


"Learning from the bees" - von den Bienen lernen.
Bericht von der “Learning from the bees”-Konferenz vom 31.08. bis 02.09.18 in den Niederlanden.
Mi 24. Oktober 2018 von Gastautor*in Bienengesundheit, Bienenkunde, Veranstaltung, Wesensgemäße Bienenhaltung
Mit diesem Anliegen und in diesem Geist waren alle Beiträge dieser Konferenz verfasst und genau diese Herangehensweise war es auch, die Thomas D. Seeley (Cornell University, USA) – selber ein großer Student der Bienen – so begeisterte und das er so ausdrückte:
„Diese Konferenz wird eine bahnbrechende Zusammenkunft werden, wo progressive Bienenhalter und -wissenschaftler ihre Ideen und Entdeckungen teilen, um bessere Anwälte und Begleiter für unsere größten Freunde unter den Insekten zu sein, die Honigbienen. – Wir erkennen nun endlich, was wir mit den Bienen machen, wie sehr wir ihr Leben beeinflussen, wenn wir die Bienen halten.“
Diese in jeder Hinsicht außergewöhnliche, innovative und internationale Konferenz von der Bedeutung eines Welt – Gipfeltreffens fand vom 31.08. – 02.09.2018 im schönen Landgut Zonheuvel bei Doorn in den Niederlanden statt. Ihre Initiatoren und Organisatoren sind Rachel Hanney, Jonathan Powell und Heidi Herrmann vom Natural Beekeeping Trust. Es nahmen über 300 Imker und Bienenhalter aus über 32 Ländern dieser Erde teil, in ausgewogenem Geschlechterverhältnis. Über 100 Beiträge aus Wissenschaft, Literatur, Initiativen, Handwerk, Kunst und dem geisteswissenschaftlichen – spirituellen Bereich berührten und inspirierten Kopf, Herz und Seele.
Wenn man sich von einer Konferenz etwas wünschen darf als Teilnehmer, dann sind es außer Informationen auf aktuellstem Stand am Erfahrungsschatz der anderen Bienenhalter und Imker aus der ganzen Welt teilhaben zu können, sind es die spannenden Gespräche und der persönliche Austausch, die Vernetzung, die inspirierenden menschlichen Begegnungen. Die fein durchdachte Organisation dieser Konferenz ermöglichte dies in intelligenter, vielfältiger Weise und konnte so verschiedenste Erwartungen weit übertreffen. Am Ende war eine Gemeinschaft entstanden, gebildet und gehalten von dem Wunsch, die Beziehung des Menschen zur Honigbiene auf eine neue Ebene zu heben, eine im Mitfühlen lebende Api-Kultur zu schaffen, indem wir von den Bienen lernen.
So begann diese globale Zusammenkunft von Bienenfreunden mit dem vertrauten Summen von Honigbienen, gefolgt von einer ebenso überraschenden wie ergreifenden musikalischen Eröffnung durch Astrid Schoots (NL), die den weit angereisten Gästen half, sich „einzustimmen“: kunstvoll angeleitet, füllten wir den großen Raum harmonisch mit unseren Stimmen und schufen einen wunderschönen Klang – Körper, der uns zusammenführte.
Jonathan Powell hieß alle willkommen und es folgte eine kurze, orientierende Podiumsdiskussion mit ihm, Prof. Tom Seeley, Heather Swan (Universität Wisconsin, USA), Dr. Johannes Wirz (Mellifera e. V.) zu folgenden Fragen:
- Wie spiegeln sich die Werte einer Kultur in ihren Landschaften wider?
- Halten wir die Bienen auch in unseren Herzen und helfen wir ihnen, oder helfen sie vielmehr uns Menschen?
- Inmitten einer ökologischen Krise ungeheuren Ausmaßes, wie können wir mit und durch die Inspiration und das Beispiel der Bienen zu einer Transformation unserer kulturellen Werte gelangen?
Die Honigbiene, darin sind sich alle einig, dient in diesen Zusammenhängen als die prominente Vertreterin aller anderen Bestäuber und Insekten, die wiederum ein Basiselement unserer Nahrungskette sind. Die Bienen zeigen unsere überlebenswichtige Verbindung zu den Landschaften, Lebensräumen und Landwirtschaft auf und spiegeln unsere Beziehung dazu wider.
Tom Seeley eröffnete seinen Beitrag mit der Frage, was es bedeutet, die Ökologie der Honigbiene zu respektieren – nämlich das Konzept der natürlichen Selektion als Schlüssel zum Verständnis des Lebens der Honigbiene zu begreifen. Alle erstaunlichen Eigenschaften und Fähigkeiten der Honigbiene sind durch natürliche Selektion entstanden, die über 30 Millionen Jahre wirkte und für eine ständige, fein austarierte Neuanpassung sorgt. Die natürliche Selektion ist unser größter Verbündeter, um die Probleme in der Bienenhaltung zu lösen.
