganz auf sich selbst konzentriert. Und die Menschen? 26 von ihnen trafen sich vom 8. bis 10. Dezember an der Fischermühle, um im jährlichen Arbeitstreffen „Bienen und Spiritualität“ innere und gemeinschaftliche Verbindungen zu pflegen und dem Geist nachzuspüren, der in ihnen wohnt.
Fr 22. Dezember 2023 von Katrin Sonnleitner, Johannes Wirz, Gastautor*in Apitherapie, Kunst&Kultur, Spiritualität, Veranstaltung, Wesensgemäße BienenhaltungDie Welt der Bienen
Zum Einstieg arbeitete Johannes Wirz in seinem Beitrag einen Weg zum Wesen des Bienenvolkes und seinen „Mitwelten“ heraus. Er schilderte, wie er an seinem Bienenstand, nachdem er vor den Fluglöchern die Mäusegitter angebracht hatte, ein Bild geschenkt bekam, das das Bienenwesen kurz aufscheinen ließ. Über den acht Einraumbeuten wölbte sich am grauen Nachmittagshimmel wie unter einer Käseglocke ein eiförmiges Gebilde erfüllt mit mildem Licht und Wärme.
Über vier Stufen zum Bienenwesen
Den Weg dahin beschreibt er für Imkernde in vier Stufen. Auf der ersten registrieren Imkernde alle beobachtbaren Details: Am Flugloch die ausfliegenden und heimkehrenden Bienen, auf dem Wachstuch über der Beute die Wärme des Brutnestes, die Form und Farbe der Waben und das ruhige geschäftige Treiben der Bienen auf der gezogenen Wabe.
Auf der zweiten Stufe lernen sie, die vielen Einzeleindrücke mit den Bildern der letzten Inspektion in Beziehung zu setzen. Mit genügender Erfahrung ließe sich ein Bild davon entwerfen, was sich beim nächsten Besuch zeigen würde. Diese Stufe der „Metamorphose oder Verwandlung“ veranschaulichte Wirz mit dem Legegang der Königin nach Gerstung.
Auf der Wabe im Zentrum des Brutnestes beginnend (1), dehnt die Königin das Brutnest nach links (2), über die Mitte (3) nach rechts (4 usw.) pendelnd rhythmisch aus. So entsteht ein kugelrundes Brutnest. (Foto: Johannes Wirz)
Bei der dritten Stufe werden hinter den Einzelbeobachtungen und ihrer Verwandlungen in der Zeit die Tätigkeiten und Verhaltensweisen der Tiere im Volk entdeckt – seien es die verschiedenen Tänze, der Wabenbau oder die Pflege der Brut. Hier handelt es sich darum, sie innerlich nachzuvollziehen und als Hinweis auf das Ganze des Volkes, auf den Dienst am Ganzen, zu deuten.
Die vierte und schwierigste Stufe integriert die drei bisherigen. Sie leuchtet auf als das ureigentliche Wesen der Bienen, das wir aber im inneren, aktiven Vollzug selbst sind!
Neue Welten tun sich auf
Die anthroposophische Terminologie bezeichnet diese vier Stufen als Sinnesbeobachtung, Imagination, Inspiration und Intuition. Es ist klar, dass die physischen, sinnlich wahrnehmbaren Eindrücke des Bienenvolkes ohne eine zu ihnen gehörige physische Welt nicht möglich wären. Ebenso gehört zu den Metamorphosen, den Verwandlungen im Bienenvolk, eine entsprechende Lebenswelt. Hier sind alle Wesen – Pflanze, Tier und Mensch – verbunden. Werden und Vergehen, Geburt und Tod sind die zentralen Eigenschaften der Lebenswelt.
Die Tätigkeiten der Bienen vollziehen sich auf der Grundlage von Instinkt, Trieb und Begierde, die ohne eine entsprechende „Seelenwelt“ (anthroposophisch: Astralwelt) nicht ausgeführt werden könnten. In dieser Welt sind die Qualitäten von Sympathie und Antipathie, Hingebung und Abwendung, aber auch Weisheit und Selbstbezogenheit (d. h. bei uns Egoismus) beheimatet. Es sind im Wesentlichen Empfindungen und Gefühle, aus denen heraus die Aktivitäten für das Ganze vollzogen werden.
