Die Varroamilbe unter dem Mikroskop
Bienenwissenschaftlerin Dr. Eva Frey forscht seit dem vergangenen Jahr für Mellifera e. V.
Mi 18. Dezember 2019 von Lydia Wania-Dreher BieneMenschNatur.37, Forschung„Das sieht ja schon mal ganz gut aus“, sagt Dr. Eva Frey als sie den Deckel des ersten Volks öffnet. Die Wissenschaftlerin ist gemeinsam mit Mellifera-Imker Kilian Rübsamen im Oktober unterwegs, um den Brutumfang und die Anzahl der Bienen in den Versuchsvölkern in Erlaheim und Haigerloch zu erfassen.
Von den 20 Völkern, die vor 1,5 Jahren im Zollernalbkreis aufgestellt wurden, leben noch drei. Das letzte Volk, das Eva Frey an diesem Nachmittag öffnet, ist jedoch in keinem guten Zustand. „Wahrscheinlich haben wir es heute das letzte Mal gesehen“, sagt sie. Dass dieses Sterben weniger wird, dafür forscht Eva Frey.
Die Agrarwissenschaftlerin und gelernte Imkerin, die in Starzach im Landkreis Tübingen wohnt, hat zwölf Jahre lang an der Universität Hohenheim Varroaforschung betrieben. Dank vieler Spenden konnte sie von Mellifera e. V. in Teilzeit angestellt werden. In ihrer bisherigen Bienenforschung hat sich Eva Frey mit der Vermehrung und der Verbreitung der Varroamilbe beschäftigt. Schwerpunkte waren auch Praxistests zu neu zugelassenen Behandlungsmitteln sowie ein Varroatoleranzprojekt, in dem verschiedene Bienenherkünfte untersucht wurden. „Neben einer effizienten und bienenschonenden Bekämpfung des Parasiten kann auch die Selektion und Zucht varroatoleranter oder -resistenter Bienenvölker ein wichtiger Baustein im Umgang mit der Milbe sein“, so die Wissenschaftlerin.
Das Varroatoleranzprojekt: Mehrere Völker im Blick
Die Populationsentwicklung wird dreimal im Jahr mit der Liebenfelder Schätzmethode ermittelt (Foto: Lydia Wania-Dreher) Viel beschäftigt war Eva Frey im Jahr 2019 mit dem Projekt Varroatoleranz. „Weltweit gibt es mehrere Honigbienenpopulationen, die ohne Bekämpfung der parasitischen Bienenmilbe Varroa destructor überleben können“, weiß die Fachfrau. Doch was sind die Gründe für das Überleben der Bienenvölker? Und können Nachkommen der Originalpopulationen auch außerhalb des ursprünglichen Verbreitungsgebietes überleben? Sind genetische Faktoren, der Standort oder das Lernverhalten der Bienen im Umgang mit der Varroamilbe entscheidend für das Überleben der Bienenvölker? Auf all diese Fragen sucht Eva Frey Antworten.
Dazu werden in unserem Forschungsprojekt Nachkommen aus Bienenvölkern untersucht, die im Emmental in der Schweiz seit zehn Jahren ohne Varroabehandlung überleben. Ende Juni 2018 bildete die Wissenschaftlerin dazu 40 Versuchsvölker, die neben toleranten Königinnen mit Bienen aus toleranten und solchen aus nicht toleranten Völkern zusammengesetzt wurden. Die Versuchs- und Kontrollvölker wurden an jeweils zwei Standorten in Baden-Württemberg und zwei Standorten in der Schweiz aufgestellt und dort von Imkerkollegen vor Ort betreut.
In allen Völkern wird einmal pro Monat mit sogenannten Windeln in den Bodenschiebern der natürliche Milbentotenfall erfasst. Die Populationsentwicklung der Bienenvölker wird dreimal pro Jahr anhand der Liebefelder Schätzmethode ermittelt. Zeitgleich werden aus allen Völkern Bienenproben entnommen, um den Milbenbefall sowie die Virusbelastung derBienen bestimmen zu können. Die Völkerzahl in Baden-Württemberg hat sich wider Erwarten bereits während des Winters 2018/19 aufgrund der starken Milbenbelastung von 20 auf letztendlich drei Versuchsvölker reduziert. Von den ursprünglich 20 Völkern in der Schweiz leben momentan noch 13 (fünf Versuchs- und acht Kontrollvölker).
