


Neue gesetzliche Regelungen für Imker*innen: Bestandsbuch und Tierarzneimittelgesetz
Das neue Tierarzneimittelgesetz (TAMG) gilt für alle Bienenhalter*innen in Deutschland, die Lebensmittel in Verkehr bringen – und dazu gehört jede Weitergabe an Dritte, so also auch das Verschenken von Honig. Was sich geändert hat und warum in diesem Zusammenhang die Stockkarte eine große Rolle spielt.
Fr 29. Juli 2022 von Katrin Sonnleitner Bienengesundheit, Varroa, Wesensgemäße Bienenhaltung
Wie dürfen wir behandeln, und was müssen wir dokumentieren?
Die Bienen schwärmen, und wir wünschen ihnen noch eine ergiebige Sommertracht. Doch ab der Sommersonnenwende streben sie wieder dem Winter entgegen, und die Imker*innen müssen ein waches Auge darauf haben, wie sich die Varroamilben in ihren Völkern vermehren. Schon jetzt sollte man planen, was man tun möchte, um die Belastung durch die Varroamilbe in den Völkern gering zu halten, damit die bereits im Spätsommer herangezogenen Winterbienen ein gesundes und langlebiges Winterbienenvolk bilden.
Neue Verordnungen in Kraft
Seit 28. Januar 2022 gilt für alle Bienenhalter*innen in Deutschland ein neues Tierarzneimittelgesetz (TAMG). Weiterhin wird die Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments über Tierarzneimittel in allen Mitgliedsstaaten der EU angewendet.
Für die Bienenhaltung sind damit einige Änderungen verbunden, die zugelassene Behandlungsmethoden und -mittel betreffen, sowie die Dokumentationspflicht über den Einsatz von Arzneimitteln in den Bienenvölkern. Die Standardzulassungen für Ameisensäure, Milchsäure und Oxalsäure entfallen. Sie können noch bis zum Ende einer Übergangsphase im Januar 2027 verwendet werden. Schon vor Inkrafttreten dieser Regeln galt grundsätzlich, dass medizinische Behandlungen von Bienenvölkern nur mit veterinärmedizinisch zugelassenen Präparaten erlaubt sind. Weiterhin war bereits für apotheken- und verschreibungspflichtige Arzneimittel an jede Zulassung auch die jeweilige Applikationsform geknüpft. Nach Ende der Übergangsphase gilt dies auch für frei verkäufliche Arzneimittel.
Oxalsäure darf laut Zulassung derzeit in Deutschland nur per Sprühen oder Träufeln im brutfreien Volk angewendet werden. Die Verdampfung oder eine Blockbehandlung brütender Völker hingegen ist nicht zugelassen.
Aktualisierung dieses Artikels (29.07.2022):
In einer früheren Version des Artikels war die Ansicht wiedergegeben worden, dass Ameisensäure bereits jetzt nicht mehr per Schwammtuch verdunstet werden dürfe. Da uns eine solche explizite Maßgabe von offizieller Seite nicht vorliegt, gehen wir davon aus, dass mindestens bis zum Ende der Übergangsphase die Anwendung die Kurzzeitbehandlung mit 60%iger Ameisensäure per Schwammtuch als legitim betrachtet werden darf.
Verpflichtung zur Dokumentation
Die neue Regelung verpflichtet auch dazu, alle medizinischen Behandlungen von Honigbienenvölkern zu dokumentieren. Dafür sollen ensprechende Angaben in einem „Bestandsbuch“ für einen Zeitraum von fünf Jahren für etwaige behördliche Kontrollen vorgehalten werden. Ausdrücklich müssen nicht mehr nur verschreibungspflichtige Arzneimittel sondern auch der Einsatz von frei verkäuflichen Mitteln lückenlos im Bestandsbuch vermerkt werden.
Futtermittel werden nicht als Arzneimittel verstanden, außer dem Futter wären Arzneimittel zugesetzt.
