


Der Weißenseifener Hängekorb
Eine Behausung im Zeichen des Biens
Di 12. Oktober 2021 von Norbert Poeplau BieneMenschNatur.41, Bienenwohnung, Kugelbeute, Weißenseifener Hängekorb, Wesensgemäße Bienenhaltung
„Man muss der Form ansehen, wie die Bienen aus dem Umkreis kommend, der Leitlinie des Anflugtrichters folgend, im Korb Nektar und Pollen abgeben und wieder den Flug in die Weite nehmen …“.
So sprach Günther Mancke über den Weißenseifener Hängekorb. Zu seinen Lebzeiten kreierte der 2020 verstorbene Bildhauer diese besondere Bienenbehausung, welche sich vor allem durch ihre einzigartige Form auszeichnet. Um diese zu verstehen, muss man seinen Blick in die Vergangenheit schweifen lassen …
Dem Wesen nahe
In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ging es vor allem darum maximale Erträge aus der Bienenhaltung zu generieren. Auch bei dem eigenen Hobby sollte in der Wirtschaftswunderzeit möglichst etwas herausspringen. Schon damals begann Günther Mancke als Künstler, sich gegen diesen Zeitgeist stellend, ungewöhnliche Gedanken zu Bienenwohnungen zu machen. Seine Inspiration zog er dabei unter anderem aus langen Beobachtungen seiner Bienenvölker.
Dabei versuchte er, dem Wesen des einzelnen Volkes näherzukommen. Denn selbst langjährigen Bienenhalter*innen fällt es oft schwer, ein Volk in seiner Gesamtheit und seinem Zusammenwirken zu erfassen. Sei es beim neuen Wabenbau, dem Sammeln von Nektar und Pollen oder der Honigbereitung. Mancke wollte dieser Gesamtheit auf den Grund gehen und dem Bien eine ihm entsprechende Hülle bzw. Wohnung in Form eines Bienenkorbes gestalten.
„Bienen sind Vögel, keine Frösche“
Weißenseifener Hängekorb vor der Imkerei Fischermühle im Schnee. (Foto: Norbert Poeplau)
Nach dem Vorbild der Körbe in der Heideimkerei und anfänglichen Versuchen wurde ihm klar: Nein, der Korb sollte nicht lastend auf dem Boden stehen, sondern in einer Höhe von mindestens 2,5 Metern hängen. Denn dieser Raum hoch in der Luft entspricht dem Wesen der Bienen viel mehr. Folgte Günther Mancke damals lediglich seiner Intuition und den Erkenntnissen seiner Beobachtungen, wissen wir heute durch wissenschaftliche Untersuchungen von Tom Seeley, dass sich Bienenschwärme, welche die Wahl haben, stets für die höhergelegenen Behausungen entscheiden. In einem persönlichen Gespräch fasste Günther Mancke den Sachverhalt in dem einfachen Satz zusammen:
„Bienen sind Vögel, keine Frösche“ (Günther Mancke)
Rundliche Formen, die nach umfassenden Plastizierübungen mit Imker*innen zu der, mit der Spitze nach unten hängenden Eiform des Weißenseifener Hängekorb geführt haben, sind auch im Bienenvolk verschiedentlich zu finden. So etwa bei der Winterkugel oder der Schwarmtraube.
Längsschnitt und Darstellung des Funktionsprinzips des Weißenseifener Hängekorbs. (Foto: Günther Mancke)
Neuland auch für alte Imker
Das Prinzip des Mobilbaus durch bewegliche, halbrunde Oberträger macht es möglich, dass Imker*innen, die mit diesem Korb arbeiten, die natürliche „Bewegung“ des wachsenden Wabenwerks im Korb gut beobachten können. Weil halbrunde Oberträger mit unterschiedlichen Durchmessern den Bienen als Haltelinien für ihr nach unten frei hängendes Wabenwerk dienen, ist sehr viel Vorsicht geboten, wenn einmal die größte, mittig hängende Zentralwabe entnommen werden soll. Ein Imker mit jahrzehntelanger Erfahrung der Mittelwand-Imkerei in vierseitigen Rähmchen sagte beim Anblick auf das Wabenwerk der neun Hängekorbrähmchen: „Hier habe ich einen Eindruck von dem Bienenvolk als eine Einheit“.
Der Weißenseifener Hängekorb vor der Imkerei an der Fischerhmühle ist über die Jahrzehnte zu einem Urbild der Bemühungen um die wesensgemäße Bienenhaltung geworden. Tausende Kursteilnehmer*innen und Besucher*innen hatten bisher die Gelegenheit kurz an ihm zu verweilen und die lebendige Formensprache des Korbes zusammen mit dem Bienenflug zu verinnerlichen. Günther Mancke hatte das Anliegen, „… dass der Korb mithelfen möge, dem Wesen des Biens näherzukommen und damit beizutragen, diesem bedeutenden, für Natur und Mensch so wichtigen Tierwesen auch in Haltung und Pflege immer mehr gerecht zu werden“. In diesem Sinn planen wir etwa anderthalb Jahre nach Manckes Tod Anfang März 2022 eine Konferenz mit Weißenseifener-Hängekorb-Freunden an der Fischermühle durchzuführen und im Herbst 2022 einen Flechtkurs für diesen speziellen Korb anzubieten.