Die Drohnen
Die Aufgabe der Drohnen scheint eng umrissen: Sie sind für die Begattung von Jungköniginnen verantwortlich. Wie sie diese Aufgabe erfüllen, ist eine außergewöhnliche Geschichte.
Di 18. März 2003 von Gastautor*in BieneMenschNatur.04, Bienenkunde, wildlebende BienenIn der wärmsten Tageszeit der Frühsommertage ändert sich der Ton am Bienenstand. Zum Summen der Bienen kommt das Dröhnen der Drohnen. Der satte, volle Klang zeigt, dass das Bienenvolk wieder vollständig ist. Mit dem Drohn ist ein Wesensteil des Bienenvolkes dazugekommen, von dem wir nicht viel wissen. Körperlich wirkt dieser männliche Pol des Volkes etwas robuster und kräftiger als die Arbeiterin. Beim näheren Hinschauen fallen die ausgeprägteren Sinnesorgane auf: Riesige Facettenaugen und grosse Fühler. Der Drohn ist offensichtlich gut für die Wahrnehmung ausgerüstet.
Wenn wir im Bienenlehrbuch nachschlagen, dann ist die Aufgabe der Drohnen eng umrissen: Sie sind für die Begattung von Jungköniginnen verantwortlich. Wie sie diese Aufgabe erfüllen, ist eine außergewöhnliche Geschichte. Die Drohnen versammeln sich fliegend in bestimmten Himmelszonen. Mit etwas Aufmerksamkeit und Glück lassen sich solche Sammelplätze beobachten, denn das Gebrumm der in etwa 10 Meter Höhe fliegenden Drohnen ist am Boden darunter hörbar. Die Jungköniginnen suchen diese Drohnensammelplätze auf und werden dort im Sonnenlicht in der Weite des Himmels begattet.
Für die Entstehung der Drohnen selber ist dieser Funke der himmlischen Begattung nicht notwendig. Sie entstehen aus unbegatteten Eiern der Königin, im Notfall auch aus den Eiern einer Arbeiterin. Sie wachsen damit direkt aus der mütterlichen Eizelle heran und haben keinen Vater. Im gesunden Bienenvolk auf eigenem Naturwabenbau werden die Drohnen unten und seitlich am Brutnest aufgezogen. Beim räumlichen Betrachten des kugeligen Aufbaus des Volkes bildet der Drohnenbau eine Art Wanne, in der die Arbeiterinnenbrut eingebettet ist.
Dieses Bild der schützenden Wanne weist auf verschiedene Pufferfunktionen von Drohnenbrut und Drohnen hin. In existentiellen Krisen baut das Bienenvolk zuerst diese äußerste Brut ab. Auch die Bedrohungen durch die Varroamilbe vermag die äußere Schale zu puffern. Da die Milbe die Drohnenbrut vorzieht, bleiben die Arbeiterinnen länger verschont. Bei der indischen Biene ist dies ein wichtiges Element ihrer Varroatoleranz. Etwas weiter gegriffen, schützt diese Drohnenbrutwanne die Arbeiterinnen gegen die Erde hin. Das Bienenvolk als Wesen, welches in Luft und Licht lebt und allen Erdkontakt meidet, ist vielleicht froh um diesen Erdpuffer. Die Drohnen wären damit der erdige Pol des Bienenvolkes. Sie können in dieser Funktion auch nicht verstehen, wie ihre Schwestern so sehr untereinander und mit der Königin verbunden sind und warum sich diese nur für den lichtesten und luftigsten Teil der Pflanzen interessieren, ja ganz auf die Blüte eingestellt sind. Die Drohnen sind anders: Sie sind wenig volksgebunden und vagabundieren in Volk und Feld.
Autor: Martin Dettli, Agronom ETH, lebt in der Schweiz freiberuflich als Journalist und Imker