Der Ursprung der wesensgemäßen Bienenhaltung
Vor 30 Jahren hat Thomas Radetzki erstmals seine Grundüberlegungen zur wesensgemäßen Bienenhaltung formuliert. Anlässlich des Jubiläums »30 Jahre Mellifera e. V.« veröffentlichen wir wesentliche Auszüge aus zwei Artikeln mit dem Titel »Von der hohen Bedeutung der Bienen«, die ursprünglich 1986 in der Zeitschrift »Lebendige Erde« erschienen sind.
Sa 9. April 2016 von Thomas Radetzki Wesensgemäße BienenhaltungDie unbekannte Bienenpersönlichkeit
Alle Nöte der Bienenvölker in der heutigen Zeit lassen sich letztlich auf eine unzureichende Anschauung des Bienenwesens zurückführen. Wir müssen immer mehr lernen, die Zehntausenden von Bienen eines »Volkes« mit allen ihren Lebensäußerungen als ein Lebewesen zu erkennen. Es ist in diesen ungezählten Organen nur innerhalb der räumlichen Welt getrennt. Im Winter zieht es sich zu einer kleinen Wintertraube zusammen. Zum Sommer hin weitet es sich innerhalb von Luft, Licht und Wärme, bis es mit seinen Flugbienen kilometerweit die Landschaft durchdringt. Wer ist dieses Wesen, dass einen solchen Atem vor uns hinstellt? Die ahnende Berührung mit ihm ist es, die Imker von jeher so sehr zu bannen vermag.
- Wie bei manch anderen sogenannten staatenbildenden Insekten ist das Leben eines Bienenvolkes (nicht das der einzelnen Biene!) Ausdruck hoher Weisheit in der Natur. Die Bienen unterscheiden sich allerdings von Ameisen, Wespen und anderen. Von den einzelnen Bienen wird körpereigene Substanz, das Wachs, ausgeschwitzt. Erst durch das daraus gemeinsam errichtete Wabenwerk erhält der Bien seine vollständige physische Leiblichkeit.
- Außer in diesem festen Element äußert sich der Bien im »flüssigen« Element und zwar in einer übergeordneten Stoffwechselleiblichkeit, alle Nahrungssubstanz strömt zwischen den Bienen hin und her: Der weitaus größte Teil des aufgenommenen Nektars wird nicht von der Sammelbiene selbst verzehrt, sondern weitergereicht von Biene zu Biene. Dabei wird der Nektar durch die Zusammenarbeit vieler Bienen zum Honig umgewandelt. Die Ernährung der Brut ist ebenso die Leistung vieler Bienen, die über ihre Futtersaftdrüsen einen Teil aus dem allgemeinen Nahrungsstrom für diesen Zweck ausscheiden.
- Auch im luftigen Element äußert sich die individuelle Einheit eines jeden Bienenstockes durch den Duft. Jede Biene verfügt, über eine Duftdrüse, deren Ausdünstungen den Bienenstock durchziehen. Am Flugloch eintreffende Bienen werden mit dem Geruchs-Geschmackssinn wahrgenommen.
- Die Bienen eines Volkes bilden zudem einen gemeinsamen Wärmeleib. Unabhängig von der eigenen Körperwärme kühlen oder erwärmen sie den Brutbereich auf ein Niveau, welches dem des menschlichen Blutes entspricht. Der innere Bereich des Biens wird dadurch unabhängig von den Unbilden des Sommers und Winters.
- Als Imker kann man empfinden und beobachten, wie verschieden, wie eigen ein jedes Bienenvolk ist. Wenn wir Rudolf Steiner richtig verstehen, steht hinter jedem Bienenvolk, im Unterschied zu anderen Tiergruppen, ein individuelles geistig-seelisches Wesen.
»Der Geist des Bienenstockes steht hinter dieser Arbeit der Bienen. Die einzelnen Bienen gehören zu einer einzigen Bienenpersönlichkeit, wie unsere Glieder zu uns gehören«.
»Wir müssen wohl unterscheiden: die Seele des ganzen Bienenstockes ist keine gewöhnliche Gruppenseele, sondern ein Wesen für sich«.
Der Bien hat eine tiefe Verwandschaft mit dem Menschen. Rudolf Steiner spricht in diesem Zusammenhang über den Schwarm:
»Und wenn man jetzt den Bienenschwarm anschaut, so ist der zwar sichtbar, aber er schaut just so aus, wie die Menschenseele, die den Körper verlassen muss. Es ist ein großartiges Bild, so ein fortschwärmender Bienenschwarm. Wie die Menschenseele den Körper verläßt, so verlässt, wenn die junge Königin herangewachsen ist, die alte Königin mit ihrem Anhang den Bienenstock, und man kann richtig am ausziehenden Schwarm ein Bild von der ausfliegenden Seele des Menschen sehen«.
