Pestizide sind chemische Gifte, die zur Abwehr, Vernichtung oder Bekämpfung von unerwünschten Insekten, Wildkräutern und Pilzen eingesetzt werden. Sie werden in der konventionellen Landwirtschaft, im Gartenbau und Forst, aber auch im Kleingartenbereich sowie auf Wegen und Plätzen verwendet. Man unterscheidet Herbizide (Unkrautvernichtungsmittel) und Insektizide (Insektenvernichtungsmittel).
Pestizide wurden dafür entwickelt, um Insekten zu töten und Wildkräuter zu vernichten. Viele Pestizide sind auch für die menschliche Gesundheit gefährlich: Sie können durch ihre hormonelle Wirkung unfruchtbar machen, das Erbgut und Nervensystem schädigen und Krebs verursachen.
Der meisteingesetzte Herbizid-Wirkstoff ist Glyphosat, der u.a. im Breitbandherbizid Roundup von Monsato zum Einsatz kommt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat Glyphosat als „wharscheinlich krebserzeugend für den Menschen“ eingestuft. Besonders kritisch ist die Praxis der Sikkation: Vor allem in nassen Sommern wird einige Tage vor der Ernte von Getreide, Raps und Leguminosen das Gift ausgebracht, nicht etwa, um Unkräuter zu vernichten, sondern um die Reifung des Getreides zu beschleunigen! In Anbetracht dieser Praxis ist nicht verwunderlich, dass Studien des BUND ergeben haben, das bei 70 Prozent der getesteten europäischen Großstädter Glyphosat im Urin nachgewiesen werden konnte.
Zu den besonders wirksamen Insektiziden gehören die Neonicotinoide, eine Gruppe von hochwirksamen Nervengiften, die meist als Beizmittel zur Saatgutbehandlung eingesetzt werden und sich durch ihre hohe Wasserlöslichkeit in der ganzen Pflanze verteilen. Dadurch wirken sie systemisch und schädigen auch Honigbienen, Hummeln und Schmetterlinge. Bereits geringste Dosen dieser Gifte schädigen die Gedächtnisleistung und das Navigationsvermögen von Honigbienen – viele finden nicht mehr zu ihrem Stock zurück und verenden. Nachdem vermehrt die Vergiftung ganzer Bienenvölker durch Neonicotinoide bekannt wurde, schränkte die EU-Kommission im Jahr 2013 die Verwendung der besonders bienenschädlichen Wirkstoffe Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam massiv ein. Das von Mellifera e. V. koordinierte Bündnis zum Schutz der Bienen hatte lange für dieses Verbot gekämpft. Mehrere Studien belegen, dass Neonicotinoide nicht nur Blütenbesucher schädigen, sondern sich auch in Gewässern anreichern, Bodenorganismen wie Regenwürmer dezimieren und indirekt sogar auch Vögel und andere Tiere gefährden, die sich von den Insekten ernähren.
Bislang fast gar nicht. Obwohl es mittlerweile erdrückende Beweise für die schädlichen Wirkungen der Pestizide gibt, verlässt sich die Politik weitgehend darauf, dass die Ausbringung der Pestizide sicheren Anwendungsvorschriften der Hersteller folgt. Gleichzeitig überschwemmen die großen Chemiekonzerne, die die Pestizide herstellen, den Markt mit selbstfinanzierter „Wissenschaft“, die die Beweislast anzweifeln und die schädliche Wirkung ihrer Produkte herunterspielen. Kontrollen der Landwirte finden nur stichprobenartig und über sehr große Zeiträume verteilt statt – in ganz Deutschland gibt es nur 109 Kontrolleure, die für über 300.000 landwirtschaftliche Betriebe zuständig sind! Das möchten wir mit den Umweltspähern ändern.