Plädoyer für die Stockkarte
Wer ohnehin bereits sorgfältig seine Stockkarten pflegt, trägt dort neben Beobachtungen am Flugloch, im Gemüll oder bei der Durchsicht der Bienen auch alle Handlungen an den Bienen wie Fütterungen oder Varroabehandlungen ein. Mit einem Blick in die Stockkarte lässt sich bei jedem Bienenbesuch, insbesondere vor einer Durchsicht der Völker, ihr aktueller Zustand vergegenwärtigen und in Bezug auf die individuelle Geschichte des Volkes einordnen. So lassen sich auch erforderliche Maßnahmen sinnvoll planen.
All diejenigen dürfte also die neue Dokumentationspflicht vor keine besondere Herausforderung stellen. Allenfalls sollte darauf geachtet werden, die Aufzeichnungen für eine eventuelle Überprüfung durch Behörden durch die Angaben zu ergänzen, die auch für das Bestandsbuch gefordert werden:
• Anzahl oder Bezeichnung der behandelten Bienenvölker
• Standort der Bienen
• Etwaige tierärztliche Verschreibungen oder Kaufbelege bei freiverkäuflichen Mitteln
• Datum von Beginn und Ende der Behandlung
• Arzneimittelbezeichnung, Anwendungsform und verabreichte Menge
• Wartezeit in Tagen
• Behandelnde Person
Im Infobrief vom Februar 2022 des Instituts für Bienenkunde Celle (PDF Download hier) werden die neuen Rechtsnormen für alle Imkerinnen und Imker erklärt. Wer neben seinen Stockkarten ein Bestandsbuch anlegen möchte, findet Vorlagen dafür im Internet.
Puderzucker ad us. vet.?
In der Verordnung (EU) 2019/6 zählen zu den Tierarzneimitteln auch Stoffe, die für eine medizinische Diagnose am Tier eingesetzt werden. So kam bereits die Frage auf, ob der zur Varroadiagnose eingesetzte Puderzucker nun ebenfalls eine veterinärmedizinische Zulassung benötige. Das TAMG beschreibt jedoch unter §3 Abs. 2, dass Futtermittel nicht als Arzneimittel betrachtet werden, wenn ihnen nicht Stoffe zugesetzt sind, die als Arzneimittel gelten (z. B. Oxalsäure in der Zuckerlösung zum Träufeln).
Die Puderzuckermethode kann also wie gewohnt angewendet werden, und auch die in der wesensgemäßen (und biodynamischen) Bienenhaltung übliche Fütterung mit Zucker-Honig-Lösung mit Kräutertee und Salz kann in dieser Hinsicht bedenkenlos und ohne behördliche Dokumentationspflicht fortgeführt werden. Dies gilt auch für das von manchen Imker*innen verwendete milchsauer vergorene Bienenfutter.
Diagnose und individuelle Behandlung von Bienenvölkern
Jeder Behandlung sollte eine genaue Diagnose vorausgehen, damit Bienenvölker nicht
unnötig Behandlungen ausgesetzt werden. Insbesondere Menschen, die sich nur um wenige Bienenvölker kümmern, können hier sehr genau hinsehen (Milben zählen!) und entscheiden, welche Völker wann und auf welche Weise behandelt werden sollten.
Neben der Behandlung mit den zugelassenen Tierarzneimitteln sei auch auf die am Bieneninstitut Kirchhain entwickelten biotechnischen Methoden hingewiesen, um künstliche Brutpausen in Bienenvölkern zu erzeugen. Durch die komplette Brutentnahme, das Käfigen der Königin oder mit dem Bannwabenverfahren kann die Varroabelastung in den Bienenvölkern reduziert werden. Im Hinblick auf Bienenfreundlichkeit sollte bedacht werden, dass auch diese Verfahren Stress im Bienenvolk erzeugen, jedoch dabei helfen können, den Einsatz von Ameisensäure zu verringern. Ganz ohne Arzneimittel kommt dabei nur das Bannwabenverfahren aus.
Aus wesensgemäßer Perspektive ist zu beachten, dass Brutwaben nicht aus dem zentralen Brutnestkörper entfernt werden dürfen und mit den entnommenen Waben ein Umgang gefunden werden muss.
Die Leitfäden zu den Verfahren finden sich hier.