


Aufstellen von Bienenvölkern
Bienenkunde: Bienenwohnung Folge 2
Mi 7. April 2004 von Gastautor*in BieneMenschNatur.06, Bienenkunde, Bienenwohnung
Das Bienenvolk wählt den Bienenbaum von Angenstein als bevorzugte Wohnung aus. (BMN 5, Winter 03/04) Die Anziehungskraft dieser Wohnung lässt den Schluss zu, dass das Bienenvolk da einige bevorzugte Wohnqualitäten findet, im menschlichen Sinne entspricht dies einer Traumwohnung. Die Baumwohnform ist nicht nur ein Angebot der Natur, in der imkerlichen Frühform des Zeidlerwesens wurde diese Betriebsweise auch kultiviert. Hohle Bäume wurden stehen gelassen, andere Bäume wurden absichtlich für die Bienen präpariert. Jedes Bienenvolk hatte damit seine durch die Eigenheit des Baumes geprägte Bienenwohnung an einem Einzelstandort. Bienenvölker lebten in einer weitläufigen Verteilung in der Landschaft. Konkurrenz um die Nahrungsgrundlage aus der Blüte und der Räubereidruck wurden so minimiert. Die Hülle des Baumes bot Schutz und Verankerung im Boden wie auch Wohnung und Ausflug in luftiger Höhe.
Führen wir uns im Vergleich die Aufstellung unserer Bienenvölker vor Augen: In der Regel haben die Bienenwohnungen einen einheitlichen Bauplan, stehen dicht nebeneinander, auf gleicher Höhe, das Flugloch in die gleiche Richtung gewendet. Unsere Bienenstände erinnern an Reihen von Soldaten in Uniform, gleiche Ausrichtung, gleiche Geste. Die Aufstellung der Soldaten demonstriert die Unterordnung unter eine Befehlsgewalt, indem die individuellen Ausprägungen und die Persönlichkeit minimiert werden sollen. Es wird damit bewusst vereinheitlicht, um Gleichheit und Austauschbarkeit aufzubauen. Auch unsere Bienenvölker stehen zumeist stramm in der Reihe, wenn auch die Ausrichtung andere Gründe haben mag. Doch die Wirkung ist vergleichbar. Mit der soldatischen Reihenaufstellung erhöhen wir die Gleichheit, die Verwechselbarkeit und damit den Verflug, einzelne Bienen finden nicht mehr in ihr eigenes Volk zurück. Dadurch werden unter den gleichgestellten Bienenvölkern Krankheitsfaktoren wie Milben, Bakterien, Pilzsporen und Viren vermehrt ausgetauscht. Bekanntlich sind Randvölker auch im Honigertrag besser, sogar der Eintrag von Nektar und Honigtau wird also sozialisiert.
Aus dem Anliegen einer wesensgemäßen Imkerei heraus haben wir für unsere Bienenvölker eigentlich andere Zielsetzungen: Wir möchten das einzelne Bienenvolk in seiner Eigenheit stärken und seine individuelle Entfaltung fördern – beispielsweise über den Naturbau, mit einem Wabenaufbau aus dem körpereigenen Wachs. Die imkerliche Beobachtung freut sich an der Eigenheit und weniger an der Gleichheit. Vom Aspekt der Bienengesundheit her soll nicht nur der Austausch unter den Völkern vermindert werden, wir hoffen, dass die Völker mit der Stärkung der volkseigenen Kraft auch eigenständiger und abwehrkräftiger werden. Doch diese Individualisierung des Bienenvolkes wird bisher in der Aufstellung zu wenig berücksichtigt.
Aus diesen Überlegungen heraus, habe ich zu experimentieren begonnen. Es erscheint mir wichtig, dass die Bienenkästen auf einer eigenen Unterlage stehen und nicht gemeinsam auf einer Balkenlage. Ein Abstand zwischen den Völkern wird dadurch selbstverständlich und es entsteht die Möglichkeit, mit der Fluglochhöhe zu variieren. Auch ist es einfach, mit der Exposition der Flugfront zu spielen, die einen schauen gegen Osten, anderen gegen Süden. Diese lockere Einzelaufstellung kann die Anzahl der möglichen Völker gegenüber der Reihenaufstellung an einem Platz vermindern, das kann aber auch als positiver Nebeneffekt gesehen werden. Die Einzelaufstellung ermöglicht zudem ein seitliches Bearbeiten. Das erlaubt den fortlaufenden Blickkontakt mit dem Flugloch, denn auf dieses Verbindungstor zwischen der Innen- und der Außenwelt der Bienen kann nicht genug geschaut werden. Bei einem einmaligen Blickkontakt vor der Behandlung können Informationen übersehen werden, die das Bienenvolk erst dem mehrmaligen Beobachter des Flugloches anbietet.
Diese gruppierte Einzelaufstellung der Bienenvölker (s. Foto) soll die Diskussion anregen und zum spielerischen Experiment motivieren. Der wirklich Einzelaufstellung in der Landschaft, wie sie oben beim Zeidlerwesen geschildert wird, kommt man damit kaum näher,
Autor: Martin Dettli, Agronom ETH, lebt in der Schweiz freiberuflich als Journalist und Imker.