Der Bien in der Gegenwart
Der Bien hat ernstlich unter den Auswirkungen der modernen Kultur zu leiden. Der generelle Rückgang der Lebenskräfte, die Verarmung des Blütenangebotes und die Umweltverschmutzung lasten auf den Bienen. Zu dieser allgemeinen Situation kommen die Maßnahmen des Imkers hinzu. Der Imker versteht es, die unerhörte Fähigkeit eines Bienenvolkes zur Selbstheilung, Harmonisierung und Anpassung zu rationeller Zucht und zur Produktion von Honig umzulenken. Dabei sind aber doch die Imker – wenn uns auch die alten Bienenväter immer mehr fehlen – alle in ihre Bienen vernarrt und schwärmen von ihnen. Jeder von uns Imkern tut sein Bestes, um möglichst »bienengemäß« zu arbeiten. Nun zeigt es sich an den in diesen Jahren auftretenden Schwierigkeiten deutlich, wie auch für die Imkerei eine Zukunft nur aus geisteswissenschaftlicher Erkenntnisbemühung erwirkt werden kann.
Die Arbeitervorträge über die Bienen sind im Rahmen des Gesamtwerkes Rudolf Steiners ein kaum gehobener Schatz. Zu Beginn des ersten Vortrages äußert Rudolf Steiner sich über den Zusammenhang von Fruchtbarkeit und künstlicher Königinnenzucht, die damals (1923) schon starke Verbreitung gefunden hatte. Im Verlaufe dieser Vorträge spricht er wiederholt aus, dass die Bienenzucht unter diesen Maßnahmen zugrunde gehen muss:
»Dass aber in hundert Jahren die ganze Bienenzucht aufhören würde, wenn man nur künstlich gezüchtete Bienen verwenden würde«.
»Es lässt aus dem heutigen Bestand überhaupt gar nichts schließen darauf, was die künstliche Bienenzucht bedeutet oder nicht, sondern das muss man noch fünfzig, sechzig oder meinetwillen hundert Jahre ins Auge fassen«.
Inzwischen sind gut 60 Jahre verstrichen, und die Bienen an den Rand ihrer Existenz gebracht. Die von Rudolf Steiner kritisierte künstliche Königinnenzucht wurde nur von wenigen Imkern unterlassen. Man wird den Bienen aber nicht gerecht, wenn man lediglich auf diese Maßnahme verzichtet. Auch an anderen Stellen werden die Kräfte, die in der Einheit des Bienenvolkes wirken, mechanisch gemacht. Dazu sei stichwortartig erwähnt: der Wabenbau, die Schwarmverhinderung, die Zuckerfütterung, der Bienenkasten (Art und Material), diverse Eingriffe ins Brutnest, Beschränkung der Drohnenbrut etc.
Seit einigen Jahren werden alle Bienenvölker von dem sich seuchenhaft ausbreitenden Parasiten Varroa jacobsóni angegriffen. In der Regel führt diese Varoatose zum Tod, wenn nicht mit massiv wirkenden Medikamenten eingegriffen wird. Diese können den Parasiten grundsätzlich nicht beseitigen, sondern nur den Zusammenbruch der Völker vermeiden, indem der Befallsgrad verringert wird. In 1976/77 wurden diese blutsaugenden Milben in der Bundesrepublik festgestellt. Dieser Parasit hat sich Jahrtausende auf seinen eigentlichen Wirt, die »Apis Cerana«, eine asiatische Bienenrasse, beschränkt. Er breitet sich mit erschreckender Geschwindigkeit weltweit aus.
Die Milbe ist aber nur der stärkste und spektakulärste Angriff auf die Bienen. Bei unbefangenem Blick auf die Imkerei wird der Verlust an Vitalität und Regenerationskraft deutlich. Schon die Darmkrankheit »Nosematose« war eine haltungsbedingte Krankheit, die vor Jahren zu enormen Völkerverlusten geführt hat.
Aspekte einer »wesensgemäßen Bienenhaltung«
Nachfolgend sollen lediglich natürliche Ereignisse im Leben eines Bienenvolkes den gewohnten imkerlichen Verfahren gegenübergestellt werden. In diesem Rahmen geht es nicht darum, eine bienenkundlich detaillierte Fachauseinandersetzung zu führen, sondern Fragen wachzurufen. Laien mögen Interesse für die Geheimnisse des Bienenvolkes gewinnen. Die Imker werden vielleicht ermutigt, weiter auf notwendig neuen Wegen zu suchen.
