Vergleich verschiedener Naturbau-Bienenwohnungen
Neben Einraumbeute und Bienenkiste sind vor allem Top-Bar-Hive und Warré-Beute für die naturnahe Bienenhaltung beliebt und seit kurzem wird die als “BienenBox” bezeichnete Balkonbeute als besonders artgerecht vermarktet. Gibt es aus wesensgemäßer Perspektive objektive Kriterien bei der Wahl der Bienenwohnung?
Di 6. Mai 2014 von Erhard Maria Klein Bienenwohnung, Wesensgemäße BienenhaltungDie wesensgemäße Bienenhaltung betrachtet das gesamte Bienenvolk („den Bien“) als Organismus, dessen Integrität stets gewahrt werden sollte. Sie grenzt sich damit von der heute üblichen Art der Bienenhaltung ab, in der die die einzelnen Teile des Bienenvolks (z.B. Waben, Brut, Honig, Arbeiterinnen, Königinnen) eher als Bausteine betrachtet werden, die der Imker nach Belieben manipulieren kann, um seine Ziele (i.d.R. hoher Honigertrag, effiziente Bewirtschaftung) zu erreichen.
Zentrale Gesichtspunkte der wesensgemäßen Bienenhaltung sind:
- Naturwabenbau
- Integrität des Brutnests (große Wabenflächen, keine Manipulationen)
- Vermehrung über den natürlichen Schwarmtrieb
- Bienenwohnung aus natürlichen Materialien
- Vermeidung von Zuckerfütterung (Überwinterung auf eigenem Honig)
- kein Einsatz von Medikamenten
Abgesehen von der Segeberger-Styropor-Beuten werden heute die meisten Bienenwohnungen aus natürlichen Materialien (i.d.R. Holz) hergestellt. Die Behandlungen gegen die Varroa-Milbe werden mittlerweile von vielen Imkern mit organischen Säuren durchgeführt. Eine Vermehrung über den Schwarmtrieb ist prinzipiell in jeder Bienenwohnung möglich, im Mobilbau dominiert aber die Praxis der „Schwarmverhinderung“ und Vermehrung über Aufteilung der Brutwaben (Ableger). Eine Vermeidung von Zuckerfütterung ist ebenfalls in allen Bienenwohnungen möglich – es gibt aber Bauweisen, die aufgrund von großen Wabenflächen im Butraum eine bessere Bevorratung der Bienen ermöglichen und andere, die eine maximale Honigernte erleichtern. Bei der Bauweise der Bienenwohnung und der davon abhängigen Betreuungsweise der Bienenvölker gibt es noch weitere erhebliche Unterschiede. Unterschiede, welche für Imker und Bienenvolk von Bedeutung sind…
Größe der Waben
Wenn ein Bienenvolk frei bauen kann, versucht es sein Brutnest auf großen zusammenhängenden Wabenflächen zu entwickeln. Wesensgemäße Bienenwohnungen versuchen dem zu entsprechen:
Bienenwohnung | Wabenfläche | |
---|---|---|
1. | Bienenkiste | ca. 1267 cm2 (Winter) bis zu 1900 (Sommer) |
2. | ERB | 1090 cm2 |
3. | Korb | größte Wabe ca. 1000 cm2 (Rest kleiner) |
4. | TBH | 890 cm2 |
5. | BienenBox | 800 cm2 |
6. | Warré | 616 cm2 |
Zehrweg
Im Winter sitzen die Bienen eng zusammen gezogen in den Wabengassen und leeren Wabenzellen und verzehren langsam den Honig am Rand ihrer sog. „Wintertraube“. Wenn sie am Ende der Waben angekommen sind, kann es vorkommen, dass sie verhungern, obwohl noch genügend Futter in anderen Waben ist. Wenn es sehr kalt ist, können sie die Wintertraube, in der sie sich gegenseitig warm halten, nicht verlassen und diese Vorratswaben nicht erreichen. Das nennt man „Futterabriss“. Je kürzer der Zehrweg ist, desto eher kommt es dazu. Wie der Vergleich zeigt, besteht dies Gefahr besonders in der BienenBox.
Bienenwohnung | Zehrweg | |
---|---|---|
1. | Bienenkiste | 65 cm |
2. | Warré | ca. 57 cm (3 Zargen) |
3. | ERB | 42cm |
4. | Korb | ca. 36cm |
5. | TBH | 28 cm (wegen der Trapezform der Waben ist oben ein größerer Honigkranz, daher trotz der geringeren Länge bessere Überwinterung als BienenBox) |
6. | BienenBox | 32 cm |
Bearbeitung („Mobil-/Stabilbau“)
In der Schwarmzeit werden Völker regelmäßig auf Schwarmstimmung hin untersucht (Ende April bis Ende Juni). Das ist bei dem wesensgemäßen Konzept der Schwarmvorwegnahme und konventionellen Betriebsweisen mit Schwarmverhinderung zwingend. Auch bei reinen Schwarmbetriebsweisen ist es sinnvoll um auf sich den Schwarmabgang einzustellen. Im Mobilbau muss man dazu die Waben auf die charakteristischen Königinnenzellen kontrollieren. Je größer die Waben sind, desto weniger Waben sind im Bienenvolk und desto schneller verläuft der Eingriff.
Mobilbau
1. ERB: 21 Waben
2. TBH: 24-27 Waben
3. BienenBox: 30 Waben
4. Im Magazin und der Warré-Beute müssen zur Schwarmkontrolle zunächst die oberen Etagen (Zargen) abgehoben werden, um überhaupt das Brutnest zu erreichen. Der Eingriff ist dort noch intensiver.
Stabilbau
Im Stabilbau bei Korb und Bienenkiste brauchen gar keine Waben bewegt werden. Ein Blick von unten auf die Wabenkanten genügt.
Eine Störung des Brutnests findet überhaupt nicht statt.
Fachwissen/Anfängertauglichkeit
Im Stabilbau kann die Integrität des Bienenvolkes nicht gestört werden, weil die Waben fest in den Bienenkasten gebaut sind. Im Mobilbau bleiben alle Waben beweglich und müssen aufgrund der damit verbundenen Betriebsweisen auch bewegt werden. In Trogbeuten wie ERB, TBH und BienenBox muss beispielsweise der Wabenkörper vom Imker im Laufe des Bienenjahrs schrittweise mit Rähmchen erweitert und später wieder eingeengt werden. Dazu nötiges Fachwissen und Erfahrung macht die Bienenhaltung anspruchsvoller.
Die Bienenkiste ist daher besonders anfängertaulich: man begleitet das Bienenvolk in seiner natürlichen Entwicklung. Die Bienen bauen frei so viele Waben, wie sie benötigen. Eingriffe im Brutnest finden nicht statt.
Die Einraumbeute hat gegenüber der Top-Bar-Hive den Vorteil, dass die Gefahr von Wabenbruch wesentlich geringer ist und das Bienenvolk auf weniger Waben sitzt. Eingriffe verlaufen daher schneller und komplikationsfreier.
Die BienenBox ist eine Abwandlung der Mellifera-Einraumbeute die für die Anbringung außen an Balkonbrüstungen optimiert wurde. Aufgrund der vielen kleinen Waben ist sie aber weder besonders wesensgemäß noch besonders anfängertauglich.