


„In Einheit mit den Bienen leben“
Heinz Risse, ehemaliger Teilnehmer des Seminars „Wege zu einer wesensgemäßen Bienenhaltung“, bietet im Rahmen unseres Ausbildungsverbunds im nächsten Jahr erstmals Kurse in Berlin an. Im Interview erzählt er, wie er zu den Bienen gefunden hat, wie er mitten in Berlin Bienen hält und was seine Mitmenschen davon halten.
Mo 15. Oktober 2012 von Gastautor*in BieneMenschNatur.23, Interview, Stadtbienen
Heinz Risse freut sich darüber, wie gut es seinen Bienen mitten in Berlin geht.
Es ist noch gar nicht so lange her, dass der Berliner Heinz Risse als Teilnehmer des Seminars „Wege zu einer wesensgemäßen Bienenhaltung“ im Februar 2009 zur Imkerei Fischermühle kam, doch ist er in kürzester Zeit ein guter Freund und unverzichtbarer Partner geworden. Im nächsten Jahr bietet er im Rahmen unseres Ausbildungsverbunds erstmals Kurse in Berlin an. Auch wenn der studierte Elektroingenieur kein Profi-Imker ist, wie er freimütig sagt, sind wir uns sicher: Er wird die Teilnehmer unweigerlich mit seiner Begeisterung für die Bienen anstecken. Das Interview mit ihm führte Sabine Armbruster.
Wenn man die Bienen nicht als reinen Wirtschaftsfaktor betrachtet, kann man in Einheit mit den Bienen leben. (Heinz Risse)
BMN: Lieber Heinz, hast Du damals beim Fischermühlen-Seminar zu den Bienen gefunden oder imkerst Du schon länger?
HR: Ich war vielleicht sieben oder acht Jahre alt, als ich den ersten richtigen Kontakt zu Bienen hatte. Mein Vater hielt welche, und ich habe ihm immer geholfen. Vor allem beim Einfangen der Bienenschwärme, denn ich war der Leichteste und konnte am besten klettern… Selber habe ich früher aber nie Bienen gehabt.
BMN: Und wann und warum hat sich das dann geändert?
HR: Mein Vater starb 2007, und da kam die Frage auf: Wohin mit seinen Bienen? Ich wollte sie eigentlich aus dem Sauerland nach Berlin holen, hatte aber damals keine Zeit zum Imkern. Und irgendwie war mir auch das, was mein Vater mit den Bienen machte, nicht genug. Ich habe die Bienen also verschenkt, aber die alten Beuten behalten. Dann habe ich mich 2009 beruflich neu orientiert und hatte auf einmal mehr Zeit. Da habe ich die Beuten mit neuen Bienen bevölkert.
2009 habe ich auch mehrere Imkerlehrgänge gemacht, erst das Faschingsseminar bei Euch und dann den Ausbildungsverbund in Kassel. Und habe festgestellt: Wesensgemäße Bienenhaltung ist genau das, was ich wirklich will und was allen guttut. Wenn man die Bienen nicht als reinen Wirtschaftsfaktor betrachtet, kann man in Einheit mit den Bienen leben.
BMN: Geht das überhaupt in einer Stadt wie Berlin?
HR: Die Standortsuche war in der Tat zuerst ein Problem. Denn die Berliner hatten Angst vor den Bienen. Aber dann hatte ich das Riesenglück, dass damals gerade der Prinzessinnengarten in Kreuzberg entstand. Der war mehr als 60 Jahre lang eine riesige Brachfläche. Freiwillige haben sie vom Müll befreit und bauen jetzt mitten in der Stadt ganz verschiedene Gemüse und Kräuter an. Und zwar in transportablen Bäckerkisten, Reissäcken und Tetrapacks, weil niemand weiß, wie lange es noch geht. Die Stadt vermietet die Fläche nur für jeweils ein Jahr. Der Garten steht allen offen, und jeder, der will, kann hier lernen, wie man lokal Lebensmittel herstellt und gemeinsam einen blühenden Ort mitten in der Stadt schafft. Und meine acht Völker fühlen sich richtig wohl, denn dort finden sie alles.
BMN: Und die Berliner haben jetzt keine Angst mehr vor den Bienen?
