


Varroa-Milben und Größe der Bienen-Brutzelle
Unsere inzwischen weltweit verbreiteten europäischen Honigbienen gehen in aller Regel an der im Rahmen der Globalisierung aus Asien eingeschleppten Varroa-Milbe zugrunde. Vor diesem Hintergrund wird in der Lehr- und Versuchsimkerei Fischermühle seit dem Jahr 2002 der Frage nach der Größe von Arbeiterinnen-Brutzellen nachgegangen. Anlass dazu gaben die Berufsimker Lusby in Arizona, die nach eigenen Angaben bei tausend Völkern durch Verkleinerung der Zellgröße eine Varroa-Toleranz geschaffen haben und so ohne Medikamente auskommen.
So 15. Oktober 2006 von Thomas Radetzki BieneMenschNatur.11, Bienengesundheit, Forschung, Varroa
In der Fachpresse wurde diskutiert, ob dies wirklich möglich sei und wenn ja, warum. Plötzlich trat die Frage auf, ob kleinere Brutzellen ehemals das Natürliche gewesen seien. Niemand wusste, was natürlich sei, da in der üblichen Bienenhaltung seit rund hundert Jahren mit künstlichen Waben gearbeitet wird. Als sich auch in alter Literatur kein klares Bild ergab, war die Imkerei Fischermühle gefragt. Hier wird seit zwanzig Jahren mit Naturwabenbau geimkert.
Untersuchungen an der Fischermühle
Bei den Untersuchungen stellte sich heraus, dass der Durchmesser der von Naturschwärmen gebauten Wabenzellen denjenigen üblicher Mittelwände im Durchschnitt weitgehend entsprach. Die Untersuchung zeigte aber auch, dass die Zellgröße von Volk zu Volk verschieden ist. Mittelwände sind die mit einem standardisierten Zellmuster geprägten Wachsplatten, welche die Grundlage für den künstlichen Wabenbau sind. Die Bienen können nicht anders, als sich an das dabei vorgegebene Zellmaß zu halten. Deshalb ist es möglich, dass durch hundert Jahre Zucht eine unbewusste Selektion auf Bienen stattgefunden hat, die größere Zellen bevorzugen. Heute ist eine Zellweite von 5,4 mm normal (siehe Skizze); die kleineren Brutzellen in Arizona sind lediglich 4,9 mm groß.
Die Zellgröße wird ermittelt, indem jeweils 10 Zellen in einer gleichmäßigen Zellreihe zusammen vermessen werden. (Foto: Tobias Stever, privatwissenschaftliches Archiv für Bienenkunde)
Im Jahr 2003 wurde untersucht, ob die Bienen der Lehr- und Versuchsimkerei Fischermühle die kleine Zellenprägung annehmen, wie die Brutnest- und Volksentwicklung verläuft und wie sich die Bienen dabei verhalten. Es zeigte sich, dass einzelne Völker gut mit kleinen Zellen umgehen konnten. So wurden noch im selben Jahr Jungvölker zu Forschungszwecken auf künstlichen kleinzelligen Waben aufgebaut.
Mit diesen Völkern wird seither untersucht, ob sich in unserem Klima und mit unserer Bienenrasse eine verlangsamte Entwicklung des Varroa-Befalls einstellt. Wenn dies der Fall ist, müssten die Völker in dem langfristig angelegten Überlebenstest mit nur einer Varroa-Behandlung im Winter überleben. Im Vergleich zu normalen Bedingungen wäre dies schon ein großer Fortschritt. In der laufenden Untersuchung auf Varroa-Toleranz durch Kleinzellen werden die Völker lediglich einmal mit Oxalsäure (Sprühverfahren) im Winter behandelt. Darüber hinaus werden keine Varroa hemmenden Maßnahmen wie z.B. Drohnenbrutschneiden oder Behandlungen mit Ameisensäure durchgeführt. Die Entwicklung des Befallsniveaus wird über die Jahre hin dokumentiert und festgestellt, wie viele Völker überleben und leistungsfähig bleiben.
Überleben und Sterben der Völker
2004
Vierundzwanzig im Vorjahr gebildete Kleinzellen-Versuchsvölker gingen unbeschadet durch das Jahr 2004.
2005
Anfang 2005 gingen sieben Versuchsvölker (29%) zugrunde. Sie zeigten Symptome von Ruhr und Nosematose. Das sind Darmkrankheiten, die bevorzugt im Zusammenhang mit später Waldhonigtracht auftreten. Die Varroa-Milbe stand als Ursache nicht im Vordergrund. Im gleichen Umfang gingen auch im übrigen Bestand der Imkerei Völker zugrunde. Im April wurde ein Teil der Versuchsvölker in andere Imkereien zur Betreuung übergeben. An der Fischermühle verblieben sechs Völker, Heiner Meier übernahm fünf Völker nach Ulm im Badischen, zu Bodo Peter nach Heilbronn kamen sechs Völker.
