Ein langer Weg: Die Oxalsäure-Verdampfung
Nach vielen Versuchen und Verfahren wurde die Methode zur Varroa-Bekämpfung endlich in Deutschland zugelassen. Die Imkerei an der Fischermühle war an der Entwicklung maßgeblich beteiligt.
Mo 13. November 2023 von Katrin Sonnleitner, Johannes Wirz BieneMenschNatur.45, Bienengesundheit, Forschung, VarroabehandlungOxalsäure als Behandlungsmittel gegen die Varroamilbe in Bienenvölkern wurde Mitte der 1990er Jahre zuerst an der Fischermühle von einem Team um Imkermeister Thomas Radetzki erforscht. In der Folge wurden das Sprühverfahren sowie die Oxalsäure-Verdampfung (Sublimation) entwickelt. Nun hat die Andermatt Biovet GmbH in Deutschland ein Oxalsäure-Pulver zur Zulassung gebracht, welches im Bienenstock verdampft werden darf.
Pionierarbeit an der Fischermühle
Im Jahr 1985 hatte Christian Rex bei sowjetischen Imkern von einem Pulver erfahren, welches in den Bienenstöcken gegen die Varroamilbe „verräuchert“ wurde. Bei der Laboranalyse in Deutschland entpuppte es sich als Oxalsäure. Da Varroamilben gegen synthetische Medikamente schnell resistent werden und diese Mittel auch Rückstände in Honig und Wachs hinterlassen, stellte die Aussicht auf eine organische Säure als Alternative besonders in der ökologischen Imkerei eine große Hoffnung dar.
Zwischen 1988/89 und 1992 untersuchte Radetzki die Anwendung von Oxalsäure an über 100 Bienenvölkern der Fischermühle. Im Winter 1992/93 wurde in Zusammenarbeit mit dem benachbarten Bezirksimkerverein Balingen gesprühte Oxalsäure und Milchsäure verglichen. Die sehr gut verträgliche Oxalsäure zeigte sich dabei mit einem Wirkungsgrad von etwa 97 Prozent der Milchsäure (etwa 16 Prozent) als weit überlegen. Nach ihrer Veröffentlichung in der Fachpresse bestätigten Imker und Forschungsinstitute vieler europäischer Länder die Ergebnisse. Oxalsäure wurde weltweit zu einem der wichtigsten Behandlungsmittel brutfreier Bienenvölker.
Im Jahr 1994 untersuchte man an der Fischermühle die Wirkung von Oxalsäure-Aerosolen, die von außen in die Beute geblasen wurden. Sie stellte sich als unbefriedigend heraus. In Italien war 1997 das Träufelverfahren von Oxalsäure in einer Zuckerlösung entwickelt worden, um die Gefährdung der Imker durch Oxalsäure-Aerosole zu vermeiden. An der Fischermühle zeigte sich bereits 1998, dass eine zweifache Träufelbehandlung im Winter den Bienen schadet – sie winterten mit einem geringeren Bienenbesatz aus.
Wie konnte die Anwendung der Oxalsäure vereinfacht und gleichzeitig für die Bienen schonender gestaltet werden?
Wirksam, verträglich, sicher für die Anwendenden
Um die Oxalsäure ohne großen Überdruck in der geschlossenen Bienenwohnung schnell in den gasförmigen Zustand zu überführen, wurde an der Fischermühle der erste Pfännchenverdampfer entwickelt, betrieben mit 12V am Zigarettenanzünder eines Autos.
Im Winter 1999/2000 stellte sich im Feldversuch mit 77 Völkern der Imkerei Fischermühle heraus, dass die Verdampfung der Oxalsäure von den Bienen noch besser vertragen wurde als die Sprühbehandlung. Dabei war sie hoch wirksam. Da nur wenig Oxalsäure aus dem Bienenstock austrat, wurde vermutet, dass die in den Bienenvölkern verdampfte Oxalsäure für die Anwendenden ungefährlich sei.
Das Verfahren und das Verdampfungsgerät wurden von Mellifera (damals Vereinigung für wesensgemäße Bienenhaltung e. V.) weltweit patentiert und anschließend gemeinsam mit der Firma Andermatt, die das ausschließliche Nutzungsrecht erwarb, zur Serienreife gebracht. Der Varrox®-Verdampfer ist bis heute auf dem Markt.
