Bienenvater Norbert Poeplau summt in den Ruhestand
Sa 30. Dezember 2023 von Katrin Sonnleitner BieneMenschNatur.45„Waldorfschullehrer – kann an Seminar leider nicht teilnehmen wegen Matheprüfungen. Möchte gerne mit uns ins Gespräch kommen.“ – So lautet die erste Notiz zu Norbert Poeplau in den Aufzeichnungen Melliferas. Sechs Jahre später folgte er seiner Faszination für die Bienen und übernahm hauptberuflich die Verantwortung für die Imkerei Fischermühle. Nach fast 18 Jahren summt Poeplau im Frühjahr 2024 in den Ruhestand; bereits jetzt genießt er die „passive Phase“ seines Arbeitslebens. Als Vertreterin einer Gemeinschaft, die in Norbert einen Freund und ein imkerliches und geistiges Vorbild gefunden hat, will ich ein wenig von dem teilen, was ich in den kurzen drei Jahren, die wir an der Fischermühle gemeinsam verbracht haben, von ihm erfahren durfte.
Die Rückfahrt von einem langen Wochenende mit den Bienenfreundinnen und -freunden der wesensgemäßen Bienenhaltung, dem Netzwerk, für dessen Koordination ich bei Mellifera e. V. stehe, boten Zeit für eine ausgiebige Unterhaltung mit Norbert.
Lehr- und Meisterjahre an der Fischermühle
Als Norbert an die Fischermühle kam, gab es dort nur einen kleinen Raum für Kurse. Heute ist dort das „Immen-Lädle“ eingerichtet. Bevor die Imkerei-Werkstatt und der Schleuderraum ein eigenes Gebäude erhalten haben, befanden sie sich im Untergeschoss, dem heutigen Seminarraum und Catering-Bereich. Draußen pickten Norberts Hühner, und wo mittlerweile das Firmengebäude eines Arzneimittelherstellers mit seinem Heilpflanzengarten liegt, wurde Gemüse für einen Biomarkt angebaut.
Erste Versuche zur Oxalsäure-Verdampfung hatten an der Fischermühle bereits stattgefunden (mehr dazu auf Seite 14/15), und man begann, den möglichen Einfluss der Arbeiterinnen-Zellgröße auf Varroatoleranz in Bienenvölkern zu untersuchen.
Vielfältige Persönlichkeiten, denen Norbert im Umfeld der Fischermühle begegnete, inspirierten ihn. Da waren die imkerlichen Wintertreffen mit Thomas Radetzki und weiteren Gründungsvätern des Vereins Mellifera. „Michael Reiters genaue Beobachtungen und tiefe Überlegungen zu seinen Bienen haben mich fasziniert. Und die Faschingsseminare mit Albert Muller, vor allem aber die Begegnungen mit Günther Mancke haben mein Denken zu Bienen und mein Eintauchen in Beziehungen reifen lassen“, erzählt er mit tiefem Respekt.
Ideen wurden mutig angepackt und in die Tat umgesetzt, so 2014 die erfolgreiche Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gegen Genpollen im Honig. „Ich habe den besten Imkerjob der Welt“, habe ich Norbert mehrfach schwärmen hören, wenn er in Kursen die Vielfalt der von ihm betreuten Bienenbehausungen zeigte oder seine Zeidlerbäume in den umliegenden Wäldern.
Fast 18 Jahre hat Norbert Poeplau Melliferas Bienenhaltung geprägt. Die nach einem Seminar an der Fischermühle von Teilnehmenden konzipierte Einraumbeute hat er im Sinne der Bienen und der Imkernden weiterentwickelt und mit Dr. Johannes Wirz ein tiefgründiges Buch darüber geschrieben. In einem weiteren Buch widmete er sich mit Almut Tobis den heilsamen Bienenerzeugnissen. Weitere rühmliche Verdienste googlen sich leicht. Plaudern wir lieber noch ein wenig: Die Meisterschule habe Norbert zunächst nur widerwillig begonnen. „Thomas hat auf dem Stempel ‚Imkermeister‘ bestanden, um in der Fachwelt gehört und anerkannt zu werden.“ Mit Auszubildenden und Gesellen konnte die Imkerei wachsen, zeitweise auf über 300 Bienenvölker. Ein ambivalenter Höhepunkt, der den Fokus stark in Richtung Honigertrag lenkte. Man wanderte die Bienen ins Allgäu zum Löwenzahn, ins Rheintal zur Kirschblüte.