2006
Die Überwinterung ins Jahr 2006 verlief in den verschiedenen Imkereien sehr unterschiedlich. In Heilbronn gingen alle Völker zugrunde. Ende August waren sie noch mit durchschnittlich 11.600 Bienen besetzt. Ihr natürlicher Totenfall an Varroa-Milben betrug im August 10,7 Milben pro Tag. Als im Dezember die Varroa-Behandlung erfolgen sollte, waren sie schon alle tot. Der Verlauf des Zusammenbruchs der Völker war typisch für die Varroa-Milbe im Zusammenhang mit Virus-Sekundärinfektionen.
Starkes Kleinzellenvolk baut im Oktober noch Honigwaben hinter dem Schied. (Foto: Norbert Poeplau)
In den beiden anderen Imkereien ergab sich ein gegenteiliges Bild. An der Fischermühle überwinterten die Kleinzellenvölker sehr zufriedenstellend. In einer Vergleichsgruppe mit großem Zellmaß hingegen, die wie die Versuchsvölker keine Sommerbehandlung gegen die Varroa bekamen, überlebte die Hälfte der Völker nicht. In Ulm verhielt es sich ähnlich. Lediglich ein Volk starb durch eine Maus, die in die Bienenwohnung eingedrungen war. Im übrigen Völkerbestand hingegen waren 25% Verluste zu beklagen, obwohl bei diesen Völkern eine wiederholte Behandlung gegen die Varroa-Milben im Spätsommer zuvor erfolgte! Die Volksentwicklung der Kleinzellenvölker war im Jahr 2006 auffällig dynamischer als die sonst eher schleppende Entwicklung der anderen Völker.
An beiden verbliebenen Standorten machten die Völker im September d.J. einen gesunden und kräftigen Eindruck. Auf dem Foto ist der Zustand eines Volkes an der Fischermühle Mitte Oktober sichtbar. Es sitzt auf 10 Dadantwaben und hat hinter dem Trennschied zusammen mit dem Futter noch Waldhonig in einen Wildbau eingetragen. Die Weißtanne hat im Oktober tageweise noch gehonigt. Das ist unsere Hauptsorge in Bezug auf die Überwinterung.
Leichte Bienen?
Bei der Arbeit an den Völkern verwundert es immer wieder, dass die Bienen der Kleinzellenvölker im Gegensatz zu manchen anderen Aussagen nicht kleiner erscheinen als Bienen aus großen Brutzellen. Um die Größe zu überprüfen, wurden zwölf Völkern im Durchschnitt jeweils 401 Bienen entnommen. Die Bienen aus sechs Völkern mit kleinen Zellen wogen im Mittel 0,123 Gramm (min. 0,106, max. 0,132). Auch aus sechs Völkern mit großen Zellen wurden Bienen entnommen. Ihr durchschnittliches Gewicht betrug 0,124 Gramm (min. 0,116 max. 0,139). Die Durchschnittsgewichte von Bienen aus großen und kleinen Zellen waren also nahezu identisch. Der Unterschied betrug lediglich ein Tausendstel Gramm – das ist weniger als einem Prozent des Körpergewichts – und zu vernachlässigen.
Zusammenfassung & Perspektiven
Zum jetzigen Zeitpunkt ist durch diese Untersuchung noch keine seriöse Aussage über Varroa-Toleranz durch Kleinzellen möglich. Tausend Milben pro Volk, wie im Dezember 2005 (siehe Tabelle), fügen unter normalen Umständen keinem Volk erkennbaren Schaden zu. Es bleibt abzuwarten, wie die Volks- und Befallsentwicklung weitergeht. Wie viele Milben werden bei der Behandlung in diesem Winter aus den Kleinzellenvölkern fallen? Ist der Befall auf ein höheres Niveau als im Vorjahr gestiegen? Wie werden die Völker auswintern?
An der Fischermühle und in Ulm wurden in den Jahren 2005 und 2006 Schwärme aus den Versuchsvölkern wieder auf Kleinzellenwaben aufgebaut. Ihre Entwicklung wird im Rahmen des Projektes ebenfalls dokumentiert.
Falls die Versuchsvölker unter den genannten Bedingungen in den nächsten Jahren gesund und kräftig überleben, sollte nach den Ursachen geforscht werden. Außerdem ist für diesen Fall eine Rückführung von Schwärmen der Kleinzellen-Völker auf Naturwabenbau geplant. Werden die Völker dann wieder das gleiche Zellmaß bauen, wie es die Bienen der Urgroßmutter getan hatten, oder wird es verkleinert sein? Wird sich die Populationsentwicklung der Milben dann wieder beschleunigen?
Diese Untersuchungen brauchen einen langen Atem. Wir danken unseren Mitgliedern, Bienenpaten und der Zukunftsstiftung Landwirtschaft für die Unterstützung dabei! Auch allen Imkern, die mitgewirkt haben, sei für die sorgfältige Arbeit gedankt!
Thomas Radetzki