Völkeraufbau und Vermehrung
Üblicherweise wird ein Ableger (ein kleines Volk) erzeugt, indem die „Einzelteile” dazu von verschiedenen Stellen geholt werden. Den Zeitpunkt dazu kann der Imker nach praktischen Gesichtspunkten wählen.
Solche Einzelteile, sind Waben mit Futtervorräten, ggf. Waben mit Brut, Bienen aus verschiedenen Völkern und eine Königinnenzelle oder eine Königin, die vielleicht per Post von irgendwo herkommt. So wird mechanisch ein Volk zusammengestellt. Die Bienen bescheiden sich in ihr Schicksal und bilden nach und nach einen weitgehend harmonisierten Organismus. Rationalität und Produktivität sind bestimmend für diese Maßnahmen.
Demgegenüber haben wir im »Nachschwarm« am reinsten vor uns, was in der Natur als Geburt eines Bienenvolkes zu bezeichnen ist. Im Schwarmgeschehen stößt der einheitliche Bien mehrere kleine Bienenvölker ab. (Die Entwicklung und Geburt der Arbeiterbienen aus den Eiern ist ein Wachstumsvorgang bezüglich des Biens als Ganzen. Die Tatsache, daß die eine Königin im aufstrebenden Frühjahr bis zu 3000 Eier täglich legt, erweckt das Bild pflanzlichen Wucherns.) Der Schwarmtrieb erwacht in einem von dem Bien bestimmten Moment des Frühjahres. Die Königin legt dann Eier in Königinnenzellen, wodurch der Zusammenhang des Volkes zerfällt. Die alte Königin verlässt als erste mit einem Teil der Arbeiterinnen die Beute (Bienenkasten). Das ist der sogenannte Vorschwarm. Dem folgen ein oder mehrere Nachschwärme mit unbegatteten Jungköniginnen. Solch ein Nachschwarm stürzt bei sonnigem Wetter spät vormittags in einem chaotischen, stürmischen Ausfall ins Freie. Er bewegt sich wie .eine Wolke durch die Luft, um sich dann z. B. an einem Ast als Schwarmtraube zu sammeln. In dieser Schwarmtraube haben wir eine Konzentration, ein Zusammenballen, ähnlich wie in der Wintertraube vor uns.
Die Frucht dieser Besinnung, dieses Atemholens, ist die Ehrfurcht und Bewunderung erweckende Entwicklung eines Jungvolkes. Nachdem die Suchbienen ein neues Zuhause gefunden haben und der ganze Schwarm dort eingezogen ist, bauen sie bei Tracht in, wenigen Tagen mehrere edelste sogenannte Jungfernwaben. Der Schwarmakt erweist sich als Quell unerhörter Vitalität für ein Volk. Der Schwarmtrieb ist eine elementare Lebensäußerung und gehört in eine zukünftige Betriebsweise integriert. Er wird heute mit aller Raffinesse und wenn nötig mit Gewalt unterdrückt. Der Ehrgeiz des Imkers liegt aus Gründen des Honigertrages und des Arbeitsaufwandes darin, möglichst keine Schwärme zu haben. Die künstliche Zucht trifft eine Selektion auch nach dem Merkmal »Schwarmträgheit«.
Königinnenzucht
Die Königinnen werden heute in aller Regel aus Arbeiterinnenbrut gewonnen. In verschiedener Art von technischer Perfektionierung wird, dabei das Volk meist durch einen absichtlich herbeigeführten Notstand gezwungen, aus Arbeiterinnenbrut eine Königin zu machen. Die Bienen sind dazu in der Lage, nachdem schon 1/3 der Entwicklungszeit bis zum Schlüpfen der Königin verstrichen ist. Bei der Umlarvmethode werden junge Larven aus ihren sechseckigen Zellen entnommen und in runde Königinnenzellen, die aus Wachs oder gar Kunststoff künstlich hergestellt sind, umgesetzt.
Mit der instrumentellen Besamung breitet sich eine weitere neue Steigerung der künstlichen Zucht aus. Dabei wird die Königin auf dem Labortisch in eine Apparatur geklemmt, mit Haken werden ihre Geschlechtsteile geöffnet und so das Sperma eingeführt. Um die Königin dafür gefügig zu machen und um eine nachfolgende natürliche Begattung zu unterbinden, wird sie zweimal mit Kohlensäure betäubt. Diese Zuchtmethoden haben ihre Ursachen in dem Streben nach stabilen Eigenschaften entweder einer reinen Rasse oder einer kontrollierten Kreuzungszucht.
