„Es geht um das Begreifen von Zusammenhängen“
Mit ihrer Wahl zur stellvertretenden Vorsitzenden des Landesverbands Bayerischer Imker vor einem guten Jahr hat Sonja Heinemann für einigen Wirbel gesorgt. Sie ist jung, sie ist eine Frau, sie hält ihre Bienen wesensgemäß. Und sie imkert erst seit 2007. Aber sie hat jede Menge Power und Ideen und ein klares Ziel: Sie möchte, dass die Menschen Zusammenhänge begreifen. Und dabei spielen die Bienen eine wichtige Rolle.
So 27. Oktober 2013 BieneMenschNatur.25, Bienengesundheit, InterviewSonja Heinemann bei ihrer zweitliebsten Beschäftigung, dem Fotografieren. BMN: Liebe Sonja, wusstest Du schon immer, dass Du Dich mit Bienen beschäftigen möchtest?
SH: Nein, ganz und gar nicht. Auch wenn das viele glauben, weil mein Vater etwa zwanzig Jahre lang begeisterter Hobby-Imker war. Aber ich wollte lange Zeit nichts von den Bienen wissen. Das Gesummse und die Stiche wollte ich mir nicht antun.
BMN: Und warum hat sich das dann so geändert?
SH: Als mein Vater aus gesundheitlichen Gründen mit der Imkerei aufhörte, habe ich auf einmal gemerkt: Da fehlt was. Also habe ich meinen Mut zusammengenommen, mir über Bekannte einen Imkerpaten vermitteln lassen und zwei Bienenvölker gekauft. Dem Imkerpaten bin ich sozusagen zwei Jahre lang nachgelaufen und habe viel von ihm gelernt, das wir erst an seinen Bienen gemacht und dann an meinen Bienen umgesetzt haben.
BMN: Und wie ist das jetzt mit dem Gesummse und den Stichen?
SH: Na ja, in der ersten Zeit waren die Stiche fast unerträglich, aber jetzt macht es mir nicht mehr soviel aus. Außerdem haben die Bienen und ich inzwischen Freundschaft geschlossen. Und ich habe gelernt, dass das Gesummse wichtig ist. Sonst gibt es nämlich keine Bienen mehr. Und das wäre für uns alle schlimm.
Im Anfängerkurs lassen sich Frauen gerne von Sonja Heinemann das Imkern nahe bringen. BMN: Was bedeuten die Bienen für Dich persönlich?
SH: Bienen sind für mich absolut faszinierend; sie lassen mich einfach nicht los. Und sie helfen dabei, Zusammenhänge zu begreifen. Zusammenhänge in der Natur, aber auch Zusammenhänge, was in unserer modernen Welt alles so abläuft.
BMN: Kannst Du das ein wenig näher erklären?
SH: Ja, klar. Nimm das Beispiel Monsanto mit den Gentechnikpflanzen und den Insektiziden. Durch das Honig-Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist vielen Menschen erst bewusst geworden, das Bienen Gentechnikpollen verbreiten. Und dass Pflanzenschutzmittel die Bienen gefährden, hat inzwischen auch die EU-Kommission begriffen und deshalb erst einmal für zwei Jahre die Neonicotinoide verboten. Aber es geht dabei doch nicht nur um die Bienen. Es geht um uns alle, um jeden Einzelnen von uns. Ich bin davon überzeugt, dass uns die Bienen überleben werden; die sind Millionen von Jahren prima ohne uns klargekommen. Aber was lassen wir Menschen uns eigentlich von der Industrie alles gefallen? Und da helfen die Bienen dabei, das System zu verstehen. Wenn ich das System nicht verstehe, kann ich auch nichts tun. Aber ich finde, jeder hat die Pflicht, etwas zu tun. Man kann auch sagen: Die Bienen reden mit uns, aber fast niemand hört wirklich zu.
BMN: Und deshalb engagierst Du Dich auch auf Verbandsebene für die Bienen?
SH: Ja, das ist einer der Gründe dafür. Obwohl man da manchmal ganz schön dicke Bretter bohren muss, weil viele Gewohnheiten einfach festsitzen und Veränderungen in den alten Strukturen nur langsam möglich sind. Ich finde, die Imkerverbände und -vereine müssen sich öffnen für junge, ökologisch interessierte Leute, die die Motivation haben, etwas Gutes für die Bienen zu tun und für die nicht der Honigertrag an erster Stelle steht. Mit dem typischen Vereinsleben kann man diese Menschen nicht ansprechen. Aber dann werden sie auch nicht aufgefangen und so zu „Schwarzimkern“, die keiner der organisierten Imker haben will. Um das ganz deutlich zu machen: Es geht mir nicht um eine Konfrontation „hier die Ökos, dort die konventionellen Imker“, bei der beide für den anderen irgendwie die Bösen sind. Es geht um die Sache. Nicht darum: „Was wollen wir für die Imker erreichen?“, sondern: „Was wollen wir für die Bienen erreichen?“
Lehrbienenstand im Freilichtmuseum, den Sonja Heinemann mit ihrer Mitimkerin Annette Seehaus-Arnold renoviert hat.
BMN: Was hast Du denn bislang alles für die Bienen auf die Beine gestellt?
SH: Na ja, ganz verschiedene Dinge. Zusammen mit meiner „Mit-Imkerin“ Annette Seehaus-Arnold habe ich zum Beispiel ein altes Bienenhaus in einem Freilichtmuseum in unserer Nähe wiederbelebt und zu einem Lehrbienenstand umgebaut. Da geben wir jetzt zu viert – wir und zwei Männer – von April bis Mitte Juli Kurse für maximal 15 Teilnehmer. Das läuft inzwischen richtig gut. Und das Schöne ist: Die meisten wissen zu Beginn des Kurses noch gar nicht, ob sie selber imkern wollen, sondern kommen „bloß“ aus Interesse für die Zusammenhänge. Die meisten entscheiden sich dann trotzdem Ende des Jahres fürs Imkern. Eine kleine Revolution war es, als ich erstmals einen Schnupperkurs für Frauen angeboten habe. Was haben die Kollegen da nicht geunkt: „Da kommt doch niemand!“, hieß es. Und am Anfang sah es auch so aus. Bis vier Tage vor Kursbeginn hatten sich nur ganz wenige angemeldet, doch auf einmal waren es so viele, dass der Kurs geteilt werden musste. Und als ich fragte, warum sie sich für diesen Kurs entschieden hätten, antworteten mir die Frauen durch die Bank: „Weil der Kurs von einer Frau gehalten wird! Das Imkern ist bestimmt anders, und man traut sich auch mehr.“ Außerdem halte ich Vorträge, ich biete Naturführungen an, und ich zeige auch auf verschiedenen Demonstrationen für die Imker Flagge. Ach, und es gäbe noch tausend Dinge, die ich eigentlich tun müsste…
Die treue Begleiterin von Sonja Heinemann, ihre Hündin Merle. BMN: …aber ganz nebenbei hast Du ja auch noch eine eigene Firma und einen Hund. Hat der Tag in der Rhön eigentlich mehr als 24 Stunden, oder wie schaffst Du das alles?
SH: Das wäre schön! Nein, der Vorteil ist, dass ich selbständig bin.
BMN: Das heißt, Du arbeitest selbst und ständig?
SH: Ja, da ist was dran. Aber dadurch kann ich mir meine Zeit ein bisschen freier einteilen als andere. Natürlich geht ein Arbeitstag bei mir bis abends um zehn. Aber ich genieße auch das Leben und gönne mir zwischendrin etwas Gutes. Dann lässt sich das alles schaffen.
Das Gespräch führte Sabine Armbruster.