

Das Leben mit den Bienen - ein Bild
Interview mit Albert Muller
Mi 8. Dezember 2004 BieneMenschNatur.07, Wesensgemäße Bienenhaltung
Albert Muller ist langjähriger Mitarbeiter bei Seminaren an der Lehr- und Versuchsimkerei Fischermühle. Er kommt aus den Niederlanden. Dort engagiert er sich in hervorragender Weise für die wesensgemäße Bienenhaltung. Im Umgang mit den Bienen findet Albert Muller Bilder für soziale Prozesse in der Gesellschaft.
BMN: Du kommst regelmäßig an die Fischermühle als Vortragsredner, Teilnehmer und Leiter von Kursen. Wie ist es zu der ersten Zusammenarbeit gekommen?
A. M.: Ich habe auf biologisch-dynamische Weise geimkert und mich in einer Arbeitsgruppe engagiert. Aus dieser Arbeitsgruppe heraus war ich damals regelmäßig zu Imkertreffen am Goetheanum in Dornach (CH). Wir haben eine große Insektentagung vorbereitet. Dort lernte ich Thomas Radetzki kennen. Bei dieser Insektentagung hat er mich gefragt, ob ich mich mit dem Faschingseminar an der Fischermühle verbinden wollte. Wir haben das dann ein Jahr lang ausprobiert, ja, und seitdem halte ich jedes Jahr an der Fischermühle einige Vorträge. Ich habe dann Urlaub in der Schule und komme für eine Woche dorthin.
BMN: Du arbeitest also als Lehrer an einer Schule?
A. M.: Ich bin jetzt an einer Landwirtschaftsschule und arbeite dort mit teilweise körperlich oder geistig behinderten Schülern im Alter von 12 bis 16 Jahren.
BMN: Du hast eben schon die biologisch-dynamischen Imker in Holland erwähnt. Wie sind die dort organisiert?
A. M.: Wir haben eine Arbeitsgruppe. In dieser Arbeitsgruppe treffen wir uns in der Wintersaison jeden Monat einmal. Daneben gibt es zwei oder drei regionale Arbeitsgruppen. Wir organisieren eine jährliche Tagung und Bienenkurse. Außerdem haben wir schon einige deutschsprachige Bücher ins Holländische übersetzt. Die Vorträge von Rudolf Steiner „Über das Wesen der Bienen“ wird es jetzt in einer neuen Ausgabe geben. Ich selber habe auch schon einige Bücher übersetzt, die ich wichtig fand.
BMN: Hältst du auch selber Bienen?
A. M.: Ja, ich habe selber auch Bienen. Nicht mehr so viele wie früher. Ich bin jahrelang Nebenerwerbsimker gewesen mit ca. 100-120 Völkern. Als ich in der Landwirtschaftsschule angefangen habe, musste ich meine Bienen teilweise aufgeben. Jetzt habe ich noch 10-15 Völker.
BMN: Und was ist deine Motivation überhaupt Bienen zu haben?
A. M.: Für mich sind die Bienen ganz wichtig, nicht wegen des Honigs – das ist eine schöne Sache – aber besonders wichtig sind mir die Bilder, die ich sehe, wenn ich mit den Bienen arbeite, oder wenn ich Honig sehe oder das Wachs, das sind für mich ganz wichtige Sachen, die ich auch an andere Leute weitergeben möchte.
BMN: Kannst du diese Bilder beschreiben, die dir die Bienen geben?