Die Grundlage des Umweltspähers ist die Entdeckung von Prof. Dr. Randolf Menzel zur sozialen Kommunikation im Bienenvolk. Die elektrostatische Aufladung des hoch isolierten Insektenkörpers wird von den Bienen nicht nur wahrgenommen, sondern auch als soziales Signal verwendet. Bei seiner Erforschung der elektrischen Koloniesignale (EKS) fand Prof. Menzel heraus, dass Pestizide die soziale Kommunikation im Bienenvolk erheblich beeinträchtigen. Insbesondere verändert sich die Tanzaktivität auf der Wabe, für deren Registrierung das System optimiert ist. Die elektrostatischen, vibratorischen und akustischen Signale der Tanzaktivität werden in Echtzeit erfasst und hinsichtlich ihrer Frequenzkomponenten analysiert. Dadurch lässt sich eine Art „Fingerabdruck“ für bestimmte Zustände im Volk extrahieren. Die Veränderungen der charakteristischen Signalkonstellationen erlauben genaue Aussagen über den Gesundheitszustand des Volkes und die Umweltbelastungen, denen es ausgesetzt ist. Dies eröffnet ein völlig neues Verfahren, um Pestizidbelastungen zeitnah und mit großer räumlicher Auflösung zu erfassen und über das Internet zu melden.
Die Technik ist inzwischen so weit entwickelt, dass Prof. Menzel und sein Team die Pestizidbelastungen einer Testfutterstelle anhand der elektrischen Signale im Bienenvolk registrieren kann. Nach aktuellem Forschungsstand können insbesondere die Effekte der Gruppe der Neonikotinoide durch das Umweltspäher-Verfahren eindeutig erkannt und zugeordnet werden. Prof. Menzels Ziel ist es, auch weitere in der Landwirtschaft eingesetzten Mittel zu prüfen, insbesondere das Herbizid Glyphosat, bei welchem er eine ähnliche schädliche Wirkung auf die Gedächtnisleistung und das Navigationsvermögen von Honigbienen festgestellt hat.
Das Umweltspäher-Verfahren ist jedoch nicht auf spezifische Wirkstoffe ausgerichtet: Da nahezu alle Pestizide entweder direkt oder indirekt auf das Gehirn der hochsensiblen Bienen wirken, muss bei nicht-tödlichen Dosen mit Verhaltensänderungen gerechnet werden, die sich auf die soziale Kommunikation im Stock auswirken. Genau das wird durch das Messverfahren sichtbar und soll jetzt in einem ersten Freilandexperiment getestet werden.
Eine wichtige Ursache für das Bienensterben ist die zunehmende industrielle Intensivierung unserer Landwirtschaft. Ständiges Mähen, „Unkrautvernichtung“ und Flurbereinigung rauben Honigbienen und anderen bestäubenden Insekten die Nahrungsgrundlage. Mellifera e. V. kämpt deshalb schon seit vielen Jahren gegen die Anpflanzung gentechnisch veränderter Organismen und den Einsatz von Pestiziden und macht sich für eine nachhaltige, bäuerliche Landwirtschaft stark.
Da es als Einzelner schwer ist, sich gegen mächtige und globale Konzerne zu wehren, gründeten wir 2006 das „Bündnis zum Schutz der Bienen“ , ein Zusammenschluss von Imker-und Naturschutzverbänden. Das Bündnis feierte 2011 seinen Sieg über den Goliath der Genindustrie: Der Europäischen Gerichtshof hatte mit seinem „Honigurteil“ unsere Sichtweise bestätigt.
Auf diesem Erfolg möchten wir aufbauen und auch der Pestizid-Industrie ein Bein stellen. Vor dem Hintergrund unserer Arbeit zum Schutz der Bienen finden wir die Umweltspäher von Prof. Menzel unglaublich wichtig. Deshalb haben wir die Initiative ergriffen und eine Crowdfunding Aktion gestartet, damit seine Umweltspäher-Stationen in einem ersten Freilandexperiment getestet und weiter optimiert werden können.
Es versteht sich von selbst, dass die großen Chemiekonzerne keine Gelder für die Forschung von Prof. Menzel übrig haben, deren Ergebnisse ihnen erhebliche Gewinneinbußen bescheren könnten. Doch leider sind es gerade die großen, weltweit agierenden Wirtschaftsakteure, die die Bundesregierung, das Bundesministerium für Bildung und Forschung und das Kanzleramt in die Planung der Forschungspolitik einbeziehen und die damit einen erheblichen Einfluss auf die Vergabe von Forschungsgeldern haben. Gerade beim Thema der Pestizide sind unabhängige Studien absolute Mangelware. Um das zu ändern, haben wir die Crowdfunding Aktion gestartet.
