


Die Gesundheit der Bienen
Über die Jahrmillionen entwickelten Bienen zahlreiche Methoden, um sich vor Krankheiten zu schützen und gesund zu bleiben. Einige davon nehmen Katrin Sonnleitner & Johannes Wirz unter die Lupe und gehen der “Gesundheit der Bienen” auf den Grund.
Do 22. Juni 2023 von Katrin Sonnleitner, Johannes Wirz BieneMenschNatur.44, Bienengesundheit
Der Bien erneuert sich fortwährend: Im Schwarmprozess verjüngt ihn eine neue Königin und in der hellen Jahreszeit lassen ihn immer neu schlüpfende Bienen als „frische Zellen“ pulsieren.
Doch gibt es noch andere Verjüngungen im Volk: Bereits Karl von Frisch hat beschrieben, dass in einem Flugling ältere Bienen ihre Futtersaftdrüsen reaktivieren, d. h. in eine jugendlichere Körperphysiologie zurückkehrten und den Ammendienst übernahmen. Ähnliches wurde auch in einem Versuch beobachtet, in dem einem Bienenvolk alle verdeckelte Brut entnommen worden war.
Weil keine Jungbienen mehr schlüpften, die normalerweise die Larven versorgen, reaktivierten auch hier die älteren Schwestern ihre Futtersaftdrüsen. In Vorbereitung auf das Schwärmen aktivieren statt der üblichen etwa 20 nun 80 Prozent der Bienen ihre Wachsdrüsen. So kann der Schwarm in der neuen Wohnung zügig seinen Wachskörper ausbilden. Auf den Verlust von Brut oder nach langer Brutpause reagiert das Bienenvolk mit einer umso stärkeren Aufzucht von Jungbienen, sobald die Umstände es wieder zulassen. Seine Regenerationsfähigkeiten machen den Bien resilient und im Prinzip unsterblich.
Das Ganze ist mehr als das Summen seiner Teile
Seine Fähigkeit, Anforderungen flexibel zu begegnen und sich als Organismus plastisch verhalten zu können, verdankt der Bien auch der Mehrfachbegattung (Polyandrie) der Königin. In ihrer Samenblase finden sich Spermien von bis zu 40 verschiedenen Drohnen, die genetische Vielfalt ihrer Töchter ist daher groß, der Bienenorganismus nachhaltig stabil gestaltet.
Mit ihrem Futtersaft (Gelée royale) verfüttern die Bienen auch Fragmente von Krankheitserregern (Pathogene). Diese mobilisieren als eine Art natürliche Impfung bei den Embryos entsprechende Abwehrkräfte, die sie später als Ammenbienen mit dem Futtersaft an weitere Nachkommen und an die Königin weitergeben. Die Königin gibt ihre Immun-Abwehrkraft ihrerseits ihren Töchtern im Ei mit. Auf dieser Basis beruht eine jüngst in USA entwickelte „Schluckimpfung“ für Bienen bzw. Bienenköniginnen gegen die Amerikanische Faulbrut (AFB). Eine Einordnung dieser Impfung aus wesensgemäßer Perspektive findet sich im Mellifera-Blog.
Körper- und Stockhygiene
Größere Störenfriede weisen Wächterinnen mit kräftigen Mundwerkzeugen (Mandibeln) und ihrem Stachel am Flugloch ab. Der schützende Chitinpanzer umgibt ihre gesamte Körperoberfläche. Ist er intakt, können ihn auch Bakterien oder Viren nicht so leicht überwinden. Anders sieht dies aus, wenn er, z. B. durch den Biss der Varroamilbe, verwundet ist. Dringen Krankheitserreger in den Körper der Bienen ein, können Fresszellen (Phagozyten) und viruzide Proteine im Bienenblut (Hämolymphe) sie abwehren.
Der Darm der Bienen ist mit der peritrophischen Membran ausgekleidet. Sie verhindert direkt, dass Erreger in den Körper eindringen, und schützt die Darmwand vor Verletzungen durch die raue Oberfläche von Pollenkörnern. Der Ventiltrichter trennt den Nektar in der Honigblase vom Magen-Darm-Trakt und schleust dorthin mit der Nahrung aufgenommene Erreger durch, um sie zu verdauen und unschädlich zu machen. Darauf beruht die Sanierung von Völkern mit AFB und EFB (Europäische Faulbrut bzw. Sauerbrut). Nackte Völker werden drei Tage ohne Futter in Kellerhaft genommen und danach auf Neubau gesetzt. In den drei Tagen wird der Honigmagen geleert und damit die Weitergabe der Pathogene durch Trophollaxis verhindert.
