Der Weißenseifener Hängekorb und das Wesen des Biens
Vom 04. bis 06. März 2022 kamen an der Fischermühle Menschen zu einer Konferenz zusammen, deren innige geistige Beziehung zu den Bienen eng mit dem von Günther Mancke entworfenen Weißenseifener Hängekorb zusammenhängt. Die Beiträge der Teilnehmenden verwoben persönliche Anekdoten und Erinnerungen an Günther Mancke mit vielen Disziplinen: Astronomie, Mathematik, Geometrie, Philosophie, Bienenkunde, Ackerbau, Kunst…
Do 24. März 2022 von Katrin Sonnleitner Bienenwohnung, Weißenseifener Hängekorb, Wesensgemäße Bienenhaltung„Geist ist niemals ohne Materie, Materie niemals ohne Geist.”
Rudolf Steiner
Die Auseinandersetzung mit Formgebung und das Erleben der inneren Beziehung zu den Bienen kann auch dazu inspirieren, in anderen Bereichen gestaltend zu wirken, zum Beispiel für eine warmherzige und vielfältige Gesellschaft.
Im Gespräch mit Günther Mancke
Aus historischem Filmmaterial hat Norbert Poeplau in Kooperation mit befreundeten Dokumentarfilmern des SWR ein filmisches Portrait des Künstlers Günther Mancke produziert, welches tiefe Einblicke in seine geistvolle Haltung gegenüber dem Bien eröffnet.
Was Günther Mancke zum Weißenseifener Hängekorb, der für ihn idealen Bienenbehausung inspirierte, entwickelt der Künstler im Gespräch mit Thomas Radetzki. Dabei offenbart Mancke intime Ansichten über die Wesensbegegnung mit dem Bien und die Bedeutung organischer Formkräfte der Natur für seinen künstlerischen Schaffensprozess.
Dieser Film wird nun von den Mellifera-Regionalgruppen für Wesensgemäße Bienenhaltung exklusiv aufgeführt. Die Termine finden Sie demnächst im Mellifera-Veranstaltungskalender und unter diesem Beitrag.
Ihre Region ist noch nicht vertreten? Gründet eine Mellifera-Regionalgruppe, und organisiert eure eigene Filmvorführung!
Da sich weltweit Menschen für die Bienenhaltung im Hängekorb begeistern, soll der Film englische Untertitel erhalten und nach seiner Tournée durch die Regionalgruppen komplett öffentlich gemacht werden.
Den Hängekorb in die Zukunft tragen
Im Nachgang der Konferenz soll für den Hängekorb eine eigene Rubrik auf der Mellifera-Website eingerichtet und die Gemeinschaft auch im Mellifera-Netzwerk sichtbar gemacht werden, um den direkten Austausch von Hängekorb-Begeisterten untereinander zu fördern.
Eine Arbeitsgruppe trägt die Besonderheiten der Betriebsweise des Hängekorbes und seine geistigen Grundlagen zu einer Handreichung zusammen, die dann ebenfalls öffentlich zugänglich sein wird.
Einen eigenen Korb binden und in die Bienenhaltung im Weißenseifener Hängekorb einsteigen?
In einem Kurs bei Mellifera vom 21. bis 25. September 2022 können unter Anleitung der erfahrenen Referent*innen Barbara Leineweber, Johannes Loriz und Manfred Süssen Hängekörbe aus Roggenstroh gebunden und die Betriebsweise des Hängekorbes erlernt werden. Weitere Impulsvorträge runden das Programm ab. Eine Vormerkung für die Teilnahme ist bereits möglich.
Konferenz-Teilnehmende (v. l. n. r.) Hinten: Agata Chmielewska, Robert Friedrich, Katrin Sonnleitner, Johannes Loriz, Johannes Wirz, Jennifer Rident, Johannes Poeplau, Norbert Poeplau, Mihaela Nove, Hans-Peter Rottler, Barbara Leineweber, Manfred Süssen Vorne: Gvantsa Katsadze, Thomas Radetzki, Markus Hilfenhaus, Albert Muller (Foto: Mellifera e. V.)
Weitere Aktivitäten, Kurse und Körbe aus dem Netzwerk der Hängekorb-Begeisterten
Viele Menschen, die Günther Manckes Weg begleitet haben oder mit Mellifera befreundet sind, wollen die Arbeit mit dem Weißenseifener Hängekorb, auch Sun Hive oder ruche solaire genannt, weitertragen.
Manfred Süssen kam Anfang der 90er Jahre über Peter Czarnietzki mit dem Weißenseifener Hängekorb in Kontakt. „Peter hatte beim Besuch einer Veranstaltung an der Fischermühle eine Wabe aus dem Hängekorb gesehen und hat daraufhin Günther Mancke aufgesucht, um mehr über die Hintergründe des Korbes zu erfahren. 1995 haben wir dann gemeinsam den ersten Kurs angeboten, um interessierte Menschen in die Kunst des Korbbindens einzuführen.“ Damit die Einsteiger auch ohne Vorwissen die Körbe binden konnten und diese auch präzise ausgeführt werden könnten, haben sie den Handwerksprozess stetig verfeinert. „Wir haben Fräsformen hergestellt, damit es einfacher geht und aus den aufwändigen Formen von Günther Schablonen entwickelt.“ Ende der 90er Jahre ist es still um den Hängekorb geworden. „Es schien, als ob keiner mehr einen Hängekorb haben wollte“, berichtet Süssen. Doch etwa um das Jahr 2000 herum nahm das Interesse wieder zu. Diesen Umstand schreibt Süssen der Verbreitung von Informationen über wesensgemäße Bienenhaltung durch das aufkommende Internet zu. „Es ist doch toll, wenn man mit den eigenen Händen seine Bienenwohnung herstellt und dann noch in einer Form die dem Bien am nächsten kommt, dem „Weißenseifener Hängekorb“ (Sun Hive).“
Interessierte können bei Manfred Süssen Kurse buchen, die von Jennifer Rident (sh. unten) gebundenen Körbe erwerben oder die Holzteile, um selbst einen Korb zu binden. Anfragen können gerne telefonisch (0171-6938195) oder per E-Mail an Manfred Süssen gerichtet werden.
