Herbstanemone
Zweig

Bioäcker zu Refugien für gefährdete Ackerwildkräuter entwickeln

Wie lassen sich gefährdete Ackerwildkräuter auf Bioäckern wieder anzusiedeln? Zu dieser Frage arbeiten Forscherteams aus Freising und Witzenhausen in dem Projekt „Wiederansiedlung von Ackerwildkräutern“ zusammen.

Mi 5. März 2014 BieneMenschNatur.26, Forschung
Feldversuch in Freising mit blau blühendem Feld-Rittersporn (Foto: Prof. Dr. Johannes Kollmann)
Feldversuch in Freising mit blau blühendem Feld-Rittersporn (Foto: Prof. Dr. Johannes Kollmann)

Der Getreide- und Hackfruchtbau auf Biobetrieben kann sich positiv auf eine vielfältige Ackerbegleitflora und die auf diese angewiesenen Tierarten auswirken, wenn entsprechende Arten noch vorhanden sind und die Bekämpfungsmaßnahmen eine gewisse Intensität nicht übersteigen. Viele Vergleichsuntersuchungen der Ackerwildkraut-Vegetation ökologisch und konventionell bewirtschafteter Felder belegen deutlich höhere Artenzahlen auf Bioäckern. In manchen Betrieben ist der Samenvorrat der Felder durch konventionelle Vorbewirtschaftung mit Herbiziden jedoch so verarmt, dass standorttypische Ackerwildkräuter auch nach der Umstellung auf Ökologischen Landbau die Besiedlung solcher Äcker nicht mehr schaffen.

Wie lassen sich gefährdete Ackerwildkräuter auf Bioäckern wieder anzusiedeln? Zu dieser Frage arbeiten Forscherteams aus Freising und Witzenhausen in dem Projekt „Wiederansiedlung von Ackerwildkräutern“ (www.ackerwildkrautschutz.de) zusammen. In Freising wird in Feld- und Gewächshausversuchen die Etablierung und Konkurrenzfähigkeit gefährdeter Arten (Feld-Rittersporn, Acker-Steinsame, Echter Frauenspiegel) nach Aussaat in Getreidekulturen untersucht, während in Witzenhausen auf drei Biobetrieben getestet wird, mit welchen neuen Verfahren sich auf botanisch verarmten Äckern Wildkräuter wieder ansiedeln lassen. Das Saatgut stammt nicht von irgendwoher, sondern wirklich aus der Umgebung, ist also „autochthon“: Nur dann ist garantiert, dass keine Florenverfälschung durch Pflanzen gebietsfremder Herkünfte stattfindet. Denn leider gibt es genug Negativbeispiele, in denen z.B. gefüllte Kornblumen in verschiedenen Farbvarianten angesiedelt wurden oder nicht standortangepasste Pflanzen sich mit heimischen Populationen mischen und diese durch Einkreuzung verändern. In den 2011 begonnenen Versuchen wird außer mit selbst gesammeltem und vermehrtem Saatgut auch mit der Übertragung von Oberboden von artenreichen auf artenarme Flächen gearbeitet. Die Versuchsergebnisse werden Ende 2014 in einen Praxisleitfaden münden.

Die Förderung von Ackerwildkräutern in Getreidefeldern stellt eine Alternative zur Anlage von Blühflächen und Blühstreifen dar, die in der konventionellen Landwirtschaft vor erneutem Anbau von Kulturpflanzen nicht selten mit Roundup beseitigt werden. Solche im Frühjahr angelegten einjährigen Streifen bestehen aus frostempfindlichen Pflanzen wie Gelbsenf, Buchweizen und Phacelie, bieten blütenbesuchenden Insekten Nahrung und weiteren Tieren Lebensraum und auch etwas fürs Auge – für den Ackerwildkrautschutz können sie jedoch kontraproduktiv sein, wenn sie anstelle klassischer Ackerrandstreifen angelegt werden, da die Frühjahrsansaat Herbstkeimern kaum Entwicklungsmöglichkeiten bietet. Das zwischen dem „Netzwerk Blühende Landschaft“ und dem Ackerwildkraut-Projekt „100 Äcker für die Vielfalt“ abgestimmte Positionspapier „Vielfalt aus der Samentüte“ gibt Hinweise, wo und wie die Anlage solcher Blühstreifen auch im Ökolandbau Sinn macht (abrufbar unter www.bluehende-landschaft.de).

Dr. Thomas van Elsen und Prof. Dr. Johannes Kollmann


Biene sitzend auf Blüte