Im natürlichen Verlauf ist die Königin im Nachschwarm noch unbegattet. Nach etwa 5 Tagen zieht sie an einem lichten und warmen Mittag zu ihren Hochzeitsflügen aus. Sie fliegt der Sonne entgegen, die gewissermaßen ihre Heimat ist, und wird unter freiem Himmel von mehreren Drohnen begattet.
Bienenrassen
Die bei uns ursprünglich heimische Biene, die sogenannte »Nigra« (Apis mellifica mellifica) war an das wechselhafte Klima angepasst und existiert nur noch in Wenigen begrenzten Gebieten Mitteleuropas. Hauptsächlich wird jetzt in Deutschland die »Carnica«, eine Biene aus Kärnten (Österreich) und den Balkanländern, in sogenannter Reinzucht oder Kreuzungsrassen, wie z. B. die Buckfast-Biene gezüchtet. Das Zuchtziel ist im wesentlichen der Aufbau größerer Völker durch frühen und starken Bruteinschlag, Schwarmträgheit und Sanftmut. Es stellt sich die Frage, ob nicht z. B. der zu frühe Bruteinschlag und mangelnde Anpassung an unser Klima zu den hohen Überwinterungsverlusten und erhöhter Anfälligkeit gegenüber Brutkrankheiten beiträgt.
Fütterung
Zum Ersatz des entnommenen Honigs, aus Mangel an natürlichem Trachtangebot (Trachtlückenfütterung) und zur Anreizung einer stärkeren Bruttätigkeit (Frühjahr- und Herbstreizfütterung) wird Zucker gefüttert. Zu jeder der entsprechenden Fütterungsarten gibt es entsprechende Theorien, warum kein, bzw. nicht nennenswerter Zucker in den Honig gelangt. Hiermit soll nicht derjenige angegriffen werden, dessen Völker in verarmter Landschaft ohne Zucker verhungern. Es muss aber deutlich werden, woran unsere Völker leiden. Der raffinierte Zucker ist ein toter mineralischer Stoff. Es kostet die Bienen enorme Lebenskräfte, ihn zu einer honigähnlichen Substanz aufzubereiten. Der Nektar enthält ätherische Öle und organische Säuren, Vitamine und Spurenelemente in ausgewogenem Verhältnis. Der Verdauungsorganismus der Biene und auch das Wechselspiel zwischen Atmung und Blutzirkulation wird dadurch angeregt. Mit dem Nektar nimmt der Bien Sonnenwirkung auf.
Rudolf Steiner empfiehlt, wenn eine Zuckerfütterung notwendig ist, dem Zuckerwasser Kamillentee beizusetzen.
Bienenwohnung
Obwohl die Bienen im Holz und heute sogar auch in Schaumstoff und Metall leben, lässt Rudolf Steiner keinen Zweifel daran, daß doch eine Behausung aus Stroh das Bessere sei. Es ist offenkundig, daß der Feuchtigkeitshaushalt und die Wärmedämmung in Strohbeuten günstiger sind. Man bräuchte gar nicht auf die qualitative Nähe des Roggenstrohs mit seinem hohen Kieselgehalt zu dem vollendeten Umgang der Biene mit den Kieselkräften weisen, um die Verwendung des Strohs als Beutematerial zu vertreten.
Wabenwerk
Allein die Tatsache, dass die Bienen für die Erzeugung von 1 kg Wachs ca. 6 kg Honig benötigen, legt eine Rechnung nahe, die nicht aufgeht. Im Frühjahr, mit Beginn der Obstblüte, kommt der Bien in den Bautrieb. Zwischen dem 12. und 18. Lebenstag haben die Arbeiterinnen in der Regel die Aufgabe, mit ihren Drüsen das Wachs auszuschwitzen und zu verbauen. Die Bienen sollen diesen Trieb in einer harmonischen Entwicklung ausleben können.
Der Imker nimmt den Bienen einen großen Teil ihrer Drüsenarbeit ab, indem er die Zellen auf Wachsplatten aufbauen lässt. Diese sogenannten »Mittelwände« werden industriell aus Altwaben gewonnen. Dabei wird das Wachs auf mindestens 120° C erhitzt. Durch die Anwendung der Mittelwände kann der Imker für »Ordnung« im Bienenkasten sorgen, denn darauf werden ausschließlich Zellen für Arbeiterinnen gebaut. Die Zellen der Drohnenbrut können dadurch beliebig beschränkt werden.
