


Figurenbeuten - Die Freude an den Bienen und der Kunst
Künstlerisch gestaltete Bienenbeuten gibt es zuhauf. Doch kaum etwas ist so beeindruckend anzusehen wie so genannte “Figurenbeuten”. Was deren Faszination ausmacht und wie solche Beuten entstehen, erklärt Silke Meyer aus der Berliner Mellifera-Regionalgruppe.
Mo 27. Januar 2025 von Gastautor*in BieneMenschNatur.47, Bienenwohnung, Kunst&Kultur
Alles begann mit dem Wunsch, Bienen aus dem Bauch einer Frau fliegen zu sehen. Ich bin mit Sinn und Herz mit den Bienen verknüpft und ich wollte diese innigliche Verbindung mit den Bienen in einer Skulptur aus Holz verbildlichen. Mit der Zeidlerei habe ich eine Bienenhaltung kennengelernt, die den wesengemäßen Wünschen entgegenkommt: die dicken Holzwände, die besser dämmen als die dünnen Bretter der Holzkisten. Eine runde Hohlform, die den natürlichen Baumhöhlen nahekommt. Der Stabilbau, der eine extensivere Bienenhaltung mit sich bringt. Allein der Wunsch die Bienen beobachten zu können, ohne den Bienenstock zu öffnen, hat mich eine Glasscheibe einbauen lassen, um dies zu ermöglichen.
Die Künstlerin Birgit Maria Jönsson mit ihren vielen Figurenbeuten hat mich inspiriert, es zu beginnen. Zum ersten Mal im Leben habe ich einen Eichenstamm mit Kettensäge, Winkelschleifer und Schnitzmesser geformt, mit Ölen und Pigmenten gefärbt und so entstand über mehrere Wochen in einem Jahr die erste Figurenbeute Melissa. Bearbeitet und aufgestellt nahe am Bötzsee, am Seminarhaus Neue Spitzmühle in Brandenburg, wo viel nackt gebadet wird, fügt sich diese Skulptur in die waldige Umgebung ein. Ein Experiment.
Das gewünschte Flugloch war der Bauchnabel, aber ich bin einmal neben der Brust mit der Kettensäge beim Aushöhlen ausgerutscht und habe ein größeres Loch geschaffen, welches sie am liebsten für ihre Flüge nutzen. Die Bienen fühlten sich wohl, konnten nicht jedes Jahr genug Honig sammeln, aber haben uns alle im Jahr 2023 überrascht: Ein Schwarm zog von allein in die Figurenbeute ein! Ich nahm den Einzug als Kompliment und Bestätigung meiner Beschreibung von Melissa an: Ein Öko-Luxus-Loft für ein Bienenvolk.
Über die vergangenen 10 Jahre hat sich meine Arbeit in der Weiterbildung für Kinder und Erwachsene intensiviert, ich veranstalte mehrwöchige Ferienworkshops mit der SUMM Republik, leite Imkerkurse und Bienenführungen, immer mit Live-Kontakt zu den Bienen – genau dafür wollte ich so eine Figur herstellen. Um eine faszinierende Bienenbehausung zu schaffen, die die Blicke anzieht und neugierig macht, wie Bienen leben.
Work in progress: Die indische Frauenfigur Bhramari. (Foto: Silke Meyer)
Doch mittlerweile ist Melissa nicht mehr frei zugänglich bzw. nur sichtbar für Menschen, die in dem Haus ein Seminar besuchen. So kam mein Wunsch für eine zweite Skulptur: Ich möchte an einem Ort in Berlin eine Figurenbeute aufstellen, die gesehen und besucht werden kann.
Die indische Frauenfigur Bhramari war Inspiration für diese Skulptur, aus deren Hände Bienen flogen, um die Dämonen zu bekämpfen. Sie entsteht seit Jahren. Der geplante Aufstellungsort und Gemeinschaftsgarten Peace of Land musste geräumt werden, und ich suche seitdem einen möglichst öffentlich zugänglichen Ort in Berlin für die Frauenfigur, der Kultur, Kunst oder Garten verknüpft. Ideen und Tipps sind willkommen!
Silke Meyer, Mellifera Berlin
Eine kurze Geschichte der Figurenbeuten
Bienen leben in der freien Natur in hohlen Baumstämmen. Eine Figurenbeute ist ein ausgehöhlter Baumstamm, der zur Skulptur bearbeitet und mit einem Bienenvolk bevölkert wird. Die Volkskunst der Figurenbeuten gab es schon im 17. Jahrhundert – in weiten Teilen des mittleren Osteuropas.
Zunächst hatte man abgeholzte Baumstämme für die Imkerei verwendet. An diesen Klotzbeuten wurden die Einfluglöcher der Bienen mit reliefartigen Gesichtern verziert, deren große Augen starr und drohend blickten. Große Holzskulpturen mit Bienen im Innern wurden zur Abwehr böser Geister als Wächter oder Hüter der Bienenstöcke aufgestellt. Ab dem frühen 18. Jahrhundert entwickelten sich aus den aufrecht stehenden Klotzbeuten die überlebensgroßen Holzfiguren, die oft als Wachen neben weiteren Kastenbeuten standen. Anfang des 20. Jahrhunderts ging diese Form der Volkskunst zurück. Es gibt vier Sammlungen, die die Figurenbeuten bewahren. Sie befinden sich in Breslau/Wroclaw, Kreuzburg/Kluczbork, im Bienenmuseum in Weimar und im Agrar- und Freilichtmuseum im sächsischen Blankenhain bei Crimmitschau.
Die Herstellung von Figurenbeuten lebt derzeit wieder auf: Seit 1992 hat Birgit Maria Jönsson über 60 Figurenbeuten geschnitzt, welche in Deutschland und Europa verteilt stehen. Und es gibt eine Renaissance der Klotzbeuten, das Wissen der Herstellung und Betriebsweise wird von Menschen aus Russland und Polen wieder in Deutschland gelehrt. Die Künstlerin und die Lebensweise der Bienen in den Klotzbeuten hat mich inspiriert und mich meine erste Figurenbeute der Melissa schnitzen lassen.