Vielfalt im Stabilbau - Bienenwohnungen von der Natur inspiriert
Viele Bienenhalter lassen sich für neue Bienenbehausungen vom natürlichen Lebensraum der Baumhöhle inspirieren. Wir stellen zwei Konzepte vor, die wir beim diesjährigen Sommerforum an der Fischermühle live diskutieren wollen.
Do 7. Juli 2022 von Katrin Sonnleitner Bienengesundheit, Bienenwohnung, Hypes&Hoffnungen, Naturwaben, Schwarmvermehrung, Veranstaltung, Wesensgemäße Bienenhaltung, Zeidlerei, wildlebende BienenWo Bienen leben und schwärmen, besiedeln sie jegliche geeignete Höhlungen, ursprünglich hauptsächlich Baumhöhlen. Heute gibt es jedoch kaum mehr Waldgebiete, die sich als vielfältige Habitate entwickeln dürfen. Durch die Stadtbienenhaltung fallen auch im urbanen Bereich häufiger Schwärme, für die sich aus Bienenperspektive auch Hohlräume hinter Mauerritzen, in Fassaden oder unterm Dach zum Wohnen anbieten. Leider trifft ihre Anwesenheit jedoch selten auf menschliches Wohlwollen. So sieht die Wohnsituation für Honigbienen weder auf dem Land noch in der Stadt rosig aus.
Hinzu kommt, dass Bienenvölker ohne imkerliche Betreuung mangels Nahrungsvorräten entweder gar nicht über den ersten Winter kommen oder danach aufgrund des Varroabefalls und der von ihr übertragenen Viren eingehen. Da die Höhlen aber oft innerhalb kurzer Zeit wieder von neuen Bienenschwärmen besiedelt werden, wirken sie dauerhaft bewohnt, und dieses Sterben fällt kaum auf.
Eine immer größere Zahl von Bienenbegeisterten ist überzeugt, dass die Beschaffenheit des Wohnraums maßgeblich dazu beiträgt, dass die Bienenvölker Verhaltensweisen entwickeln bzw. an den Tag legen, um sich gegen die parasitisch in den Bienenvölkern lebende Varroamilbe und die von ihr übertragenen Viren zu wehren oder mit ihnen in einem gesunden Gleichgewicht leben zu können. Menschen bauen also wieder Klotzbeuten oder wenden sich der anspruchsvollen Zeidlertradition zu, bei der Bienen in lebenden Bäumen gehalten werden, um sich an der möglichst natürlichen Lebensweise der Bienen zu orientieren. Mit Hingabe entwickeln sie geschreinerte Klotzbeuten oder Baumhöhlensimulationen, die zum Teil mit ausgefeilten Betriebsweisen eine imkerliche Betreuung ermöglichen.
Der renommierte Bienenwissenschaftler Thomas D. Seeley hat jahrzehntelang Bienen, ihr Schwärmen, Leben (und Sterben!) im Wald beobachtet. Von ihm können Interessierte viel über den Ablauf des Schwarmgeschehens und die natürliche Selektion von Bienenvölkern lernen. Aus seinen Erkenntnissen hat Seeley auch Vorschlage für eine naturnahe, „darwinistische“ Bienenhaltung abgeleitet, bei der sich die menschliche Beziehung zu den Bienenvölkern lediglich auf eine Betrachtung aus der Ferne beschränkt. Doch wesensgemäße Bienenhalter und -halterinnen wollen in Beziehung zu diesen zauberhaften Geschöpfen treten. Können so naturnahe Behausungen, das unbehelligte Bienenleben im Stockdunkel mit dem Erleben einer innigen Verbindung verknüpfen?
Beeherohive – autarkes Wohnen für Bienen
Tischlermeister André Deckers hat in Krefeld den Beeherohive erdacht. Zusammen mit André Deckers engagiert sich Frank Pfeifer-Weiß mit der Imkerabteilung des Vereins zur Förderung der Artenvielfalt und des Umweltschutzes Schaephuysen e. V. für die Verbreitung dieser Bienenbehausung.
Der Beeherohive wird auf einem Robinienstamm in den Boden „gepflanzt“ und steht erhöht. (Foto: Beeherohive)
Deckers hält selbst seit vielen Jahren Bienen und meint: „Am natürlichsten ist die Bienenhaltung, wenn der Mensch gar keine Bienen hält. Damit folgt er Seeleys Devise, Bienen seien die besten Imker. Dennoch sieht er den Menschen in der Verantwortung, Bienen Wohnraum zu geben.
Als Vollholzröhre mit einem Volumen von 35 Litern und 10 cm dicker Wandung bietet er aus Deckers Sicht eine ideale Bienenwohnung. Sein Aufbau ist einer natürlichen Baumhöhle nachempfunden und erinnert an eine Klotzbeute. Auf einem Robinienstamm sitzend kann er auch im flachen Land erhöht aufgestellt werden.
Deckers erzählt: „Die Idee habe ich bereits 2018 skizziert und einige Versuchsmodelle hergestellt, bevor dann ein Jahr später, im Rahmen eines Treffens der Mellifera-Regionalgruppe ›Naturwabe Niederrhein‹, der erste Beeherohive beim Publikum auf echtes Interesse stieß.”