A. M.: Ja zum Beispiel beim Honig schleudern: Bei mir ist das immer so gewesen, dass ich Frühjahrshonig ernte, Sommerhonig ernte und im Herbst noch einmal Honig ernte. Wenn man die verschiedenen Honigsorten anschaut, sieht man im Frühjahr einen ganz hellen Honig. Ich habe niemals Honig gerührt. Ich warte, bis die Kristallisation anfängt und fülle dann die Gläser; da sieht man, dass der Frühjahrshonig ganz schnell kristallisiert. Im Sommer ist der Honig etwas dunkler, und im Herbst noch dunkler. Wenn man dann auf die Blüten schaut, sieht man im Frühjahr zum Beispiel einen blühenden Obstbaum, das ist ja überwältigend und die Rapsfelder strahlen nach allen Seiten. Im Laufe des Jahres ändert sich der Charakter der Blüte. Im Herbst: Versunkene Farben, es ist alles viel ruhiger. Diesen Charakter kann man bis in den Honig zurückverfolgen. Der Frühjahrshonig, der nach drei Wochen schon einen Kristallisationsprozess anfängt, und dann der Heidehonig, der mehr als ein Jahr braucht, bis er kristallisiert. Und der Sommerhonig liegt dazwischen. Wenn man bei den Menschen, bei den Kindern schaut, sieht man, dass Kinder ja Frühjahrshonig eigentlich am liebsten mögen. Das passt ganz gut zu den Kindern. Man sieht, dass die Bilder von dem einen auf das andere übertragen werden können. Das ist eine Sache, die mich wirklich interessiert, ohne dass ich darüber tagelang sitze und nachdenke. Ich sehe das Bild und das geht, versinkt dann im Laufe der Zeit – und vielleicht kommt über kurz oder lang wieder etwas nach oben… Ja ein Bienenvolk, die Schwarmtraube von einem Bienenvolk, das ist für mich dasselbe Bild, wie frisch geschleuderter Honig. Wenn man den Honig hat, da kann man mit der Hand ganz durchgehen, nicht schnell wie durch Wasser, aber ganz langsam, und dann fließt der Honig um die Hand. Wenn man einen Bienen schwarm hat, kann man mit der Hand hereingehen und die Bienen fließen um die Hand herum, und bei beiden kann man dasselbe sehen. Wenn die Schwärme dann ein paar Wochen in der Beute sind, fängt der Kristallisationsprozess an: Wie beim Honig, der anfängt zu kristallisieren, ist die Kristallisation auch in der Traube erfahrbar, denn ich kann nicht mehr mit der Hand durchgehen, es ist etwas Festes, Waben in Kristallform, entstanden. In diesem Moment lebt für mich das Bienenvolk.
BMN: Eben hast du schon das Wachs in Form der Waben erwähnt. Du hast uns so ein schönes Bild zum Honig geschildert. Kannst du auch noch etwas zum Wachs sagen?
A. M.: Das Wachs ist auch wieder etwas, was die Biene den Menschen gibt. Und ein Anlass für die große Verbreitung der Bienenzucht in Europa war, dass die Menschen Kerzen benutzt haben. Für mich ist auch eine Kerze solch ein Bild. Das ist ein Bild
von Menschen oder Initiativen, auch ein Bild von Zusammenarbeit. Man hat, wenn man eine Kerze anschaut, den Docht, und man hat das Wachs. Eigentlich kann das Wachs brennen, aber das geht schnell vorbei. Erst wenn beides zusammenkommt, entsteht eine richtige Flamme. So ist auch der Docht für mich ein Bild: Er steht für eine Idee, einen Gedanken und im Wachs sehe ich den Willen der Menschen. Man kann ganz schöne Gedanken haben, wie alles in der Welt sein sollte, wie man am schönsten mit Bienenvölkern arbeiten könnte, ja viele Gedanken sind möglich. Aber wirklich wird nur etwas, wenn die Gedanken umgesetzt werden in eine Handlung. Man muss die Gedanken zusammenbringen mit dem Willen, dann geschieht wirklich etwas. Für mich ist das auch so, wenn ich das Wachs um den Docht drehe oder knete – man kann das natürlich auch gießen, das tue ich auch, aber ich habe oft symbolisch einen Docht genommen und ein bisschen Wachs und das dann so um den Docht angebracht und man sieht das brennt ganz schön. Für mich ist das Initiative. Aus der wird nur etwas, wenn sie unterstützt wird. Und so ist das auch mit der Kerze: Die brennt nur, wenn wirklich um den Docht Wachs anwesend ist. Die Kerzen sind aus dem Wachs, das die Biene uns gibt, und somit gibt die Biene mit dem Wachs uns dieses Bild.BMN: Hast du noch etwas, was noch unbedingt gesagt werden müsste?
A. M.: Ja, was unbedingt noch gesagt werden müsste, ist, dass „Biene-Mensch-Natur“ bei mir immer oben auf dem großen Haufen liegt, den ich noch lesen muss, und immer als erstes an der Reihe ist.
Das Interview führte Alexander Hassenstein. Bearbeitung Katrin Hassenstein.