Der Zauber der Bienen
Artgerecht, natur- oder bienengemäß – es gibt mittlerweile eine nahezu unüberschaubare Anzahl an Begriffen, die eine alternative Bienenhaltung beschreiben. Vor diesem Hintergrund besinnen wir uns darauf zurück, was wir unter „wesensgemäßer Bienenhaltung“ verstehen.
Fr 29. November 2019 von Johannes Wirz, Michael Slaby BieneMenschNatur.37, Wesensgemäße BienenhaltungDer Bienenwissenschaftler Thomas D. Seeley hat die Zielsetzung einer artgerechten Bienenhaltung auf den Punkt gebracht mit den Worten: “Wir streben eine Situation an, in der die Bienen ohne Hilfe des Menschen ganz alleine leben und überleben können.” Die zentralen Aufgaben wären es demnach, Bienen im Wald anzusiedeln und Bedingungen zu schaffen, dass sich eine eigenständige, freilebende Bienenpopulation aufbaut und dauerhaft überlebt.
Dieses Ziel ist wichtig und unterstützenswert. Die wesensgemäße Bienenhaltung setzt jedoch einen anderen Schwerpunkt, da sie unsere Beziehung zu den Bienen ins Zentrum rückt und danach fragt, was wir von den Bienen lernen können. Natürlich muss man die Entwicklung dieser Beziehungsgeschichte bis zur heutigen modernen Imkerei kritisch sehen: Schwarmverhinderung, Mittelwände und Königinnenzucht haben, wie Rudolf Steiner es bereits betont hat, zu einer Mechanisierung der Imkerei geführt, unter deren Folgen die Völker leiden. Diese Praktiken sind, wie es die Demeter-Richtlinien festlagen, in der wesensgemäßen Bienenhaltung verboten.
Begegnungen zwischen Biene und Mensch (Foto: Michèle Brunnmeier) Doch im Kern unserer Arbeit steht nicht nur die Berücksichtigung und Ermöglichung der natürlichen Volksvermehrung durchs Schwärmen, des Naturbaus und des Verzichts auf künstliche Zucht, sondern der fortwährende und nie endende Versuch, dem Wesen der Bienen näher zu kommen. Erst daraus entstehen andere imkerliche Betriebsweisen, die praktisches Handeln am Bienenvolk zum Wohl der Bienen als Ziel haben und mit denen eine Begegnung auf Augenhöhe möglich ist – suchend, fragend, achtsam.
Wir wissen alle, dass eine Freundschafts- oder gar Liebesbeziehung, wenn sie lebendig bleiben will, auf eine nicht endende Entwicklung auf beiden Seiten – Bienen und Mensch – angewiesen ist. Dem Wesen der Bienen, das wusste bereits Goethe, begegnet der Mensch nur in seinem Innern. Und das geht nur, wenn beide Seiten, Biene oder Natur im Allgemeinen und Mensch, etwas von ihrer Eigenart aufgeben und etwas vom anderen sich zu eigen machen. Was wir unter anderem von unseren Bienen lernen können, ist Leben in der Fülle, Vertrauen ohne Kontrolle und Respekt und Liebe dem anderen gegenüber. Dieser Lernprozess ist nicht abgeschlossen.
Es geht uns also um mehr als um die Suche nach der „richtigen“ Bienenwohnung, um ein Imkern „ohne chemische Rückstände“ oder, dass der Menschen sich nur raushalten muss. Es geht uns darum, Begegnungen zu schaffen, in denen der Zauber der Bienen erlebt werden kann – der still werden und staunen lässt, der Zusammenhänge im Naturkreislauf erschließt und unser Verständnis vom Lebendigen erweitert. Wir laden Sie ein, diese sinnstiftenden, horizonterweiternden und begeisternden Erlebnisräume gemeinsam mit uns zu gestalten.
Dr. Johannes Wirz und Michael Slaby