


Der Strohkorb gibt Impulse
Bienenkunde: Bienenwohnung Folge 3
Sa 18. Dezember 2004 von Gastautor*in BieneMenschNatur.07, Bienenwohnung
Der Bienenkorb schmückt viele Honigverkaufsschilder und er ist in jeder Bienenzeitung irgendwo abgebildet. Dabei kann mit diesem Symbol kaum jemand seine eigenen Bienen meinen, denn der Korb wird höchstens noch vereinzelt als Liebhaberobjekt oder zu Demonstrationszwecken mit Bienen besiedelt. Die Honigernte aus diesen Körben reicht heute kaum für mehr als das eigene Butterbrot. Wie ist es dann zu erklären, dass ein solches Objekt aus anderen Zeiten immer noch so ansprechend ist? Eine Immobilienfirma z. B. würde nie mit den Felsen von Höhlenbewohnern werben. Bei den Bienen ist dies anders. Für Imker, wie für Honigkunden repräsentiert das Symbol des geflochtenen Korbes das Bienenvolk schlechthin. Wie ein Archetypus hat sich die runde Form des Korbes in das Bewusstsein der Menschen eingeprägt. Damit erfassen wir etwas, was erst beim genaueren Hinschauen bewusst wird. Die Form des Bienenvolkes ist die Rundung hin zur Kugel. Am Aufbau des Brutnestes und beim Bau des eigenen Wabenwerkes wird dies ersichtlich. Der Strohkorb kann dieser Form gerecht werden. Immer wieder lassen sich Imkerinnen und Imker begeistern, ein Volk in einem Korb zu beobachten. Dazu hat auch die Weiterentwicklung des klassischen Stülperkorbes zum Weißenseifener Hängekorb beigetragen.
In der imkerlichen Arbeit haben jedoch Kisten als Bienenwohnung längst alles andere verdrängt. Sie können lang oder hoch sein, übereinander, nebeneinander oder verstreut aufgestellt werden. Die acht Ecken sind die Gewähr für eine rationelle Bewirtschaftung mit mobilem Wabenbau. Zwei Qualitäten aus dem Strohkorb lassen sich aber zumindest in Abwandlungen in die Kiste hinüberretten: Das ist die bieneneigene Wabenarchitektur und das Stroh als Baumaterial. Beim Naturwabenbau wird das Wachs aus dem Körper des Bienenvolkes herausgeschwitzt und nach den Bedürfnissen des Bienenvolkes aufgebaut. Solche Waben aus körpereigener Substanz lassen sich auch im Mobilbau verwirklichen, wenn man auf die künstlichen Waben aus Mittelwänden verzichtet. Strohwände in einem Holzgestell haben andere Qualitäten als eine Vollholzbeute. Im Stroh ist die Leichte und Luftigkeit dieser einjährigen Pflanze gesammelt. Das Getreide wächst sehr lichtbetont auf. Richtig konstruierte Strohbeuten sind trocken und haben ein optimales Klima. Diese Wärme-Licht Qualität passt zum Bienenvolk. Auch vom Gefühl her vermittelt das Stroh eine schützende Hülle wie sie beispielsweise beim Nest des Huhnes erlebt werden kann. Stroh-Lehmbeuten sind jedoch beim Bau arbeitsintensiver als Holzbeuten und erfordern eine bessere Abdeckung gegen Regen.
Holz und Stroh eignen sich für die Bienenbeute, das zeigt sich auch in einer kulturhistorischen Betrachtung: Auf der einen Seite steht die Zeidlerei, eine Imkerei im Schutze des Waldes, allerdings in lebenden Bäumen. Ihre im Wald verstreuten „Holzwohnungen“ wählten die wilden Bienenvölker selber. Sie wählen damit auch die Vorteile einer Einzelaufstellung. Die Korbimkerei hingegen gehört auf die Bauernhöfe: Die Bienen wurden bei den Häusern der Menschen am Rand von Feld und Wiese in Gruppen aufgestellt. Die runden Strohkörbe sind aus dem menschlichen Empfinden und Erfinden entstanden. Die Betrachtung dieser beiden historischen Formen kann auch heute noch Impulse zu Fragen des Standorts, des Baustoffes oder auch zum Verhältnis von Mensch und Bienen geben.
Autor: Martin Dettli, Agronom ETH, lebt in der Schweiz freiberuflich als Journalist und Imker.