


Mein Bienenjahr
Imkermeister Michael Reiter berichtet über das Bienenjahr in seiner Imkerei.
Sa 10. Dezember 2005 von Gastautor*in BieneMenschNatur.09
Unter Imkern wird immer wieder diskutiert, wann das Bienenjahr beginnt. Es ist ein großer Atem: Entfaltung des Bienenvolkes in den Sommer hinein und zum Winter hin, ein wieder still und klein Werden. Der Imker geht diesen Weg mit. Manche Arbeiten lassen ihn Anfang und Ende erleben. Im Folgenden berichtet Imkermeister Michael Reiter über das Bienenjahr in seiner Imkerei. Wir pflegen Bienen auf verschiedenen Standorten im nordhessischen Bergland rund um Kassel in Höhenlagen zwischen 150 und 450 Meter. Geprägt war das letzte Bienenjahr durch einen schneereichen Winter, eine außergewöhnliche Schwarmzeit in einem wechselhaften Mai und einen relativ feuchten, kühlen Sommer mit guter Tracht.
Im Herbst 2004 winterten die Bienenvölker stark ein. Wie schon seit einigen Jahren, konnte ich auf die Bekämpfung der Varroa-Milben im Spätsommer verzichten. Üblicherweise werden zu dieser Zeit schon die ersten Behandlungen gegen die Varroa-Milbe durchgeführt. Ab Mitte Oktober hörten die Völker auf zu brüten und die Entmilbung wurde mit einer Oxalsäure-Behandlung durchgeführt. So waren die Völker vor der Winterruhe von den Milben befreit und mussten in der Ruhezeit nicht mehr gestört werden. Zufrieden summten sie unter ihren Futtervorräten dem Frühling entgegen. Mehr Schnee als gewohnt prägte das Wettergeschehen, allerdings von einem Warmwettereinbruch Anfang Februar unterbrochen. Die Hasel fing an zu blühen und die Bienen trugen den ersten Pollen nach Hause. Dies führte bei einem Teil der Völker zu einem ersten größeren Brutnest.
Aber der Winter war noch nicht zu Ende – Schnee und winterliche Temperaturen herrschten bis in die zweite Märzhälfte. So verbrauchten Völker, die im Februar viel Brut angelegt hatten viel Futter, während andere bei unserer ersten Nachschau Ende März noch reichlich bevorratet waren. Die Weidenblüte brachte den Impuls für ein starkes Wachstum des Brutnestes, sodass einige Völker Ende März bereits sieben Brutwaben (ca. zwanzigtausend Brutzellen) pflegten. Dies führte ab Mitte April, als die Brut schlüpfte, zu einem starken Wachstum der Völker. Der Bautrieb erwachte und die ersten Rähmchen für neue Waben wurden zugehängt. Der Boden war im Frühjahr sehr feucht. Dies führte zu einer starken Nektarabsonderung, vor allem beim Löwenzahn. Ab 20. April setzten wir Honigräume auf, die schnell gefüllt wurden. Die ersten Völker schwärmten schon vor Anfang Mai, als dann ein Kaltwettereinbruch für fast zwei Wochen die stürmische Volksentwicklung abrupt unterbrach. Gut versorgt saßen die Bienen, inzwischen sehr zahlreich, im Stock. Trachtflüge waren nicht möglich. An einigen Standorten kamen dadurch fast alle Völker in Schwarmstimmung. Die Schwärme konnten aber wegen des schlechten Wetters nicht wie üblich nach der Verdeckelung der ersten Weiselzelle ausziehen. In manchen Völkern fanden wir gleichzeitig die legende Stockmutter und eine geschlüpfte Jungkönigin. In anderen wurden die ältesten Weiselzellen immer wieder zerstört, ohne dass die Schwarmlust erlosch. Als das Wetter endlich besser wurde, kamen viele Schwärme. Erstaunlich für mich war, dass trotz großer Volksstärke die meisten Vorschwärme (Erst-Schwarm mit der alten Stockmutter) unter zwei Kilogramm wogen. Oftmals zogen keine weiteren Schwärme mit jungen Königinnen (Nachschwärme) mehr aus. Durch das feuchtwarme Wetter honigten die Blüten ausgezeichnet und die Schwärme entwickelten sich ohne Zufütterung sehr kräftig. Alle Völker, auch die abgeschwärmten Muttervölker, trugen noch viel Nektar ein. So wurden die Honigräume, die in der Schlechtwetterphase fast leer gezehrt wurden, zu unserer Freude wieder gefüllt, und wir konnten am Ende der Akazienblüte reichlich Frühjahrsblütenhonig ernten. Für die Begattungsflüge der Jungköniginnen herrschte ideales, warmes Wetter. Sie fanden heil in ihre Bienenstöcke zurück und begannen bald mit der Eiablage.
Auch der weitere Verlauf des Sommers, den viele Menschen kaum als Sommer erlebt haben, war für die Pflanzenwelt und damit die Bienen recht günstig. Z.B. blühte viel Weißklee in den Wiesen, der durch Feuchtigkeit und geringere Wärme reichlich Nektar spendete. Bis Mitte Juli konnten die Bienen immer etwas finden. In der zweiten Julihälfte war dann die Tracht zu Ende. Das ist für unsere nordhessische Landschaft typisch. Erfreulicherweise war ein Teil der Honigwaben mit Waldhonig gefüllt. Die Honigaufsätze wurden abgenommen und ausgeschleudert. Gleichzeitig wurde der Wintersitz für die Bienen vorbereitet und mit der Fütterung der für den Winter zu ergänzenden Vorräte begonnen. Kleine, so genannte “Läpper“trachten, z.B. aus dem Springkraut, ergänzten das Winterfutter. Anfang September war die Fütterung dann abgeschlossen.
Diese Spätsommerphase erlebe ich als sehr problematisch. Wenn die Nachttemperaturen im September und auch im Oktober hoch sind, brütet ein Teil der Völker ungehemmt weiter, obwohl das Trachtjahr abgeschlossen ist. Dies wird durch unsere Futtergaben noch verstärkt. Für die Brut wird dann noch viel der wertvollen Winterreserven verbraucht und die Bienen werden kurzlebiger. Das Geschehen im Volk steht nicht in der richtigen Beziehung zur Umwelt. Ob dadurch die oft explosive Vermehrung der Varroa-Milbe in dieser Zeit gefördert wird? In diesem Jahr hat der teilweise hohe Befallsdruck durch Varroa-Milben auch mich zu einer Ameisensäureherbstbehandlung veranlasst. Die Völker gehen etwas schwächer in den Winter. Es bleibt unklar, warum ich nach vielen Jahren ohne Probleme, dieses Mal früh behandeln musste. Es ist gut, die langsam einkehrende Ruhe am Bienenstand für neue Gedanken zu nutzen und sich auf die neuen Erlebnisse mit den Biene im nächsten Jahr zu freuen.
Autorennotiz: Imkermeister Michael Reiter lebt mit seiner Familie und seinen Bienen in Kassel. Er ist hauptberuflich als Imker tätig, Redaktionsmitglied von Biene-Mensch-Natur, Kursleiter im Ausbildungsverbund wesensgemäße Bienenhaltung und seit vielen Jahren Mitarbeiter bei manch anderen Veranstaltungen von Mellifera e.V.