Bienenforscher Thomas D. Seeley plädiert für mehr Bienenschwärme
Viele Imker haben seit Jahren keinen Bienenschwarm mehr gesehen, weil sie mit verschiedenen Methoden das Ausschwärmen verhindern. «Die Verhinderung des natürlichen Schwarmtriebes ist ein widernatürlicher Eingriff, der zu Folgeschäden führt», erklärt Bienenforscher Thomas D. Seeley im Interview.
Fr 14. August 2015 von Gastautor*in Forschung, Schwarmvermehrung, Varroa, Wesensgemäße BienenhaltungIm Frühsommer schwärmen sie wieder, wenn man sie lässt. Zehntausend Bienen verlassen um die Mittagszeit zusammen mit der alten Königin die Bienenbeute. Einen Steinwurf entfernt sammeln sie sich als Schwarmtraube zum Beispiel auf einem Ast und warten, bis die Kundschafterbienen ein neues Nest gefunden haben.
«Der Bienenschwarm ist ein faszinierendes Phänomen und er hält das Bienenvolk gesund», erklärt der renommierte US-amerikanische Bienenforscher Thomas D. Seeley im Interview mit dem BienenPodcast des Schweizer Journalisten Jürg Vollmer. Seeley ist Autor des Beststellers «Bienendemokratie».
«Schwärme reduzieren die Varroa!» (Bienenforscher Thomas D. Seeley)
«Diese Maßnahmen zur Verhinderung des Schwarmtriebes sind widernatürliche Eingriffe», erklärt der US-amerikanische Bienenforscher Thomas D. Seeley: «Wenn der Imker das Ausschwärmen verhindert, führt dies zu direkten Folgeschäden!» Die Schwarmverhinderung sei nur für die Imker gut, aber nicht für die Bienen. Bei seinen Experimenten habe er festgestellt, dass nach dem Schwarm die Varroamilben im Muttervolk markant reduziert sind. «Einer der Gründe ist sicher, dass mit dem Schwarm rund 60 Prozent der Arbeiterbienen das Muttervolk verlassen – und damit auch 60 Prozent der auf ihnen sitzenden Varroamilben.»
Aber auch im Schwarm wird die Zahl der Varroamilben markant reduziert, weil sich die Schwarmbienen auf 35 Grad Celsius aufwärmen, bevor sie losfliegen. Nur mit warmen Muskeln erreichen sie 250 Flügelschläge pro Sekunde, die den nötigen Auftrieb erzeugen. Möglicherweise lassen sich die wärmesensiblen Varroamilben in der Bienenbeute von den «aufgeheizten» Bienen fallen.
Seeley entdeckte noch einen anderen positiven Effekt: «Wenn der Schwarm ausgeflogen ist, muss im Muttervolk zuerst eine junge Königin schlüpfen und auf den Begattungsflug gehen. Bis diese Königin die ersten Brutwaben bestiftet hat, gibt es keine verdeckelte Brut, in welche die Varroamilben ihre Eier legen können. Auch dies reduziert die Varroa markant.»
Varroa-Bekämpfung mit einfachsten Mitteln: Bienenvölker weiter auseinander stellen
Der Bienenforscher zeigt im Interview einen Vorschlag zur Varroa-Bekämpfung auf, der im ersten Moment verblüfft, weil er so einfach ist: «Wenn die Imker ihre Bienenvölker nur zehn bis zwanzig Meter auseinanderstellen würden, könnte die Varroa schon wirksam reduziert werden», erklärt Thomas D. Seeley.
«Wir haben zwei Gruppen von Bienenvölkern ohne Varroa-Behandlung beobachtet. In der ersten Gruppe stellten wir die Bienenbeuten nahe zusammen, in der zweiten Gruppen je zehn bis zwanzig Meter auseinander. In der dicht aufgestellten Gruppe starben die Völker weg, weil die nahen Nachbarn sofort mit Varroa infiziert wurde. In der locker aufgestellten Gruppe blieb die Varroa-Population unter der kritischen Grenze und die Völker überlebten.»
«Noch wirkungsvoller ist dieser einfache Trick, wenn die Bienenbeuten in verschiedene Flugrichtungen aufgestellt werden», erklärt Seeley. Bei den dicht aufgestellten Völkern landen nach jedem Flug 20 Prozent der Sammlerinnen in der falschen Bienenbeute. Am Abend sitzen 82 Prozent der Sammlerinnen im falschen Bienenstock – und bringen neue Varroamilben hinein. Wenn die Bienenbeuten locker aufgestellt werden und (!) in verschiedene Flugrichtungen ausgerichtet sind, gibt es nach Seeley nur vier Prozent Verflug. Das kommt schon recht nahe an wilde Bienenvölker, die mindestens 850 Meter Abstand voneinander haben und deshalb überhaupt keinen Verflug kennen.
Zum Schluss des Interviews lehnt sich Thomas D. Seeley zurück und erklärt selbstkritisch: «Wir stehen in der Bienenforschung noch ganz am Anfang. Es ist noch viel Grundlagenforschung nötig, bis wir die Bienen verstehen.» Und dann lacht Seeley sein trockenes Lachen: «Das Verrückte ist, dass uns die Forschung über Kühe 100 Jahre voraus ist.»
Wir bedanken uns herzlich bei Jürg Vollmer für die Erlaubnis, sein Interview hier zu veröffentlichen!
Jürg Vollmer
Journalist, Fotograf und Videojournalist. Ehemals Schweizer Fernsehen SRF, heute für das Newsportal watson.ch. 2008 ausgezeichnet mit dem Schweiz.-Russischen Journalistenpreis. Fachgebiete: u.a. Russland und Ukraine, Radsport sowie Bienenzucht und Imkerei.
www.juergvollmer.ch