


Bienen: Eine Bereicherung für alle
Seit fast 25 Jahren hält Markus Hilfenhaus Bienen – und ist auch nach all dieser Zeit noch von den Tieren fasziniert. Was für ihn das “Wesen” der Bienen ausmacht, erzählt er im Interview.
Do 13. Februar 2025 von Lydia Wania-Dreher BieneMenschNatur.47, Interview
Markus Hilfenhaus lebt mit seiner Frau Ingrid im oberfränkischen Wüstenstein. Der gelernte Steinmetz und Bildhauer gab 2015 – als seine vier Kinder erwachsen waren – seine freischaffende Berufstätigkeit auf und widmet sich seitdem der Selbstversorgung. Auf einem Grundstück etwas außerhalb des Ortes baut die Familie Obst und Gemüse an. Dort leben auch Schafe, Hühner und Bienen. Letztere sind für den 59-Jährigen ganz besondere Wesen – davon erzählt er im Interview.
Lydia Wania-Dreher: Wie bist du zu den Bienen gekommen?
Markus Hilfenhaus: Mich hat immer alles interessiert, was ich selbst machen kann. Ein Freund von mir hat Bienen gehabt und uns Honig verkauft. Ich dachte mir, dass Bienen und damit Honig gut in unser Konzept passen.
Dann wollte mein Freund seine Imkerei reduzieren, würde mir aber zwei Völker verkaufen. Ich hatte damals keine Vorstellungen, dass das nicht so einfach ist. Also nahm ich sie unter der Bedingung, dass er mir die Bienenhaltung erklärt, und wollte so unseren Eigenbedarf an Honig decken. Jedes Mal, wenn er zu den Bienen gegangen ist, hat er mich angerufen und ich bin dann mitgegangen. So lief ich ungefähr drei Jahre mit ihm mit, fast wie in einer Lehre.
Dass das so ein komplexes Feld aufmacht, war mir vorher nicht bewusst.
Und wie kamst du zur wesensgemäßen Bienenhaltung?
Dieser Imker, der mich mitgenommen hat, hatte ein Jahr zuvor auf wesensgemäße Bienenhaltung umgestellt. Das heißt, ich habe gleich so angefangen.
Seit wann hältst du selbst Bienen?
Ich habe im Jahr 2000 mit der Bienenhaltung angefangen. Von den zwei Völkern ist gleich im ersten Jahr ein Volk gestorben. Ich habe dann gemerkt: zwei Völker sind schon knapp. Ein alter Imker meinte zu mir, du findest dann schon mal einen Schwarm. Für mich war das ein Rätsel, weil ich seit meiner Kindheit keinen mehr gesehen habe. Das war wirklich zauberhaft, denn dann ist ein Bienenschwarm an unserem Haus vorbeigeflogen und hat sich beim Nachbarn an der Hecke hingesetzt. Ich habe dann vier oder fünf Schwärme gefunden, die mir einfach so vor die Nase geflogen sind oder da waren. So konnte ich nach und nach auf zehn Völker erweitern.
Wie viele Völker hältst du aktuell?
Zurzeit habe ich 25 Völker. Und das ist auch so meine Betriebsgröße. Das ist eine Größenordnung, die ich gut handeln kann.
Du hältst Bienen also schon immer wesensgemäß. Was ist für dich das Wesen der Bienen?
Das Wesen der Bienen ist wirklich ein ganz großes Thema, das gar nicht so einfach zu greifen ist. Es ist sehr komplex.
Am Anfang, wo die Bienen ganz neu bei uns waren, hatte ich unglaublich Respekt und auch Angst vor ihnen, weil sie für mich etwas unbekanntes Großes waren. Doch meine Angst war mir etwas fremd, weil ich ja so fasziniert war. Sie waren so ganz anders als die anderen Tiere bei uns, das war mir relativ schnell klar. Wenn ich zu den Hühnern oder Schafen gehe, da kommen sie angerannt und freuen sich.
Wenn man zu den Bienen geht, ist es ähnlich, wie wenn man in den Wald geht. Der ist halt da, die Bienen fliegen einfach weiter. Man fragt sich, nimmt mich da eigentlich jemand wahr? Ja, sie haben mich wahrgenommen und mich am Anfang ziemlich attackiert. Ich konnte nicht ohne Schleier zu ihnen, weil sie auch meine eigene Angst gespürt haben. Wenn mein Imkerlehrer allerdings dabei war, der hatte so einen großen Rauschebart, waren meine Bienen lammfromm und haben nichts gemacht.
Für mich war offensichtlich, da ist irgendwer, der das wahrnimmt. Die Fragen, wer nimmt mich da überhaupt wahr oder freut sich da gar jemand, beantworte ich heute ganz anders. Heute habe ich ein Gefühl von Freundschaft und ein ganz enges Verhältnis zu den Bienen.
Kannst du dieses Wesen genauer beschreiben?
So genau kann ich das gar nicht sagen, was das für ein Wesen ist, ich kann es nur versuchen, mich dem anzunähern.
