Imkern im Naturwabenbau
Die Völkerführung im Naturwabenbau bringt den Imker unweigerlich in ein neues Verhältnis zum Drohn. Das zyklische Erscheinen und Verschwinden der Drohnen wirkt sich auch auf den Wabenbau aus.
Do 20. März 2003 von Gastautor*in BieneMenschNatur.04, Bienenkunde, Naturwaben, Wesensgemäße BienenhaltungDie Völkerführung im Naturwabenbau bringt den Imker unweigerlich in ein neues Verhältnis zum Drohn. Solange wir Mittelwände als Grundlage der Waben in den Bienenvölkern einsetzen, prägen wir die Arbeiterinnenzelle vor. Drohnenzellen können nur an Wabenrändern oder auf max. 1-2 Baurahmen entstehen. Die Zahl der Drohnen wird nach imkerlichem Gutdünken „reguliert“, d.h. beschränkt. Selbst der Baurahmen wird meist vor dem Schlüpfen der Brut zur Dämpfung der Varroabefallsentwicklung ausgeschnitten. Für jede Königin sind am Anfang ihres Lebens 10-30 Drohnen zur Begattung nötig. Nach heutigem Naturverständnis ist dies die einzige produktive Leistung der Drohnen. Für diese Leistung gibt der Drohn sein Leben, ein Leben des Müßiggangs. Wir belassen es meist bei dieser Erkenntnis mit dem Resultat, dass die Drohnen in größerer Anzahl nicht in unsere Leistungsgesellschaft passen. Unser forschendes Interesse gilt immer dem Leben der Arbeitsbiene und der Königin. Was ist das besondere der Drohnen? Welches Organ des Biens könnte die Drohnenschar bilden?
Während das Bienenvolk fortwährend aus Arbeiterinnen und Königin besteht, erscheinen Drohnen erst während des Frühsommers und meist werden sie im Juli schon wieder aus dem Volk gedrängt. Zu ihrer Entwicklung vom Ei bis zum fertigen Insekt lassen sie sich am längsten Zeit: 24 Tage. Als kräftige Erscheinung schlüpfen sie aus der Zelle; so fertig, dass keinerlei weitere Entwicklung mehr möglich ist .Vergleichen Sie dagegen den Lebenslauf der Arbeiterin!. Die Aktivität der Drohnen ist ganz nach außen gerichtet: Der Kopf wird fast ganz von den riesigen Augen eingenommen. Die Fühler haben ein Glied mehr als bei Arbeiterin und Königin. Nur an warmen, sonnigen Tagen fliegen sie in die Landschaft. Dort treffen sie sich an bestimmten Plätzen in der Luft. Sie fliegen nicht unbedingt zu „ihrem“ Volk zurück. Sie vagabundieren und finden im Frühsommer Einlass in jedes Volk. Man könnte sagen: Sie bilden ein Band zwischen Völkern und Ständen in der Landschaft und sie nehmen die Landschaft besonders intensiv wahr. Dies findet in einer Jahreszeit statt, in der sich der Bien mit seiner Aktivität ohnehin weit in die Landschaft ausbreitet.
Dieses zyklische Erscheinen und Verschwinden der Drohnen wirkt sich auch auf den Wabenbau aus. Ein überwintertes Bienenvolk in guter Frühjahrsentwicklung hat im April/Mai ein großes Bedürfnis, Drohnenbrut zu pflegen. Erweitern wir die Völker mit Leerrähmchen, so wird erst einmal überwiegend Drohnenbau errichtet und bebrütet. Der Umfang der Drohnenbrut ist immer größer als vom Imker zugebilligt. Besonders Völker, die bisher mit Mittelwänden geführt wurden, nutzen die Freiheit oft zu 100 % für Drohnenbau. Völker, die bereits jahrelang im Naturbau geführt werden, gehen meist differenzierter vor und bauen durchaus schöne Arbeiterinnenwaben. Das Verhältnis hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie dem Umfang des vorhandenen Wabenbaus, der „Stimmung“ im Volk, den Trachtverhältnissen usw. Der Bien kommt so zurecht, als Imker müssen wir evtl. mit liebgewordenen Gewohnheiten brechen. In erster Linie die Wabenbauerneuerung ist ganz neu zu sehen. Der Kern des Wabenbaus entsteht, wenn der Schwarm in der neuen Bienenwohnung seinen Leib aufbaut. In dieser Phase entsteht überwiegend Arbeiterinnenbau. Die Frühjahrsentwicklung bringt ein gewisses Wachstum des Wachskörpers und eben das Entstehen eines neuen Organs: Der Drohnenbrut und der Drohnen. Daraus ergibt sich beim Naturbau die Bauerneuerung großteils über den Schwarm und das Abfegen abgeschwärmter Völker.
Die Frühjahrsentwicklung wird bei mir nicht durch Drohnenbrutschneiden manipuliert. Den einzigen Eingriff nehme ich in der Wabenordnung vor. Drohnenwaben bleiben am Rand während neue Arbeiterinnenwaben an bestehende Arbeiterinnenwaben gerückt werden. In einer Sommertracht werden nun solche Drohnenwaben mit Honig gefüllt und können geerntet werden. Oder sie werden beim Herrichten des Wintersitzes als Leerwaben entnommen. So zeigt sich im Umgang mit den Waben nochmals etwas vom unterschiedlichen Wesen von Drohn und Arbeiterin: Die Arbeiterinnenwaben sind von größerer Dauer und haben ihren Zyklus mehr im Werden und Vergehen ganzer Völker. Ein großer Teil der Drohnenwaben kommt und geht mit ihren Bewohnern im Jahreslauf.
Bei all` den gewonnenen Erfahrungen bleibt: Der Drohn gibt uns noch viele Rätsel auf!
Michael Reiter ist Redaktionsmitglied von Biene-Mensch-Natur. Er lebt als Berufsimker von und mit seinen Bienen im Raum Kassel und betreibt eine Demeter Imkerei.