Seit 2013 begleiten Johannes Loriz und Agata Chmielewska die Bienen im Hängekorb und laden zu Kursen ein, um Hängekörbe nach individuellen Möglichkeiten und Wünschen zu binden und zu gestalten. „Selbstverständlich begleiten wir unsere Bienenfreunde auch in Fragen der Benutzung und Handhabung des Korbes bei den verschiedenen Arbeitsmaßnahmen, um respektvoll und sicher im praktischen Tun werden zu können.“ Dazu veranstalten sie auch Begleitkurse und Beobachtungsseminare. „Der Weißenseifener Hängekorb ist für uns ein Luxusobjekt, dem wir uns in umfassender Weise widmen, deshalb hilft es uns immer, wenn alle Beteiligten Zeit mitbringen.“ Seine Hingabe kann man spüren, wenn Loriz die technischen Finessen ihrer Körbe erläutert: „Wir befestigen die untere Korbhälfte mit sechs Holzschrauben an einem runden Mittelring. Über Führungsstangen kann dieses vom Oberteil abgenommen und das Wabenwerk freigelegt werden. Die mobilen Rähmchen sind stabil eingenutet und nicht nur lose aufgelegt.“
Kurse und andere Aktivitäten rund um den Hängekorb von Johannes Loriz und Agata Chmielewska finden Sie unter http://weissenseifener-haengekorb.blogspot.com und bei der Dorfuniversität Dürnau.
Auch Barbara Leineweber ist seit dem ersten Augenblick ihrer Bienenhaltung vom Hängekorb fasziniert: „Bei meinem ersten Imkertag vor 18 Jahren mit Michael Hertel in Witten Annen hing dort ein Hängekorb, und ich wußte sofort: So möchte ich auch Bienen halten.“ Leineweber ist begeistert vom jahrhunderte alten Handwerk des Körbebindens: „Wir machen Stroh zu Gold für die Bienen. Ich bin überzeugt davon, mit dem Hängekorb einen Beitrag zur Bienengesundheit zu leisten, denn beim Weißenseifer Hängekorb wird die Wärme gehalten und die Luftfeuchtigkeit durch das Stroh und den Anstrich aus Lehm und Kuhdung optimal reguliert.“ Barbara gibt Kurse zum Binden des Hängekorbes und hält Vorträge zu wesensgemäßer Bienenhaltung, Naturwabenbau und der Völkerführung in Körben im Jahreslauf und ist im Mellifera Ausbildungsverbund sowie für Demeter aktiv.
Jennifer Rident, 1969 in der Nähe von Stuttgart geboren, berichtet, wie die Bienen auf ihren Arche-Hof in Zentralfrankreich einzogen: „Vor gut 15 Jahren bekamen wir zur Einweihung unseres kleinen biologisch-dynamisch geführten Hofes einen Weißenseifener Hängekorb geschenkt. Dieser erste Korb bekam seinen Platz hoch oben in der Scheuneneinfahrt: ästhetisch in seiner Form und wärmend in seiner Funktion. Die Bienen haben sogleich aus dem Weißenseifener Hängekorb heraus unseren Ort belebt.“ Nach Korbbindekursen bei 1001 abeilles in der Dordogne und bei Johannes Loriz erfüllte sich Rident den Traum eines eigenen Ateliers, in dem sie die Gaben ihres Hofes mit Herz und Hand kunstvoll zu Hängekörben formt. Der Waldstaudenroggen wächst auf ihrem Acker, die Kühe geben Dung und Molke für den Schutzmantel, die Bienen liefern das Wachs für das Abdecktuch. „Für mich ist das Korbflechten eine der schönsten Arbeiten auf dem Hof – die Wintermonate eignen sich dafür hervorragend, weil dann das übliche große Hofwirbeln zur Ruhe kommt.“
Interessierte können Jennifers Körbe bei ihr direkt oder auch in Deutschland über Manfred Süssen (sh. oben) erwerben.
Robinia Pesall bietet ebenfalls selbst geflochtene Modelle zum Kauf an, seit sie wegen einer Bienengiftallergie die eigene Bienenhaltung aufgeben musste. „Bei einem Kurs an der Fischermühle durfte ich noch Günther Mancke kennenlernen, der mit seinen Anschauungen zur Bienenwohnung einen tiefen Eindruck bei mir hinterließ. Für mich ist der Weißenseifener Hängekorb das Nonplusultra für die Bienenpflege durch den Menschen“, schwärmt sie.