Erfahrungen mit einer großen Zahl Völker in Strohtrogbeuten zeigen, dass Naturbau im Rähmchen ohne Verlust der Mobilität möglich ist. Das Bienenvolk kann unter diesen Umständen soviel Drohnenbrut anlegen, wie es selber will. Der Umfang der Drohnenbrut ist ein Anzeiger für die Stimmung des Biens. Das Bienenwachs ist bezüglich der einzelnen Biene eine körpereigene Substanz, die ausgeschieden wird. Betrachtet man aber den Bien als Ganzes, so ist das aus dem Wachs errichtete Wabenwerk so etwas wie das Skelett im Inneren eines Leibes. In den Arbeitervorträgen vergleicht Rudolf Steiner mit dem Menschen:
»Und die Biene baut auch einen Leib: das sind die Waben, die Zellen.«
Diese Leiblichkeit wird in der modernen Imkerei ausschließlich auf der Grundlage der denaturierten Mittelwände gebildet.
Varroatose
Es handelt sich um einen blutsaugenden Parasiten, der ursprünglich nicht unsere Biene als Wirt hat, der nicht in einem Gleichgewicht mit ihr lebt, sondern sie tötet. Wenn wir von der allgemeinen Schädigung der Lebenskräftewelt durch die intelektuelle Bewusstseinsart des Menschen absehen, wirken eine Vielzahl von Faktoren zur Schwächung der Bienen zusammen. Bezüglich der Varroatose seien zwei davon nochmals hervorgehoben:
In aller Vorsicht sei vermutet, dass die Bienen durchweg an einer »Blutschwäche« leiden und damit der Eingriff des Parasiten nahegelegt ist. Veranlassung zu dieser Vermutung gibt eine genauere Betrachtung des Verdauungsniveaus der Honigbiene und der Qualität von Zuckerfütterung und Waldhonig. Die bisher noch propagierten Dauergroßvölker (ständige Bruterzeugung durch entsprechende Reizfütterung und Königinnenerneuerung) sind kein Naturzustand in unseren Breiten, so dass die Frage entsteht, inwieweit das Wesen des Bien den aufgeblasenen Leib zu durchdringen vermag. Ein deutlicher Rhythmus zwischen der Brutpause des Winters (oder auch der des Schwarmes) und Zeiten großen Brutumfanges sind dem Lebendigen entsprechend.
Außerdem wird durch Brutunterbrechungen die Varroaentwicklung gedämpft. Die Varroatose führte auch im vergangenen Winter zu hohen Völkerverlusten. Ganze Gemarkungen wurden nahezu bienenleer, obwohl verschiedene chemische Medikamente angewendet wurden. Eines der Medikamente vergiftet das Bienenblut mit einer dem E 605 verwandten Substanz (chlorierter Thiophosphorsäureester) so sehr, dass die blutsaugenden Milben daran zugrunde gehen. Durch die angewendeten Medikamente kommt das leidige Thema der Lebensmittelverunreinigung im Eilschritt auch auf den Honig zu.
Wer ergreift diese Aufgabe?
Die umfassende Bedrohung der Bienen birgt die Möglichkeit, für ihr Wesen und für die Realität der Naturzusammenhänge im allgemeinen aufzuwachen. Der Strom von jungen Menschen auf unsere Höfe zeugt von dem Durst nach wirklichkeitsgemäßem Umgang mit der Natur. Wenn der Funke der Begeisterung für die Bienen und Mitleid an ihrer Lage auf die Bauern übergehen, können sie Städter, die in die Landwirtschaft drängen, auf die Imkerei aufmerksam machen. Mit etwas Mut, gutem Willen und Beständigkeit kann jedermann die Imkerei erlernen. Auch als »Hobby« ist sie von elementarer und gemeinnütziger Bedeutung. Wenn der Bauer nicht selber Zeit für die Bienen hat, so greift vielleicht ein Mensch aus dem Umkreis des Hofes diese Aufgabe auf. Auch in der Stadt können und müssen Bienen betreut werden. Die Pflege der Bienen kann ein inniges Verhältnis zur Pflanzenwelt und zum Jahreslauf erschließen, wie man es sonst nur durch Landwirtschaft erlangt. In den ansässigen Imkervereinen wird man gewiss einen hilfsbereiten Imker finden, der als Pate für den Anfang beiseite steht.
Es müssen möglichst viele Orte entstehen, an denen die Bienen frei von Erwerbsgesichtspunkten gepflegt werden. Geschieht dies mit Fachkenntnis, fragender Grundhaltung und der dem Wesen des Biens gerechten Gesinnung, so kann auf gesunde Bienenvölker gehofft werden. Diese werden uns in angemessenem Maße mit Honig beschenken.
Thomas Radetzki im Mai 1986