Wesensgemäß ist mehr
Demeter weicht seine Richtlinien zur Bienenhaltung auf, zulasten der Bienen – ein Kommentar von Mellifera-Vorstand Johannes Wirz.
Mo 29. Juli 2024 von Johannes Wirz BieneMenschNatur.46, Hypes&Hoffnungen, Wesensgemäße BienenhaltungEs rumort in der Demeter Imkerszene. In langjährigen Untersuchungen wurde Honig von Völkern mit und ohne Königinnenabsperrgitter auf Qualitätsunterschiede geprüft. Unterschiede gab es durchaus, doch wurden sie als geringfügig bewertet. In der Folge hat Demeter e. V. Deutschland die Richtlinien 2024 folgendermaßen erweitert: „Der Einsatz eines Absperrgitters ist zulässig, es muss eine Ausnahmegenehmigung bei Demeter e. V. beantragt werden. Der Einsatz kann eine bienenschonendere Völkerbearbeitung und Honigernte ermöglichen“.
Kontroverse Entscheidung
Die Entscheidung kam nach kontroversen Diskussionen bei einer Delegiertenversammlung 2023 mit einem ganz knappen Mehr zustande und hat in der biodynamischen Imkerschaft zu großen Spannungen geführt, die auch an der schönen Jubiläumstagung „100 Jahre Bienenwesen“ im November 2023 in Kassel spürbar waren.
Die Erweiterung ist ein Zugeständnis an Bienenhalter*innen mit vielen Völkern. Bei uns an der Fischermühle wurden nie Gitter eingesetzt und werden auch in Zukunft nie zum Einsatz kommen. Natürlich ist es eine Herausforderung, den richtigen Zeitpunkt für das Aufsetzen der Honigzargen auf Magazine zu finden.
Und manchmal spielt das Wetter nicht mit. In einer kühlen Nacht steigt die Königin gerne nach oben der Wärme nach und es geschieht auch, dass Regentage das Sammeln von Nektar verhindern und die Königin Zeit und Lust findet, in der Honigzarge zu legen. Verläuft das Aufsetzen optimal, ist die Freude groß. Misslingt es, werden Honigwaben mit Brut bei der Ernte einfach aussortiert und zum Schlüpfen in die Völker zurückgehängt. In der Einraumbeute sind Absperrgitter sowieso kein Thema.
Das zweite Tabu wackelt
Jetzt soll an der nächsten Delegiertenversammlung an einem zweiten Tabu gerüttelt werden. Unter „Verarbeitungshonig fließfähig machen“ soll darüber entschieden werden, ob die Erwärmung von Honig, so dass er dauerhaft flüssig bleibt, zugelassen werden soll. Einerseits kann ich den Wunsch von Erwerbsimkern verstehen, zumal ja solche Honige meist irgendeinmal sowieso verflüssigt werden.
Andererseits scheint mir das Vorhaben bedenklicher als das Absperrgitter. Es ist bekannt, dass bereits bei 42°C die ersten Eiweiße im Honig denaturiert und mit steigender Temperatur und längerer Dauer weitere wertvolle Eigenschaften zerstört werden. Klar darf man argumentieren, dass Honig in der Verarbeitung oft erwärmt werden muss, doch gehört es für mich zu den Qualitätsansprüchen der Demeter Bienenhalter, den bestmöglichen Honig abzugeben. Es ist für mich deshalb logisch, dass er nach dem Schleudern ohne jegliche Erwärmung rasch abgefüllt wird.
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es starke Kräfte gibt, die Demeter Richtlinien weiter zu „konventionalisieren“. In der Gerüchteküche wird gemunkelt, dass auch über Mittelwände und künstliche Königinnenzucht in der Demeter Imkerei nachgedacht wird. Für beides können „gute Gründe“ vorgebracht werden.
Wenn wir jedoch an die Arbeitervorträge von Rudolf Steiner denken, in welchen das Wabenwerk als „Skelett“ des Bienenvolkes (oder des Biens) bezeichnet wird, liegt es nahe, dieses zentrale Organ durch die Bienen selbst errichten zu lassen. Der Anblick frisch gebauter schneeweißer Waben erfüllt mich auch nach mehr als 25 Jahren als Bienenhalter jedes Mal neu mit Staunen und Ehrfurcht.
Künstliche Königinnenzucht? Nein, danke!
Ehrlich gesagt kann ich nicht glauben, dass das Verbot der künstlichen Königinnenzucht in den Demeter Richtlinien jemals ausser Kraft gesetzt werden wird. Dafür sprechen zwei Gründe. Erstens sind die Arbeitervorträge über das Wesen der Bienen durch die Frage des Imkers Müller entstanden, der von Steiner wissen wollte, wie er über die damals neue Züchtungsmethode denke. Undogmatisch und freundlich hielt er fest, „dass ich nicht einsehen würde, auch von gar nicht geisteswissenschaftlichem Standpunkte, dass natürlich die künstliche Bienenzucht zunächst im ersten Anhub etwas für sich hat, denn es wird natürlich manches erleichtert; aber dieses starke Zusammenhalten, ich möchte sagen, einer Bienengeneration, einer Bienenfamilie, das wird dadurch doch auf die Dauer beeinträchtigt werden.
Man wird heute noch allgemein die künstliche Bienenzucht, wenn alle die Vorsichtsmaßregeln getroffen werden, die Herr Müller ausgeführt hat, natürlich in gewisser Beziehung nur loben können. Aber wie die Sachen in fünfzig oder achtzig Jahren sind, das muss abgewartet werden, denn da werden einfach gewisse Kräfte, die bisher im Bienenschwarm organisch wirkten, mechanisiert, die werden mechanisch gemacht. Es ist nicht mehr jene innige Verwandtschaft herzustellen zwischen der gekauften Bienenkönigin und den Arbeitsbienen, wie sie sich herstellt, wenn die Bienenkönigin von der Natur selber da ist. Aber in der allerersten Zeit macht sich so etwas noch nicht geltend“.
Zweitens erlauben die Demeter Richtlinien bereits heute ausdrücklich, dass zur „züchterischen Auslese […] die Umweiselung mit aus dem Schwarmprozess hervorgegangenen Königinnen und Schwarmzellen erlaubt (ist).“ Bienenhalter*innen dürfen also bereits heute Königinnen ihrer Wahl in andere Völker einsetzen. Ich denke, dass diese Möglichkeit lediglich von Imker*innen mit vielen Völkern genutzt wird. Mehr ist nicht nötig.
Der langjährige Mellifera-Imkermeister Norbert Poeplau hat in seinen Vorträgen immer wieder darauf hingewiesen, dass die Demeter Richtlinien die unterste Ebene von wesensgemäß darstellten und von vielen Imkern mit wenig Völkern durch Beziehung und Hingabe, Achtung und Liebe auf höhere Ebenen gebracht und weiterentwickelt würden. Lasst uns so hoch steigen wie nur möglich und den tiefen Fall verhindern!