Beeherohive - Blick ins Innere: In den Zellen vorne schimmert frisch eingetragener Nektar, im Zentrum des Wabenkörpers ist eine Fläche verdeckelter Arbeiterinnenbrut sichtbar. (Foto: Beeherohive)
Dann beschreibt Deckers den Aufbau des Beeherohive: “Unten im Brutraum bauen die Bienen ihre Waben ohne jegliche Rähmchen-Vorgaben im Stabilbau. Oben kann optional ein kleiner Honigraum eingesetzt werden, um 4-6 kg Honig für den Eigengebrauch zu ernten. Eine Revisionsöffnung haben wir ebenfalls eingebaut, damit das Wabenwerk für gesundheitliche Untersuchungen zugänglich ist.”
Über 30 Beeherohives hat Deckers bis heute in seiner Heimatregion nahe der holländischen Grenze „gepflanzt“, wie er sagt und fügt hinzu: „In einigen der Beeherohives sind Bienenvölker bereits über den dritten Winter gekommen. Ich bin sicher, dass dies damit zusammenhängt, dass die Bienen darin sehr naturnah leben. Sie dürfen weitestgehend frei von menschlicher Manipulation leben und ungestört ihrem natürlichen Hygieneverhalten nachgehen.“
Der Bienenturm – Ein Leichtgewicht aus Schilf
Der Bienenturm kommt mit wenigen Holzteilen aus, die als Bausatz bezogen und leicht selbst zusammengesetzt werden können. (Foto: David Junker) Verwandt im Geiste, nämlich Bienenvölkern eine naturnahe Behausung anzubieten, inspirieren die Bienen David Junkers Leidenschaft für Holz. Er verbindet dies mit einem regional verfügbaren und nachhaltigen Material: Schilfrohr. Schilf verfügt über ähnliche Eigenschaften wie Roggenstroh, was traditionell für Bienenkörbe verwendet wird. Junker erklärt: „Der Bienenturm ergänzt die Eigenschaften einer Klotzbeute, in der die Bienen wie im Baum ihr Brutnest stabil einrichten können um die Dämmwirkung von Schilf, die wie bei Strohbeuten auch dazu beiträgt, dass überschüssige Feuchtigkeit im Winter nicht im Stock kondensiert, sondern leicht die Wände nach außen passieren kann.“
Mittels der Holzbiegetechnik, die Junker sich selbständig angeeignet hat, stellt er in der eigenen Werkstatt schmale Fassungen her, die das Schilf zu leichten, stabilen und warmhaltigen Wandungen für seine Bienenwohnungen bündeln. Zunächst hatte Junker Trogbeuten mit mobilen Waben aus Schilf hergestellt. Danach begann er, sich für Stabilbau zu interessieren und empfand seinen ersten Bienenturm als zylindrische Röhre einer Baumhöhle nach.
Leicht und warmhaltig: Die Dämmwirkung von 5 cm dicken Schilfrohrwänden entspricht der von 10 cm dickem Holz. (Foto: David Junker) Seither habe der Bienenturm einige Veränderungen erfahren, berichtet Junker: „Für eine verantwortungsvolle Bienenhaltung hat er nun auch eine Revisionsöffnung, durch die das Wabenwerk inspiziert und auch eine Futterkranzprobe genommen werden kann. Mittlerweile gibt es auch einen Diagnoseboden, um den Milbenfall zu kontrollieren.“
Mit einem Innenvolumen von etwa 40 Litern entspricht die Behausung der Größe, die Bienen nach Seeley bei der Wohnungssuche bevorzugen. Obwohl die Wände aus Schilf nur 50 mm dick sind, entspricht ihr Dämmwert etwa dem Einsatz von 100 mm Vollholz. Das Gesamtgewicht der Beute kommt je nach Ausstattung auf 10 bis 15 kg. Der Bienenturm kann somit sehr leicht in der Höhe angebracht oder in Bäume gezogen werden, was wieder Seeleys Forschung ergibt, nach der Bienenschwärmen höher gelegene Behausungen bevorzugen.
Stabilbausysteme und Bienenwohl beim Sommerforum im Juli an der Fischermühle
Abgehobene Bienenwohnung? Seit mehreren Jahren leben Bienen imkerlich betreut in der „Rakete“ auf Melliferas Lehrbienenstand. (Foto: Lydia Wania-Dreher)
Auf Melliferas Lehrbienenstand an der Fischermühle leben seit mehreren Jahren Bienen in einer geschreinerten Klotzbeute. Sie war ein Geschenk von begeisterten Kursteilnehmern und ist genauestens durchdacht, um die Bienen darin gesund zu erhalten. Dazu gehört aus wesensgemäßer Sicht auch die Möglichkeit der Varroabehandlung und Fütterung.
Bei unserem Sommerforum 2022 konnten die Teilnehmer*innen alles über ihre Betriebsweise sowie die des Bienenturms und des Beeherohive erfahren und mit David Junker, André Deckers und Frank-Pfeifer Weiß diskutieren.