Dieser Artikel aus der ZEIT zeigt, warum unsere Crowdfunding-Kampagne für eine unabhängige Forschung so wichtig ist: www.zeit.de/studium/hochschule/2015-02/wissenschaft-drittmittel-hochschulwatch
Mit den Spenden aus der Crowdfunding-Aktion soll eine neue Generation Umweltspäher finanziert werden, die 2016 zum Einsatz kommt. Aus technischen Gründen verzögerte sich der Start der neu eingerichteten Gemeinschaftscrowd. Mit den Umweltspähern waren wir zwar bei den ersten Projekten der Plattform, aber die erfolgreich gesammelten Gelder waren erst Mitte August verfügbar. Zu diesem Zeitpunkt war die Bienensaison allerdings schon fast zu Ende. Um das Jahr 2015 für die Entwicklung zu nutzen, hat Prof. Menzel zunächst mit einem ersten Prototyp des bisher nur im Forschungsbetrieb verwendeten Umweltspähers gearbeitet. In Zusammenarbeit mit kooperierenden Imkern, die ihre Bienenstöcke dafür zur Verfügung stellten, stand dabei die Überführung der wissenschaftlichen Erkenntnisse in die imkerliche Praxis im Vordergrund. Es zeigte sich, dass die zurzeit eingesetzte Technik noch besser an die Praxis angepasst werden muss.
Prof. Menzel schreibt dazu auf seiner Webseite: „Bisher sind möglichst schnelles Internet, ein Stromanschluss und eine Verkabelung am Bienenstand notwendig, um den Aufbau zu betreiben. Das widerspricht der Realität in der Imkerei, die sich oft durch Standorte fern von schnellen Internetanschlüssen und einen häufigen Standortwechsel der Völker auszeichnet. Deshalb sind viele unserer nächsten Planungen auf die Praktikabilität dieser Methode gerichtet, um so in der nächsten Phase des Projektes mit Batterien und Funkübertragung auszukommen. Wir erwarten dann eine deutlich breitere Anwendung.“
Diese neue Technologie wird zurzeit entwickelt und in eine neue Generation Umweltspäher eingebaut, die mit den inzwischen verfügbaren Spenden des Crowdfunding finanziert werden soll. Damit kann im nächsten Jahr ein online-gestütztes Netz aufgebaut werden, durch das Bienenvölker Pestizidbelastungen in der Umwelt aufspüren sollen. (3.11.2015)
Nein! Die Bauern sind nicht die Bösen: Bei den Umweltspähern geht es nicht darum, Landwirte zu kriminalisieren, die Pflanzenschutzmittel ausbringen. Es geht darum, die schädlichen Auswirkungen von Pestiziden auf Honigbienen und andere „Nichtzielorganismen“ besser dokumentieren zu können. Das derzeitige Verfahren, um Pestizidbelastungen festzustellen, beruht darauf, dass stichprobenartig und über große Zeiträume verteilte Bodenproben genommen werden, die dann einer chemischen Analyse unterzogen werden. Leider ist diese aufwändige Analytik viel zu teuer, um sie flächendeckend durchzuführen. Vor diesem Hintergrund fällt es den Herstellerfirmen bislang leicht, die schädlichen Wirkungen ihrer Mittel herunterzuspielen und einige Wirkstoffe, wie das neue Neonicotinoid Thiacloprid als „bienenfreundlich“ zu bewerben, obwohl die Effekte auf die Honigbienen in der Fläche noch gar nicht hinreichend erforscht sind und in den Laborversuchen von Prof. Menzel sehr wohl eine erhebliche Beeinträchtigung des Navigationsvermögens der Bienen festgestellt wurde. Wir gehen davon aus, dass das Umweltspäher-Verfahren es deutlich einfacher machen wird, die schädlichen Effekte der Pestizide im Freiland nachzuweisen.
Gleichzeitig geht es darum, auf der Basis der Daten der Umweltspäher endlich strengere Regeln für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln durchzusetzen. Sogar die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) kritisiert die unzureichende Risikobewertung in den derzeitigen Zulassungsverfahren: www.efsa.europa.eu/de/press/news/130704.htm
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Sarah Bude
Öffentlichkeitsarbeit
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Crowdfunding erfolgreich beendet! Vom 16. Juni bis 05. August 2015 sind insgesamt 28.681 € zusammengekommen! 1.000 Dank dafür!!!