Johannes Wirz beschreibt die drei Ebenen der goetheanischen, phänomenologischen Wissenschaft, die hinführt zum Erfassen der Lebenszusammenhänge in ihrer Gesamtheit. Die Erkenntnisse aus den organisatorischen Fähigkeiten eines Honigbienenvolkes, können auch unseren zukünftigen menschlichen Gesellschaften wichtige Inspiration sein. Später sprach er gemeinsam mit Albert Muller von seinem ganz persönlichen Weg mit den Bienen, was er von ihnen lernen konnte und leitete faszinierende Gruppengespräche an unter der Überschrift: „Lektionen aus dem Bienenstock – Welt Café“.
Und dann wurden Lösungen vorgestellt, in Form von privaten Initiativen wie die von Deborah Post, die mit ihrem HoneyHighway öffentliche Flächen zu Blühflächen und mehrjährigen Lebensräumen für Bestäuber umwandelt, die vorher Ödland waren. Weiter die Bijenoase von Sonne Copijn, The Pollinators von Tom v.d. Beek – allesamt bringen sie wieder Blüten in unsere Lebenswelten zurück, schaffen Biodiversität und Lebensräume für Bestäuber und dies erstaunlich erfolgreich, wie die Zahlen belegen. The Pollinators veranstalten unter anderem mit Freiwilligen und Schülern vieler Schulen des Landes an jedem 1. April den „Nationalen Aussaat – Tag für die Erde.
Autobahnen werden dank des Projektes "HoneyHighway" zu Blütenoasen. (Foto: HoneyHighway)
Das deutsche Netzwerk Blühende Landschaft, im Jahr 2003 von Mellifera e.V. gegründet, wurde vertreten durch Matthias Wucherer. Im Rahmen des BienenBlütenReich-Projektes wurden über 100 ha Blühflächen und Lebensräume für Insekten angelegt bei 150 verschiedenen Partnern (Landwirte, Kommunen, Initiativen), dort wurden bisher für über 3.500 Besucher ca. 130 Führungen durchgeführt. Ein weiterer Schwerpunkt ist das Bildungsangebot: in etwa 45 Fachveranstaltungen und 10 Referentenworkshops wurden 98 ReferentInnen ausgebildet. Seit der Gründung wurden 1.000 Vorträge gehalten, es gründeten sich bundesweit 45 Regionalgruppen. Bei weitem nicht alle Projekte und Aktionen, die dort umgesetzt wurden, sind in Zahlen erfasst – eine Erfolgsgeschichte, die noch fortgeschrieben werden wird.
Karmit Even-Zuur (Natural Beekeeping Trust) berührte mich mit folgender Aussage besonders: wir verlieren entsprechend zu den äußeren Landschaften auch unsere inneren Landschaften! Sie benannte die eigentlichen, zentralen Umweltprobleme: Egoismus, Gier und Apathie. Bienen helfen uns Menschen zu lernen, uns auf Erde und Natur einzustellen, miteinander zu teilen und unsere Herzen für das Wohlbefinden anderer zu öffnen.
Die Initiativen, die besonders für Kinder gestaltet wurden – sind sie doch die Bienenschützer der Zukunft – erhalten vor diesem Hintergrund eine übergeordnete Bedeutung! Wir schützen nur das, was wir lieben. Julie Armstrong (Australien), Adrian Iodice (Australien), Rinske Kreukniet (Niederlande) und Yossi Aud (Israel) sprachen mit Leidenschaft und Begeisterung über die Kinderprojekte, die sie in ihren jeweiligen Ländern durchführen, weitere Details und Links finden Sie im Programm auf der Homepage (siehe unten).
Es wurden an allen drei Tagen parallele Vorträge und Veranstaltungen geboten, die danach gemeinsam zusammenfassend vorgestellt wurden. Dabei wurde viel Zeit für Fragen und Diskussion eingeräumt.
Einige Themen aus dem umfangreichen Programm sprechen wohl für sich: “Geist des Bienenstocks – Verbindung zu den Bienen”, “Wilde Bienen – Bienen in Bäumen”, Wieder – Auswilderung der Honigbiene” – man muss hier das beeindruckende und inspirierende Werk von Michael Thiele (“Apis Arborea”, USA) nennen, “Das Geheimnis der Honigbienen – Kompasspunkt, Rätsel und Orakel”, “Eine Biene sein – Eine Reise in den Bienenstock”, “Geist des Landes – Die Zukunft der Bienen, Bauernhöfe und Menschen”, “Lektionen aus dem Bienenstock”.