HR: Ach, Bienen und Garten, das gehört doch einfach zusammen. Und ich mache immer wieder Führungen und Kurse, in denen ich Aufklärungsarbeit leiste. Schilder und Infotafeln habe ich auch aufgestellt. Ich finde es klasse, dass ich die Großstädter so zurück an die Natur führen kann. Oft wollen zum Beispiel die Leute schon im zeitigen Frühjahr frischen Honig kaufen, und ich erkläre erst mal, warum es den noch nicht gibt. Andere wieder sagen: „Die Bienen finden doch in der Großstadt gar nichts!“ Die staunen dann, wenn ich ihnen sage, dass es den Bienen bei uns sogar viel besser geht als auf dem Land. Und ihnen zeige, wo überall was blüht. Die Leute schauen danach ihre Stadt mit ganz neuen Augen an. Ich hab‘ sogar auf dem Abgeordnetenhaus eine Bienenkiste stehen. Das Tolle ist, dass man damit auch Politiker anlocken kann und sie darauf hinweisen, wie sie etwas für die Bienen, die Hummeln und Schmetterlinge tun können. Und zwei Völker stehen auf meinem Balkon. Vierter Stock Altbau!
BMN: Und was sagen da die Nachbarn? Haben sie keine Probleme mit den Bienen?
HR: Zum Glück verstehen wir uns sehr gut. Sie bekommen auch immer zu Weihnachten ein Glas Honig von mir. Und von den Bienen kriegen die normalerweise gar nichts mit. Nur ab und zu verfliegen sich ein paar Jungbienen und suchen schon im dritten Stock nach ihrem Zuhause. Das dauert dann ein bisschen, bis sie merken, dass sie sich in der Etage geirrt haben. Und in der Schwarmzeit sind meine Nachbarn tendenziell auch ein bisschen aufgeregt. Das legt sich aber, wenn ich erkläre, dass Schwarmbienen fast nie stechen. Ich finde, Bienen auf dem Balkon zu haben, ist ein ganz besonderes Erlebnis. Es ist wunderschön, zu sehen, wie die Bienen kommen und gehen. So dicht wie da bin ich sonst nie bei ihnen. Und das Praktische ist: Von meinen Balkonbienen kann ich auch auf die anderen Völker schließen. Wann fangen sie an zu fliegen, wie dick sind die Pollenhöschen…
BMN: Und wie steht Deine Familie zu diesen Mitbewohnern?
HR: Meiner Frau wäre etwas mehr Abstand sicher lieber. Aber meine beiden Töchter begleiten mich gern zu den Bienen, vor allem, wenn sie selber auch helfen und einen Imkerhut aufsetzen dürfen. Und ich bin weit und breit der einzige, der Wabenhonig macht, das finden sie auch total klasse! Überhaupt Kinder: Sie lassen sich schnell für Bienen begeistern. Deshalb lade ich auch immer wieder Schulklassen ein in den Prinzessinnengarten. Man merkt ganz deutlich den Respekt vor den Bienen, aber wenn der erste einmal eine Wabe in den Händen gehalten hat, werden auch die anderen mutiger, und dann wollen alle. Sie finden es auch toll, wenn sie eine Drohne in die Hand nehmen dürfen. Oder Bieneneier suchen. Ich selber erinnere mich ja noch gut daran, als ich bei meinem Vater erstmals „Stifte“ suchen sollte, weil er sie trotz Brille nicht mehr richtig sah. Ich wusste erst gar nicht, was er meint, aber als ich sie dann zum ersten Mal tatsächlich entdeckt habe, war das für mich ganz irre. Es macht mir unheimlich viel Spaß, dieses Wissen weiterzugeben.
BMN: Zum Schluss noch eine Frage in eigener Sache: Du kommst immer wieder an die Fischermühle, obwohl das für Dich ja eine Riesenstrecke ist. Was bringt Dich dazu?
HR: Die Imkerei Fischermühle ist das Zentrum für wesensgemäße Bienenhaltung. Ich finde es sehr wichtig, dass es so ein Zentrum gibt. Da kann ich auftanken, da finde ich Gleichgesinnte… Und dafür lohnt sich auch der weiteste Weg. Ich wäre gerne noch viel öfter mit dabei!