Erstmals etwas aufgefallen ist mir, als ein Volk gestorben ist oder gar als ich eines aufgelöst habe. Das Bienenvolk war dann nicht mehr da, die einzelnen Bienen waren aber nicht tot. Die haben sich bei den Nachbarn eingebettelt. Aber irgendwas ist da doch zu Ende gekommen, aber nicht die Bienen selbst.
Das eine Bienenvolk, mit dem ich angefangen habe, lebt immer noch. Seit 24 Jahren ist es da und ist nicht gestorben. Es ist jetzt vermutlich mit der sechsten Königin unterwegs. Es hat damit schon etliche Male eine ganz neue Genetik bekommen und ist immer noch da. Dieses Lebewesen ist in meinen Augen nicht so eng an eine körperliche Existenz gebunden.
Die ganzen Organfunktionen werden weiter ausgeführt, haben nicht aufgehört oder sich aufgelöst. Das heißt die Wärme, die da von Anfang an bei diesem Volk da war, war nie unterbrochen in dieser Zeit. Da lebt etwas seit 24 Jahren mit komplett neuen Bienen, anderen Waben, anderem Standort. Alles, was materiell da ist, kann man austauschen, das Tier ist aber weiter lebendig. Was für mich da ist, ist eine Wärmesphäre, die aufrecht erhalten wird. Dieses (Lebe-)Wesen ist eine Wärmesphäre, die sich durch die Bienen zeigen kann. Es macht mir den Eindruck, als benutzt es die Bienen dafür, um in dieser Welt sein zu können.
Wenn du dieses Wesen mit drei Begriffen beschreiben müsstest, welche wären das?
Da ist für mich als erstes diese Autonomie. Also eine Unabhängigkeit von dem, was in der Welt draußen ist. Sie können einen Winter mit Eiszapfen an den Rähmchen überstehen. Das hat mir am Anfang total Sorge bereitet. Im Frühjahr waren die Bienen wieder da, wie wenn nichts gewesen war. Ich hatte das Gefühl, dass hat sie überhaupt nicht berührt. Die waren da drin bei sich und waren von der Welt komplett weg, ob da Eis ist oder nicht. Das Einzige, was für mich da war, war diese Sorge und diese innere Verbindung. Und das ist der zweite Begriff: Verbundenheit.
Also einerseits Autonomie und Unabhängigkeit und andererseits innige Verbundenheit. Zwei Begriffe, die sich eigentlich gegenüberstehen. Verbundenheit empfinde ich, wenn ich eine Biene auf einer Blume sehe oder wie Bienen sich im Sommer der Landschaft hingeben, vor allem aber bei dem ganzen Schwarmprozess. Da ist alles ein Nach-draußen-Lagern. Sie könnten diesen Prozess vielleicht auch innen in ihrem abgeschlossenen Raum machen. Aber nein, diese zentralen Dinge für ihre Fortpflanzung machen sie draußen und geben sich komplett frei in diese Landschaft mit ihren Impulsen hinein. Sie haben eine innige Verbundenheit mit der Landschaft und mit allem, also auch mit mir.
Der dritte Begriff ist für mich: Bereicherung für alle. Unsere eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten, vom Laufen und Sprechen angefangen, können wir nur entwickeln, weil es von außen bzw. anderen ermöglicht wird. Für eine Gemeinschaft ist es dann bereichernd, wenn wir das wieder da einbringen, wir werden dann wiederum wertgeschätzt. Wenn man die Bienen anschaut, kann man das auch hier sehen. Das, was die Bienen von den Pflanzen bekommen, ermöglicht ihnen ihre Lebensform und beim Sammeln leisten sie gleichzeitig dabei unglaublich viel für die Fruchtbarkeit in der ganzen Pflanzenwelt. Das bereichert alle – die Bienen und das ganze Umfeld.
Welche Beziehung hast du zu den Bienen?
Ja, Bienen sind ein ganz zentraler Punkt in unserem Leben. Im Prinzip hat damit alles angefangen, wie wir jetzt leben. Ich bin seitdem viel intensiver in den Jahreszeiten und ökologischen Zusammenhängen drin, habe Lust an der Landschaft mitzugestalten. Dann hat es sich wunderbar ergeben, dass wir uns ein Stückchen Land kaufen konnten. Da konnten wir dann die Bienen hinstellen und unseren Garten machen. Da hat sich so viel ermöglicht mit den Bienen. Ich bin den Bienen sehr dankbar.
Ich möchte nochmal den Vergleich mit dem Wald ziehen. Wenn ich mit irgendwas bedrückt bin und ich mache einen Waldspaziergang, dann ist danach mein Kopf wieder frei und klar. Ich weiß nicht, wer das im Wald gemacht hat. Aber irgendwas ist im Wald mit mir passiert. Ich bin danach befreit und dankbar. Ähnlich geht es mir mit den Bienen. Auch wenn es mal eine unangenehmere Arbeit ist, wie diesen Sommer mit dem Melezitosehonig. Wenn ich von den Bienen komme, bin ich danach glücklich, zufrieden und dankbar. Es ist eine tiefe Dankbarkeit, die mich erfüllt. Das beschreibt meine Beziehung zu den Bienen am besten.