Bienen sind Meisterinnen der Hygiene: Sie putzen sich selbst und gegenseitig, sie putzen den Wabenkörper und bestreichen ihn täglich mit Propolis, und sie putzen den ganzen Stock. Sie räumen abgestorbene oder kranke Brut aus, erledigen ihr „Geschäft“ im Flug und verlassen den Stock zum Sterben. Durch ihr Verhalten im Stock dämmen sie die Ausbreitung von Krankheiten ein: Forscher haben beobachtet, dass gesunde Bienen kranke Bienen im Stock meiden, weil ihr Duft nicht mehr dem vertrauten Stockgeruch entspricht.
Alchemistinnen zwischen Himmel und Erde
Der Bien nutzt wirkungsvolle Mittel aus der Natur für seine Gesundheit. Mit dem Knospenharz, welches junge Pflanzentriebe schützend ummantelt, kleidet er seine ganze Behausung aus. Die sogenannte Propolis hemmt dort das Wachstum von Bakterien, Viren und Pilzen.
Auch Honig ist bei den Bienen nicht nur „Flugbenzin“ oder „Heizenergie“. In Studien wirkte Sonnenblumenhonig gegen eine Infektion mit Nosema und Europäische Faulbrut (Sauerbrut), und Akazienhonig konnte AFB-Infektionen um mindestens denselben Faktor reduzieren wie die neu entwickelte Impfung. Darüber hinaus bevorzugten Bienen in Abhängigkeit der pathogenen Bakterien jeweils den „richtigen“ Honig. Betrachten wir das Vorratslager der Bienen also auch als ihre natürliche Apotheke.
In den Mandibeldrüsen produzieren die Bienen ein Sekret, das das Wachstum von Bakterien und Pilzen hemmt. Mit ihm überziehen sie Brutzellen und halten so die Kinderstube rein. Es ist auch Bestandteil des Futtersaftes Gelée royale, welchen die Königin während ihres gesamten Lebens erhält und welches alle jungen Larven in ihren ersten drei Lebenstagen nährt.
Wie können wir heilsam verbunden sein?
Obwohl viele Pathogene als potenzielle Krankheitserreger in den Völkern vorhanden sein können, stabilisiert sich der Organismus Bien mit vielfältigen Fähigkeiten und Strategien selbständig und kompensiert ungünstige Einflüsse zu einem hohen Grad. Wenn aber viel zusammenkommt, sei es ein ungünstiger Standort, Trachtmangel, Störungen, Belastung durch Chemie oder die Gesundheit eines Volkes schon geschwächt ist, zum Beispiel durch Varroa, können Krankheiten ausbrechen.
Was sagen uns Himmel und Erde? Wie wirken sich Wetterlagen auf die Vegetationsentwicklung und die Aktivität der Bienen aus? Wie beeinflussen Boden- und Luftfeuchtigkeit, Wind, Regen oder Lufttemperatur, ob und wieviel Nahrung (Nektar, Honigtau und Blütenstaub) Bienen finden können?
Was sagen uns die Bienen? Was lesen wir in ihrem Gemüll? Welche Schlüsse ziehen wir aus dem Geschehen und Verhalten am Flugloch? Der Bien erlaubt uns, sich ihm einfühlsam anzunähern und in seine Welt einzutauchen. Das gegenwärtige Brutbild kann auf die Dynamik der Volksentwicklung in den nächsten drei Wochen schließen lassen.
Das Gesamtbild unserer Wahrnehmungen klingt in unserem Herzen nach, nicht nur mit Vestand sondern auch dem Herzgefühl stimmen wir imkerliche Maßnahmen sensibel darauf ab. Dabei können wir das Öffnen der Völker aufs Notwendigste (und Erquicklichste) beschränken.
Wir nehmen den Bien nicht als Baukasten wahr, sondern als Beziehungswesen, welches auch uns in seinem Beziehungsgefüge mit einschließt. Über dieses Geschenk lernen wir, auch an uns selbst zu arbeiten.