Behandlungsfreie Bienenhaltung – aktuell besonders in Bezug auf Varroa – war keine Frage, sondern wurde als ein zentrales Thema in vielen Beiträgen beleuchtet. Unter der Überschrift „Natürliche Selektion – Darwinistische Bienenhaltung“ sprachen mit in die Zukunft gerichtetem Blick Tom Seeley (USA), Heidi Herrmann (England), Tjeerd Blacquière (Niederlande) und Peter Neumann (Bienengesundheitsinstitut, Bern) unter besonderer Betonung der Wichtigkeit, dass wir es den Bienen ermöglichen, ihre Widerstandsfähigkeit wiederherzustellen, indem wir die richtigen Bedingungen dafür schaffen.
In der ersten Sitzung am Samstagmorgen betonte Heidi Herrmann die essentielle und weitreichende Problematik, die sich daraus ergibt, dass die Honigbiene als „Nutztier“ eingestuft wird und ihr damit ihre Schutzrechte als nicht domestizierte, auch wildlebende Spezies entzogen werden. Durch das Kultivieren von Mitgefühl im Umgang mit unseren Honigbienen, so genannten Nutztieren und Ökosystemen, können wir eine neue Kultur der Bienenhaltung und Imkerei entwickeln. Wenn wir es zulassen, helfen uns die Bienen, einen Teil unseres Verbunden-Seins, unserer wahren Werte wieder herzustellen. Heidi sprach über ein Projekt des NBKT, das Bienen und ihre Betreuung in einem Hochsicherheitsgefängnis vorstellte und zu einer Vielzahl von „LearningFromTheBees“”-Erfahrungen für alle Beteiligten führte. Dies hat das Publikum emotional erfasst und unsere Herzen für die Reflexion über uns selbst und unsere Gesellschaften geöffnet: „Verbrechen ist das Ergebnis von übermäßigem Egoismus…. Niemand wird ein Gefängnis als besserer Mensch verlassen. Es sei denn, das Gefängnis hält Bienen.“
Mit folgenden Stichpunkten zur behandlungsfreien Bienenhaltung sind sich T. Seeley, und T. Blaquière und P. Neumann einig:
- Natürliche Selektion zulassen
- Standortanpassung!
- Königinnenauswahl und –aufzucht den Bienen überlassen, Standbegattung
- Mit dem natürlichen Schwarmverhalten vermehren, keine Schwarmverhinderung
- Völker nicht zu groß werden lassen
- Propolis nicht entfernen, Beuten sollten bestenfalls von innen eine Propolis-Haut haben
- Wenn möglich, mit anderen Imkern in lokalen Gruppen kooperieren
- Von überlebenden Völkern vermehren
Peter Neumann erstellt eine europaweite Karte von ohne Varroabehandlung überlebenden Bienenvölkern, egal ob wild oder in imkerlicher Obhut lebend. Er weist in seinem Vortrag auf eine genetische Tatsache hin, die gravierend ist: es gibt verhältnismäßig wenige Gene für erfolgreiche Königinnen in Bienenvölkern, Bienen sind daher sehr wählerisch bei der Auswahl des „richtigen“ royalen Eis zur Aufzucht einer neuen Königin. Umlarven, Zucht auf wenige Merkmale und Drohnen reduzieren führt zu gravierendem Verlust genetischer Vielfalt (weil diese wichtigen, guten Gene dann nicht zur Vermehrung kommen) und beeinträchtigt diesen empfindlichen Bereich besonders stark, denn einmal verlorene Gene bleiben verloren.
Ein deutscher Beitrag, der noch während der Konferenz sehr positives Feedback bekam, waren die Forschungsergebnisse von Torben Schiffer (Biozentrum Uni Würzburg). Sein wichtiger Apell lautet: die Beuten den Bedürfnissen der Bienen entsprechend zu bauen, Schimmelbildung ist unbedingt zu vermeiden, er zeigt Bilder von Bienendärmen (Winterbienen!), die schwarz sind vom durch Putzen aufgenommenen Schimmel. Dieser Schimmel vergiftet die Bienen und verkürzt ihre Lebensdauer enorm – daher sollten die Beuten isoliert werden, damit sie trocken bleiben. Propolisoberflächen werden von den Bienen täglich gepflegt und sind lebendiger Teil ihres Immunsystems.
Kaum möglich ist es leider, in Kürze die berührenden, ermutigenden, zukunftsweisenden künstlerischen, literarischen und sozialen Beiträge und Initiativen wiederzugeben – hier darf ich die Homepage empfehlen, Links sind bei den Personen zu finden und deren Kurzportraits, ein Blick ins Programm gibt Aufschluss über die einzelnen Beiträge.
Weitere Infos, Filme, Bilder: Learning from the bees
Die nächste LFTB Konferenz ist für das Jahr 2020 anberaumt.
Claudia Blauert, Imkerin ( E-Mail schreiben )