


Zuckerfütterung und Bienengesundheit
Niemandem käme es in den Sinn, ein halbes Jahr lang nur Kartoffeln zu essen. Schwäche und Gesundheitsprobleme wären sicherlich eine Folge. Die Erkenntnis, dass auch die Überwinterung der Völker auf reinem Zucker genauso problematisch ist, setzt sich endlich durch.
Di 26. Mai 2015 von Johannes Wirz BieneMenschNatur.28, Bienengesundheit, Forschung
Neben den auf jedem Honigglas deklarierten Trauben- und Fruchtzucker gibt es noch ca. 30 andere Zuckerarten. Darüber finden sich in geringen, aber substanziell wichtigen Mengen auch Bakterien, Eiweiße, Polyphenole, Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente und freie Aminosäuren. In der Humanmedizin ist längst bekannt, dass Honig die Gesundheit stärkt und das Wachstum von Bakterien, Viren und Pilzen hemmt. Für die Beschleunigung der Wundheilung sind viele Honigprodukte auf dem Markt. Nicht zuletzt werden Wundbakterien durch Wasserstoffperoxid abgetötet, das durch ein Enzym, die Glukose Oxidase, im Honig gebildet wird. Es steht außer Zweifel, dass Honig vergleichbare positive Effekte auch für die Bienen aufweist.
Mirjancic et al. (ohne Jahrgang) untersuchten die Effekte verschiedener Futterzusammensetzungen auf das Gewebe im Mitteldarm und die Lebensdauer von Bienen. Neben Akazienhonig wurden die Versuchsvölker (jeweils 200 Bienen in kleinen Experimentierkästchen ohne Königin und Brut) mit reinem Zuckerwasser, Zugabe von Hefeextrakt oder Bierwürze, und verschiedenen Kombinationen dieser Komponenten gefüttert. Das Darmgewebe wurde durch die verschiedenen Zuckerfütterungen geschädigt.
Auffällig waren auch Unterschiede der Lebensdauer von Winterbienen. Die mit Honig gefütterten lebten durchschnittlich 27 Tage lang, die mit Säure invertiertem Zucker lediglich 12 Tage. Alle anderen Futterkombinationen lagen zwischen den beiden Werten. Reine Zuckerfütterung und enzymatisch invertierte Zuckerfütterung lagen mit 22 bzw. knapp 24 Tagen vor allen anderen Variationen der Futterzubereitung.
Zum Glück verarbeiten die Bienen jede Zuckerfütterung zu einer honigähnlichen Substanz, wie bereits Rudolf Steiner mit Recht angemerkt hat. Werden außerdem, wie von Mellifera erprobt und heute in den Demeter-Richtlinien festgeschrieben, auch Kamille und Honig dem Futter beigemischt, wird die problematische Zuckerfütterung wesentlich verbessert. Doch selbst wenn das Versuchsdesign weit entfernt ist von der Wirklichkeit der Völker in einem Bienenkasten, sind die Schädigungen des Verdauungstraktes und die Verminderung der Lebensdauer Tatsache!
Wheeler und Robinson (2014) untersuchten den Einfluss von Honig, HFCS (Maissirup) und Rübenzucker auf die Genexpression im Fettköper von Bienen. Weil bekannt ist, dass Mangelernährung zu einer geringen Immunabwehr und einer erhöhten Empfindlichkeit gegenüber Pestiziden führt, wollten die Autoren erforschen, was auf der Ebene der Genexpression geschieht. Im Fettkörper von Bienen, die mit Honig gefüttert wurden, waren über 100 Gene mehr aktiviert als bei denjenigen, die nur HFCS erhielten. Im Vergleich mit Rübenzucker gefütterten waren es sogar mehr als 220 Gene. Der Unterschied zwischen den Gruppen, die entweder Sirup oder Zucker erhielten, betrug lediglich acht Gene. Durch die „chemisch reinen“ Sirup- oder Zuckerlösungen wurde also eine grosse Zahl von Genen stillgelegt. Unter diesen still gelegten Erbfaktoren waren einige mit wichtigen physiologischen Eigenschaften. Sie betreffen den Eiweiß- und Aminosäurenstoffwechsel im Zusammenhang mit Immunabwehr und Hirnfunktionen sowie Entgiftungsprozesse, z.B. von Alkaloiden und Pestiziden.
Die Autoren schließen, dass „Bienen von der Honigfütterung Nahrungskomponenten erhalten, welche in keinen anderen Fütterungsquellen, die in der Bienenhaltung in grossem Stil verabreicht werden, enthalten sind“. Lassen wir den Bienen also genug Honig!
Dr. Johannes Wirz, Mellifera e. V.
Bildnachweis: Hermann Auinger, Zucker (CC BY-NC-ND 2.0)