Einführung in die Bienenwohnung
Mit dieser Ausgabe von „Biene Mensch Natur“ beginnt eine Serie von Beiträgen zur Bienenwohnung. Sie soll auch für Nicht-Imker weitgehend verständlich und sogar spannend sein. Sie soll wesentliche traditionelle Wohnungen, auch Bienenkörbe, behandeln und zu einem Vergleich moderner Beutensysteme führen. „Beute“ ist für den Imker ein Synonym für „Bienenwohnung“; ketzerische Stimmen sehen darin den Ausdruck der inneren Einstellung zum Bienenvolk bzw. zu dessen Honigvorräten. Der Ausdruck wird aber allgemein gänzlich untendenziös gebraucht.
Mo 1. Oktober 2007 von Thomas Radetzki BieneMenschNatur.13, Bienenkunde, Bienenwohnung, Wesensgemäße BienenhaltungAus der Serie: „Die Bienenwohnung“, Teil 1
Die Bienenwohnung ist aus Sicht des Imkers das wichtigste Betriebsmittel seiner Imkerei. Für das Lebewesen Bienenvolk ist sie die Haut, ein wichtiges Organ mit vielen Aufgaben. Bis zum Siegeszug der amerikanischen Magazin-Imkerei in den 80er Jahren hatte sich im deutschsprachigen Raum eine verwirrende Vielfalt an Bienenkästen entwickelt. Da viele der Kastensysteme in unterschiedlichen Maßen gebaut wurden, war eine noch unüberschaubarere Zahl von Wabenrähmchen die Folge. Man sprach zu Recht von der deutschen Erfinderitis, einem Tüftlerleben des Imkers. Der Streit um die beste Wohnung nahm zum Teil groteske Züge an. Zu den Motiven gehörte: alles erdenklich Gute für die geliebten Immen zu tun oder den maximalen Ertrag mit geringstem Einsatz an Arbeitszeit ernten zu wollen. Und bis heute gibt es immer noch Unverbesserliche, die beides zu verbinden suchen. Dazu zählt in gewissem Sinne auch Mellifera e. V. …
Es ist nicht selbstverständlich, dass Honigbienen eine Wohnung brauchen. Von weltweit sieben Arten sind nur zwei auf Baum- oder Felshöhlen zum Nisten angewiesen, nämlich die Westliche Honigbiene (apis mellifera) und die Östliche Honigbiene (apis cerana). Die Mellifera Biene ist mit vielen geographisch geprägten Rassen in ganz Afrika und Europa bis hin zum Vorderen Orient verbreitet. Bienen der Cerana Gruppe kommen im gesamten asiatischen Raum vor, bis hin in die Mandschurei und nach Ostsibirien. Es sei bemerkt, dass Mellifera Bienen heute ganz Nord- und Südamerika bevölkern. Dort gab es ursprünglich keine Honigbienen, sondern nur Meliponen, welche zwar stachellose Bienen genannt werden, aber genauso wenig wie Hummeln oder Wespen zur Gattung der Bienen gehören.
Die anderen fünf Arten der Honigbienen leben alle in Südostasien und nisten im Freien auf nur einer Wabe. Solch eine Wabe, sei es die von der Riesenhonigbiene (apis dorsata), von der Zwerghonigbiene (apis florea) oder von den unbekannteren Arten, hängt in Felsnischen, an starken Baumästen oder an Gebäudevorsprüngen. Der Brutbereich dieser Wabe wird mit einem dichten Pelz aus Bienen gegen Sonneneinstrahlung oder Kälte geschützt; so sind sie durchaus in der Lage auch in kühlere Regionen oder größere Höhenlagen vorzudringen.
Apis cerana und apis mellifera leben in Hohlräumen, die ihnen nicht nur die Wärmeregulierung erleichtern, sondern auch Schutz vor Vögeln, Bären und anderen Räubern bieten. Die Völker der westlichen Mellifera Biene werden etwa dreimal so groß wie die der östlichen Cerana Biene, sowohl bzgl. der Anzahl von Bienen pro Volk, als auch der Größe des Wabenwerkes. Das Wabenwerk ist ein Korpus aus weitgehend parallel verlaufenden Waben, der im Verlauf der Volksentwicklung von der Decke des Hohlraumes herunter wächst. Die Waben bestehen aus vielen sechsflächigen Zellen mit vielfältiger Verwendung: Honig und Pollenvorräte werden darin abgelagert und die Königin legt ihre Eier in die Brutzellen. Aus den Eiern schlüpfen Bienenmaden, die intensiv gefüttert werden, sich dann verpuppen und die ihre Metamorphose zur erwachsenen Biene (Imago) durchmachen. All dies geschieht im verborgenen Dunkel des Bienenstockes und braucht Schutz.
Die natürliche Besiedlung eines neuen Wohnplatzes durch die Bienen ist ein bemerkenswerter Vorgang. Nachdem ein Bienenschwarm aus seinem Muttervolk ausgezogen ist, sammelt er sich sogleich an einem Ast, oder – was in den Städten immer wieder zu Aufregungen führt – an einer Verkehrsampel oder Ähnlichem. Von dort aus erkunden Spurbienen alle Hohlräume in einem großen Umkreis. Es findet nicht nur eine Kommunikation über deren Lage statt; man kann wirklich von einem Prozess der Urteilsbildung innerhalb der Spurbienen sprechen. Durch Tänze, ähnlich denen bei der Nahrungssuche, verständigen sie sich über die Lage und Qualität der in Betracht kommenden Wohnplätze. Intensiv beworbene Vorschläge werden von allen Spurbienen besucht. Wenn dann alle Tänze auf denselben Hohlraum weisen, löst sich der ganze Schwarm von der Anlegestelle und fliegt dorthin.
Natürlich siedelnde Völker sind bei uns kaum noch zu beobachten. Zum einen sind sie gut versteckt; zum anderen sterben sie bald wegen des Befalls mit Varroa-Milben oder verhungern durch Trachtmangel. Manchmal wird ein natürlicher Wabenbau im Forst beim Fällen alter hohler Bäume oder in einem hohlen Fußboden oder Mauerwerk gefunden. Aber solche Hohlräume sind rar. Der Mangel an Angeboten kann im Ausnahmefall dazu führen, dass sogar unsere westliche Honigbiene ihre Waben im Freien baut. Der große Bienenforscher Martin Lindauer beschreibt ein besonderes Erlebnis, das er bei der Erforschung der Wohnungssuche hatte: Die Spurbienen eines Schwarmes konnten sich nicht einigen. Sie hatten zwei gleich gute Wohnplätze gefunden, die in entgegengesetzter Richtung lagen. Auch sie bauten im Freien. Freilich können diese Völker den Winter nicht überleben und werden in der Regel schon vorher von Vögeln zerstört. Das Wabenwerk eines solchen Volkes finden Sie auf dem Foto rechts.
Im nächsten Beitrag wird es um die bisher bekannten Maßstäbe der Spurbienen gehen. Diese sollten uns Imker doch interessieren…
Thomas Radetzki