Die Welt, in der wir mit allen anderen Wesen verschmelzen, kann als geistige Welt bezeichnet werden. Das totale Bezogensein (In-Beziehung-Sein), führt zur Einsicht, dass es uns ohne diese Welt, diese Welt aber auch ohne uns nicht geben könnte.
Durch die beschriebenen Stufen und Welten erleben wir, wie Moralität und Ethik in der außermenschlichen und menschlichen Natur aufscheinen. Wenn wir „Gutes“ tun in der Welt, schaffen wir die Grundlage für unsere eigene Entwicklung. Fügen wir der Welt „draußen“ Schaden und Leid zu, verletzen und beeinträchtigen wir uns selbst. Nach Wirz sichern wir mit dieser Erkenntnis die Zukunft von Mensch und Erde. Ohne innere Transformation sind wir ohnmächtig, die Krisen der Gegenwart zu lösen.
Weihrauch, Myrrhe, Gold – das Dreikönigspräparat
Die Präparatearbeit ist bedeutsamer Bestandteil der biodynamischen Landwirtschaft, auch im Bereich der Imkerei. Dort dient sie der Verbindung mit (als Wesenheiten verstandenen) Kräften, die auch auf den Organismus eines Hofes, z. B. auf seinen Boden, seine Pflanzen und seine Tiere, wirken und zu seinem Gedeihen beitragen sollen.
Almut Tobis, anthroposophische Ärztin, führte in Ursprünge, Wirkung und Herstellung des Dreikönigspräparates aus Weihrauch, Myrrhe und Gold ein. Diese drei Substanzen werden zum einen medizinisch an zwei Polen des Lebens eingesetzt: Leonhard Schenk wandte es bei Sterbenden an, um den Ablöseprozess von Geist, Körper und Seele sanft zu begleiten. Karl König, anthroposophischer Arzt und Heilpädagoge sowie Gründer der Camphill-Bewegung, führte die drei Substanzen in einem Arzneimittel zusammen, um Kinder mit Entwicklungsstörungen beim Einstieg in das Leben zu unterstützen und sie „an die Sphäre des Guten anzubinden“, erläuterte Tobis.
Tobis hat sich in ihrer Doktorarbeit der Frage gewidmet, inwiefern der Herstellungsprozess des Arzneimittels diese so unterschiedlichen Wirkungen auslösen und damit entsprechende Anwendungen begründen könne. Dabei ist auch eine Faszination für die Substanzen und die Legenden um die „drei Könige“ oder, um bei der ursprünglichen Beschreibung zu bleiben, die „Weisen aus dem Morgenland“ entstanden, deren Facetten sie der Gruppe auseinandersetzte.
Nach Tobis wurde Weihrauch traditionsgeschichtlich die Kraft zugeschrieben, nur gute Mächte zuzulassen, während andere sich zur Wandlung entschließen oder weichen müssten. Myrrhe befördere die Willenskraft. Das Gold bringt ambivalente Bezüge mit: Steht es einerseits für Materialismus und Gier, kommt ihm geschichtlich und symbolisch auch seine Bedeutung als Träger von Licht und Weisheit zu.
Der Einsatz des Dreikönigspräparats in der Landwirtschaft geht auf den Landwirt Hugo Erbe zurück. Böden zu entgiften, zu „ent-dämonisieren“, war sein leitender Gedanke. An den Grundstücksgrenzen ausgebracht, solle es gleichsam einen „magischen Zirkel“ zeichnen, der nur diejenigen Elementarwesen passieren lassen solle, die den Hof schützen und unterstützen.
Es geht an die Substanzen
Nach diesem umfassenden Blick auf Legenden und Substanzen gehen die Teilnehmenden in Gruppen daran, die aromatischen, getrockneten Weihrauchbrocken zu zerkleinern. Zunächst werden sie in großen Mörserschalen grob zerstoßen, dann fein zerrieben. Die Gruppen arbeiten weitgehend schweigend. Das dumpfe Grollen der kollernden Granitstößel bildet dabei den akustischen Hintergrund, und schon bald erfüllt der aromatische Duft den Raum und verbindet das gemeinschaftliche Tun. Als das Weihrauchpulver im nächsten Schritt mit Quellwasser aufgeschlämmt wird, scheinen Töne und Düfte urplötzlich der Atmosphäre entzogen zu werden. Ebenso behandelt wird die Myrrhe, auch ein getrocknetes Baumharz.