Das Fortpflanzungsprojekt: Wie die Milben sich vermehren
Mit einem Pinsel wurden Brutzellen künstlich infiziert (Foto: Dr. Eva Frey) In den Versuchs- und den Originalvölkern im Schweizer Emmental wurden darüber hinaus im Juli 2019 Daten zur Fortpflanzung der Varroamilbe erhoben. Dabei wurden auch das Ausräumverhalten von parasitierten Brutzellen sowie das Wiederverdeckeln von Brutzellen festgehalten. Insgesamt untersuchten die Wissenschaftlerin und ihre Helfer so über 850 künstlich mit Milben infizierte oder natürlich befallene Brutzellen und dokumentierte die Fortpflanzung der Milbe. Zusätzlich wurde in 5300 Brutzellen das Wiederverdeckeln der Zellen kontrolliert. Eine verringerte Fortpflanzung der Milbe sowie ein gesteigertes Hygieneverhalten der Bienen tragen u.a. zum Überleben von Bienenvölkern bei. Untersuchungen zeigen, dass auch das Wiederverdeckeln von Brutzellen (Recapping) verstärkt in überlebenden Bienenvölkern auftritt.
In diesem Winter werden nun die vielen Daten ausgewertet und die Virusanalysen der Bienenproben in Auftrag gegeben, um zu ersten Zwischenergebnissen zu gelangen. Auch im Jahr 2020 wird Eva Frey in den überlebenden Völkern Daten zur Entwicklung der Bienenvölker und der Milbenpopulation erheben. Außerdem soll bei ausgewählten Völkern das sogenannte Groomingverhalten untersucht werden. Also wie sich die Bienen gegenseitig den Pelz nach Milben absuchen und gefundene Milben entfernen. „In einigen Untersuchungen sind Milben mit abgebissenen Gliedmaßen gefunden worden, was darauf schließen lässt, dass die Bienen sich im Groomingvorgang aktiv gegen die Milben zur Wehr gesetzt haben“, erklärt Eva Frey.
Das Soundprojekt: Technik im Bienenvolk
Ein Aufzeichnungsgerat des Soundprojekts (Foto: Dr. Eva Frey) Im Jahr 2019 stand außerdem ein Soundprojekt an. In Zusammenarbeit mit einer tschechischen Softwarefirma wurden von April bis August in mehreren Völkern Messdaten in den Wabengassen erhoben. Solarpanels versorgten die Aufzeichnungsgeräte mit Strom, die Daten wurden direkt von der Firma in Tschechien ausgelesen und in akustische Signale transformiert. Aus den Datensätzen sollen mittels künstlicher Intelligenz Informationen unter anderem zum Schwarmverhalten und Gesundheitszustand der Bienenvölker generiert werden. „Ziel ist es, dass der Imker ohne Öffnen der Völker ablesen kann, was dort vor sich geht“, so Eva Frey.
Das Veraschungsprojekt: Starke Bienen von klein auf
In einem weiteren Projekt soll die Wirkung von Veraschung untersucht werden. Rudolf Steiner hat die Herstellung von Veraschungspräparaten im Landwirtschaftlichen Kurs ausführlich beschrieben, allerdings hat sich deren Einsatz in der Vergangenheit nicht bewährt. Ein Imker berichtet jedoch von großen Erfolgen mit veraschten Varroamilben. Die Asche wurde in Wachs eingearbeitet und in Mittelwänden in Bienenvölker gegeben. Die Vermutung: Bienen können sich nach ihrer Entwicklung in einer Brutzelle mit Varroaasche besser gegen die Milbe wehren. An der Fischermühle wurden in einem Vorversuch erstmals Daten zur Wirkung der Asche auf Varroamilben erhoben. Aufgrund eines Verarbeitungsfehlers der Mittelwände sind die Daten jedoch nicht aussagekräftig. Momentan wird überlegt, ob ein weiterer Versuch an der Fischermühle zu diesem Thema laufen soll.
Das Hyperthermieprojekt: Auf das richtige Gerät kommt es an
Bei diesem Projekt an der Fischermühle steht eine neue Technologie zur Wärmebehandlung (Hyperthermie) der Varroamilbe im Fokus. Hierbei sollen Wirkungs- und Verträglichkeitstests in kleinen Völkern durchgeführt werden. „Der Prototyp ist in der Vorversuchsphase am Goetheanum“, weiß Eva Frey. Imker und Wissenschaftler Dr. Johannes Wirz arbeitet dort mit einem Physiker zusammen an der Entwicklung eines neuen Gerätes. In der Bienensaison 2019 wurde getestet, wie Bienen, Larven und Milben auf die Methode reagieren.
Lydia Wania-Dreher
Forschen kostet Geld
Ein Forschungstag kostet Mellifera e. V. rund 350 Euro. Unterstützen Sie mit Ihrer Spende die Arbeit von Dr. Eva Frey:
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