


Der Bienenbaum von Angenstein
Die riesige Thuja in einem parkähnlichen Garten ist gesundheitlich angeschlagen. In seinem Innern jedoch da lebt ein Bienenvolk. Seit zehn Jahren beobachte ich den Baum und seine Bienen. Warum muss da immer ein Bienenvolk sein und warum wird jeweils der erste Schwarm von diesem Baum angezogen? Der amerikanische Bienenforscher Thomas Seeley hat in seiner Dissertation das Verhalten von frei fliegenden Schwärmen untersucht.
Fr 10. Oktober 2003 von Gastautor*in BieneMenschNatur.05, Bienenwohnung, Forschung, wildlebende Bienen
Die riesige Thuja in einem parkähnlichen Garten ist gesundheitlich angeschlagen. In seinem Innern jedoch da lebt ein Bienenvolk. Seit zehn Jahren beobachte ich den Baum und seine Bienen. In dieser Zeit hat das Baumvolk drei Mal einen Winter überlebt, jeweils nach den guten Waldtrachtjahren 94, 95 sowie 2001. Doch der Baum bleibt nie unbewohnt, wenn die Bienen starben. Das Ende eines Bienenvolkes kam meist erst im Monat März, und die Aufzeichnungen zeigen, dass der Baum frühestens am 10. April und spätestens am 13. Mai wiederbesiedelt wurde. So genaue Angaben kann ich machen, weil die alte Bäuerin vom Hof Angenstein mir jeden Schwarmeinzug meldet.
Warum muss da immer ein Bienenvolk sein und warum wird jeweils der erste Schwarm von diesem Baum angezogen? Der amerikanische Bienenforscher Thomas Seeley hat in seiner Dissertation das Verhalten von frei fliegenden Schwärmen untersucht. Dabei hat er folgende sechs bevorzugten Eigenschaften herausgearbeitet. Bienen suchen Wohnungen, deren Fluglöcher 2 Meter und mehr über Boden sind und die unter 50 cm² groß sind. Weiter wird eine Fluglochposition am Boden des Hohlraumes und eine Ausrichtung gegen Süden bevorzugt. Beim Rauminhalt der Behausung sind die Bienen nicht wählerisch, zwischen 10 und 100 Litern werden gerne besiedelt, sie schätzen es allerdings, wenn die Wohnung schon mit Waben möbliert ist. Diese Eigenschaften treffen beim Bienenbaum von Angenstein zu, der Rauminhalt lässt sich jedoch nicht überprüfen. Waben bleiben ohne Zweifel erhalten, denn die Wachsmotte kann in der kühlen Frühlingszeit bis zur Wiederbesiedelung ihrer Pflicht nicht nachkommen. Wie die Bienen bei den alten Waben mit ihrem Bautrieb und der Bauerneuerung umgehen, das wäre interessant zu beobachten.
Schwarmfangkasten in einem Baum nahe beim Haus (Foto: Martin Dettli)
Angeregt durch den Bienenbaum und die Unterlagen von Seeley begann ich mit Kästen zu experimentieren, die ich bei meinen Bienenständen in die Bäume hängte, um freifliegende Schwärme zum Einziehen zu bewegen. Das funktioniert recht gut, wenn man einen weiteren Faktor mit einschließt: Die Erdstrahlung. Strahlung konnte oder wollte Thomas Sealey nicht bearbeiten. Wie wir wissen, sind Bienen strahlungsliebende Tiere. Bei freier Wahl kommt dies verstärkt zum Tragen, ein strahlungaktiver Siedlungsort wird bevorzugt. Radiästhetisch geschulte Freunde haben den Standort des Bienenbaumes untersucht und ihn gemäss ihren Fachbegriffen eingeordnet. Strahlungszonen kann man ohne Fachwissen mit etwas Übung über die körperliche Beobachtung wahrnehmen. Denn die Erdstrahlen bewirken eine erhöhte Körperaktivität mit verstärktem Herzschlag oder, wie ich das nenne, einen kleinen körperlichen Stress. Diese Selbstbeobachtung macht im übrigen auch klar, warum der Ruheplatz des Menschen strahlungsfrei sein sollte. Für den Imker ist es ein Vorteil, wenn er sich diese Wahrnehmungsfähigkeit erübt. Für mich war nicht zuletzt der Bienenbaum ein Eich- oder Ausgangspunkt für diese Art von Beobachtungen.
An acht verschiedenen Orten habe ich mit den am Baumstamm befestigten Experimentierkästen begonnen. Jetzt habe ich nur noch drei, die alle auf deutlichen Strahlungsfeldern stehen. Diese drei Kästen liefern im Schnitt pro Jahr fünf Schwärme, das heisst manche Kästen werden nach dem Umlogieren ein zweites Mal besiedelt.
Bei meinem Heimstand hatte ich letztes Jahr vier Altvölker, die ich nicht aufsetzte, um sie frühzeitig zum Schwärmen zu bringen. Der erste Schwarm hing so niedrig, dass ich die „Diskussion“ der Bienen über die Standortwahl beobachten konnte. Mit dem Schwänzeltanz auf der Bienentraube „besprechen“ sie die Möglichkeiten. Den Fangkasten bei meinem Haus 150 m Richtung Norden entdeckte ich als ersten Vorschlag. Doch da war noch ein Gegenvorschlag: Richtung Süden deutlich weiter weg. Er wurde von vielen Tänzerinnen bevorzugt. Was konnte denn das für ein Platz sein? Ich überlegte, was denn im Süden liegt … der Bienenbaum! Sicher 1 km weg, aber offensichtlich attraktiver. Ich hab aber in ganz undemokatischer Weise den Schwarm eingefangen, nicht fliegen lassen. Fünf Tage später hing ein weiterer Schwarm an meinem Heimplatz in unerreichbarer Höhe. Ich musste ihn ziehen lassen und ich liess ihn auch gerne ziehen, denn … meine Beobachterin meldete mir tags darauf den Schwarmeinzug beim Bienenbaum.
Martin Dettli, Agronom ETH, lebt in der Schweiz, freiberuflich als Journalist und Imker.