Im Winter 2000/01 beteiligten sich 95 Imker mit 1509 Bienenvölkern an einem Feldversuch zur Verdampfung – eine bis heute unerreichte Größenordnung! Er zeigte, dass sogar mehrfache Verdampfung von den Bienen optimal vertragen wird. Wissenschaftlich untersucht, umfangreich dokumentiert und veröffentlicht wurden dabei auch weitere Aspekte der Behandlung, die alle auf ihre Empfehlung hindeuteten. In Österreich hatte diese Fülle an Daten bereits im Oktober 2001 zur Zulassung des Verfahrens und Empfehlung durch den Österreichischen Imkerbund geführt. Auch das Eidgenössische Zentrum für Bienenforschung in Liebefeld bestätigte die Ergebnisse zum Sprühen und Verdampfen in eigenen Untersuchungen und brachte die Verfahren zur Zulassung. Weitere Länder folgten. In Deutschland dauerte allein die Zulassung des Sprühverfahrens bis 2017.
Dabei hatte das arbeitsmedizinische Institut der Universität Tübingen in Zusammenarbeit mit Mellifera e. V. bereits 2001 in einer Doktorarbeit umfangreiche Daten zur Arbeitssicherheit bei der Oxalsäure-Verdampfung erheben lassen. Gumpp et al. konnten Bedenken gegenüber Gesundheitsrisiken sowohl beim Sprühen als auch beim Verdampfen ausräumen. „Nach den vorliegenden Daten dürfte also ein Imker gewerblich das ganze Jahr hindurch 40 Stunden pro Woche Oxalsäure-Behandlungen durchführen, ohne sich gesundheitlich zu schädigen.“
Allen Fakten zum Trotz hafteten der Verdampfung in Deutschland lange hartnäckige Bedenken bezüglich der Anwendersicherheit. Selbst der Deutsche Imkerbund (D.I.B.), die größte Vertretung deutscher Imker*innen, sah noch 2021 „keinerlei Notwendigkeit oder Erfordernis, die Verdampfung von Oxalsäure zu unterstützen“. Imker Kai Engfer, engagierter Verfechter der Verdampfung, fand sich durch seine via Youtube verbreitete Information zur Verdampfung sogar einem Strafverfahren ausgesetzt.
Varroadieu oder bleiben noch Wünsche offen?
Wir feiern die erfolgte Zulassung als lange fälligen Schritt, der insbesondere Thomas Radetzkis unermüdlicher Arbeit an der Fischermühle Rechnung trägt.
Dass sich die Zulassung nicht auf die vom Hersteller angebotenen Verdampfer beschränkt, überrascht und freut uns. Zwei Wermutstropfen bleiben trotzdem: Die Zulassung bezieht sich auf ein einziges Mittel eines einzigen Herstellers. Darüber hinaus ist dieses Mittel ausschließlich für brutfreie Völker zugelassen. Nicht möglich wird es jedoch, damit die aggressive Ameisensäure-Behandlung brütender Völker zu ersetzen. Hier können wir uns vorstellen – Finanzierung und Beteiligung vorausgesetzt – an Radetzkis Mut machende Versuche zur Sommerbehandlung nach der Honigernte (2001) anzuknüpfen, um endgültige Empfehlungen aussprechen zu können.
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Weitere Information und Forschungsberichte finden Sie auf Varroa-Behandlung mit Oxalsäure
Nachtrag (Stand: 30.11.2023)
Aufgrund einer Nachfrage haben wir bei Dr. Frank Neumann vom für Mellifera e. V. zuständigen Staatlichen Tierärztlichen Untersuchungsamt (STUA) in Aulendorf nochmal nachgehakt. Dieser teilte mit, dass die Fachinformation ein „geeignetes Gerät zur Verdampfung“ verlangt. Das bedeute nicht, dass jedes x-beliebige Gerät verwenden werden darf, sondern dass auch andere Hersteller sich um einen entsprechenden Eignungsnachweis für ihre Geräte bemühen können. Selbst gebastelte Stövchen oder Pfännchen erfüllen diese Voraussetzung nicht, ihr Einsatz wäre ein Off-Label-Use, also eine Anwendung außerhalb der gültigen Zulassung. Tierarzneimittels dürfen jedoch seit Inkrafttreten des neuen Tierarzneimittelgesetzes (TAMG) nur streng nach Packungsbeilage erfolgen.