Den Tag beschloss Markus Hilfenhaus, Künstler und imkernder Selbstversorger, mit einer Betrachtung des künstlerischen Schaffens von Joseph Beuys, der mit seiner „sozialen Plastik“ immer wieder die gestaltende Kraft jedes einzelnen Mitglieds der Gesellschaft beschwor.
Aufwärmübung für das praktische Tun
Am Sonntag wurde die am Vortag hergestellte Mischung aus Weihrauch, Myrrhe und kolloidalem Gold in einstündiger, schweigsamer Meditation in Wasser verrührt – dynamisiert, wie der Demeter-Landwirt sagt. Ein feiner Duft durchzog bald den Raum. Im Glucksen, Plätschern und Schwappen konnte man sich fühlen wie inmitten eines munteren Bächleins.
Anschließend verteilten sich drei Gruppen und versprengten das Präparat rund um das Gelände der Fischermühle. Das ursprünglich von Hugo Erbe beschriebene Vorgehen, an den Grundstücksgrenzen eine Art magischen Schutzkreis zu ziehen, wurde dabei etwas weiter aufgefasst, und das Präparat wurde teilweise flächig ausgebracht. Intuitiv mag dabei der Goethe’sche Gedanke „Nichts ist drinnen, nichts ist draußen: Denn was innen, das ist außen“ eine Rolle gespielt haben. Das Präparat wurde nicht nur auf der Fläche, sondern auch innerhalb des Mellifera-Gebäudes ausgebracht, im besten Sinnen und Hoffen für die Geschicke des Vereins mit seinen Menschen und Bienen, die in ihm wirken. So empfing die Fischermühle eine Herz öffnende Umarmung durch Menschen, denen dieser Ort wichtig ist.
Gib mir Honig
Obwohl die kontinuierliche geistige Arbeit am Ort bei den Arbeitstreffen Bienen und Spiritualität im Vordergrund steht, nahmen etliche Menschen heuer erstmals teil. Am Rande des Arbeitstreffens und in den Gesprächsrunden tauschte die Gruppe sehr unterschiedliche Erfahrungen und Erwartungen im Zusammenhang mit Spiritualität aus, woraus viele Anregungen zum Nachdenken erwuchsen. Doch ob wir uns nun im Zusammenspiel mit Elementarwesen empfinden oder auf die Welt in anderer Weise schauen: Der Appell lautet, unsere Tätigkeiten mit Liebe zu erfüllen. Angefangen mit uns selbst, unserer Arbeit und im Zusammenspiel mit unseren Mitmenschen. Und natürlich mit unseren Bienen.
“Wir wollen alles Materielle im Lichte des Geistes tun,
Und wir wollen das Licht des Geistes so suchen,
Dass es uns Wärme entwickele für unser praktisches Tun.”
(Quelle: Rudolf Steiner, Wahrspruchworte, GA 40, S. 116)
Mitautorin dieses Artikels ist auch Almut Tobis.
Weitere Veranstaltungen
Almut Tobis kommt wieder an die Fischermühle: In der Veranstaltung Apitherapie widmet sie sich mit den Teilnehmenden im April 2024 dem Thema Propolis. Im Oktober 2024 stehen die Antiinfektiva Honig und Propolis auf dem Programm.
Beide Veranstaltungen können auch in Kombination mit einem Honigmassage-Kurs, der jeweils am Vortag stattfindet, gebucht werden.
Eine Einführung in die wesensgemäße Bienenhaltung bietet vom 29.2.-3.3.2024 das Seminar Wege zu einer wesensgemäßen Bienenhaltung an der Fischermühle.
Mit den Imkerkursen im Ausbildungsverbund kann die wesensgemäße Bienenhaltung deutschlandweit praktisch erfahren und erlernt werden:
Im Kurs Mit den Bienen durchs Jahr machen interessierte Neueinsteiger erste Schritte mit den Bienen.
Der Kurs Neue Wege mit den Bienen eröffnet neue Zugänge für Menschen, die bereits Bienen halten.