Für die Menschen hinter den Bienen
Auch wenn Norbert die Phänomenologie der Honigbienen fesselt, war er bei Mellifera nie nur für die Bienen da, sondern schöpft seine Faszination besonders aus der menschlichen Begegnung zu Bienenthemen. Gemäß seinem Anliegen, „denjenigen mit echten Fragen im eigenen Suchen auf dem ‚Bienenpfad‘ Perspektiven zu bieten“, wundert es nicht, wenn er mit Hingabe seine Begeisterung mit Lehrkräften teilt und ihnen die sinnliche Wahrnehmung des Bienenvolks mit Kindern nahebringt. Man kann sich bei ihm eine Scheibe davon abschneiden, wenn es darum geht, selbstbewusst die eigenen ethischen Ansprüche klar auf den Punkt zu bringen und zu vertreten. Eine Gabe, die Norbert auch der Arbeit an den Richtlinien für biodynamische Bienenhaltung widmet, um Bienenerzeugnisse höchster Qualität unter Wahrung der Integrität des Bienenvolkes zu gewinnen.
Als ich Norbert vom bevorstehenden 5. Geburtstag meines Sohnes erzählte, fragte er: „Hat er schon einen Stockmeißel?“ Da verstand ich, weshalb ich zwar überlegt hatte, einen kleinen Imkerschleier zu kaufen, dies aber nie in die Tat umgesetzt hatte: Bei den Bienen geht es nicht um Angst vor Stichen oder Distanz, sondern wir wollen ihnen nahe kommen, ganz in den Bienenstock eintauchen. Diese Stimmung hat Norbert bei den Bienen an der Fischermühle in 18 Jahren geprägt: Sie sind zugänglich und friedlich, wenn sie geöffnet werden. In unzähligen Besucherführungen, Seminaren und Vorträgen, TV-Beiträgen und Fachartikeln in Bienenzeitungen ging und geht es ihm darum, Menschen abzuholen, ihnen Ansätze zu bieten, um sich selbständig tiefere Qualitäten und Zusammenhänge des Bienenwesens zu erschließen, eigene Fragen zu formulieren und ihnen nachzugehen.
Was zählt, ist die Gemeinschaft
Nun neigt sich Norberts Zeit als Imkermeister bei Mellifera e.V. dem Ende zu, und in der Gemeinschaft nehme ich neben der Dankbarkeit für die gemeinsame Zeit eine etwas wehmütige Stimmung wahr. Doch machen wir uns eines bewusst, wenn Norbert demnächst an der Fischermühle den Stockmeißel an den Haken hängt: Was eigentlich zählt, ist nicht die Einzelbiene, sondern es ist das Ganze – die Beziehungen unter den Mitgliedern unserer Organisation, Freund*innen, Förderer*innen und Bienenpat*innen tragen und inspirieren uns und unsere Arbeit. Setzen wir Norbert mit unserer Gemeinschaft ein lebendiges und vielfältiges Denkmal!
Die Zukunft der Imkerei Fischermühle
Benedikt Pestalozzi (links) und Andreas Halder (rechts) sorgen in Zukunft für die Mellifera-Bienen. (Foto: Katrin Sonnleitner)
Eine Welt, in der Bienen und Menschen einander nah sein dürfen und aus ihrer Begegnung Kraft schöpfen – das ist unser Ideal. Um die Bienen in ihrer Individualität wahrzunehmen, reduzieren wir den Bestand zukünftig auf etwa 80 Bienenvölker, die in Lehre und Forschung wirken. Und wer wird die Bienen betreuen? Vor einigen Monaten ist Benedikt Pestalozzi an die Fischermühle gekommen. Als Demeter-Landwirt begeistern ihn die Beziehungen zwischen Boden, Pflanze, Tier und Mensch. Andreas Halder ist seit vielen Jahren passionierter Imker mit profundem Fachwissen und Leidenschaft für Klima- und Umweltschutz und hat sich unseren Bienen ebenfalls angeschlossen. Welche Impulse wollen wir gemeinsam mit ihnen setzen? Bleiben Sie dran, wir werden berichten!