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Gefährden Honigbienen wildlebende Bestäuber?

Imker betreiben aktiven Naturschutz heißt es oft. Die Imkerei ist eine sehr naturverbundene Tätigkeit, aber nur durch das Imkern per se schützt keiner die Natur. Bei unserer Arbeit kommt immer wieder die Frage auf, ob Honigbienen nicht sogar eine Konkurrenz zu Wildbienen darstellen können und Imker damit sogar wildlebende Arten gefährden.

Mi 23. Mai 2018 BieneMenschNatur.34, wildlebende Bienen
 (Foto: shutterstock/foto_tech)
(Foto: shutterstock/foto_tech)

Es klingt zunächst provokant, aber bei genauerem Hinsehen können Imker tatsächlich Schäden anrichten. Ich habe Imker kennen gelernt, die mit stolzgeschwellter Brust berichten, wie sie das drüsige Springkraut (Impatiens glandulifera) aktiv als Trachtpflanze aussäen. Diese aggressiv-invasive Pflanzenart, die als Neophyt aus Indien stammt, verdrängt heimische Gewächse, womit diese selbsternannten Verbreitungsimker aktiv zur Verdrängung heimischer Arten beitragen. Hier ist der Fall also klar, dass der Imker das Gegenteil von Naturschutz betreibt.

Was ist aber mit den Honigbienen selbst? In der Wissenschaftszeitschrift „Science“ weisen Geldmann & González-Varo darauf hin, dass der Schutz von Honigbienen der Flora und Fauna allein nicht hilft und sie kritisieren die mangelnde Anerkennung der Bestäubungsleistung von wilden Bestäubern. Sie finden sogar tatsächlich Belege, dass Honigbienen andere wildlebende Insekten wie Wildbienen, Schmetterlinge, Schwebfliegen etc. schädigen können. Das kann durch Nahrungskonkurrenz geschehen oder durch Übertragung von Krankheiten beim Besuch der selben Blüten. Sollen wir also aus Naturschutzgründen auf die Imkerei verzichten?

Die Untersuchungen in dem Artikel zeigen klare Ergebnisse, es kommt jedoch auf die konkreten Situationen an: so wurden zum Beispiel Insektenpopulationen im Teide Nationalpark in Spanien untersucht, in dem jedes Jahr bis zu 2.700 Bienenvölker von Erwerbsimkern aufgestellt werden. Diese intensivbeimkerten Völker werden zur Bestäubung durch ganz Spanien gewandert, was für die Tiere sehr viel Stress bedeutet. Diese Völker sind natürlich alles andere als kerngesund. Werden solche Völker dann in großen Zahlen zur „Erholung“ und zur Honigproduktion an oder in ein Naturschutzgebiet gestellt, in dem Blüten „nur“ in natürlicher Dichte vorkommen, dann wird plausibel, dass die einheimischen wilden Bestäuber schon wegen der hohen Anzahl an eindringenden Konkurrenten keine Chance haben. Und auch die Übertragung von Krankheiten wird klar, wenn hunderte Insekten nacheinander die selbe Blüte besuchen. Die Autoren sprechen zu Recht von „gemanagten“ Invasoren. So hat Imkerei mit Naturschutz natürlich nichts zu tun.

Die Schlussfolgerung, dass Honigbienen Ökosysteme gefährden, ist jedoch zu schnell gefasst, denn es kommt auf die Art der Imkerei an. Eine wesensgemäße Bienenhaltung mit natürlichen Volksstärken, gesunden Völkern und mäßigen Wanderbewegungen geht einen Weg, bei dem Honigbienen und Wildbienen in Einklang leben können. Voraussetzung dafür ist jedoch eine struktur- und blütenreiche Landschaft, für die wir uns im Netzwerk Blühende Landschaft vehement einsetzen. Denn in der Studie zeigt sich die allgemeine Tendenz zu intensivlandwirtschaftlichen Regionen mit ausgeräumter Landschaft einerseits und kleinen, konservierten Naturschutzgebieten andererseits. Dieses Schwarzweißdenken funktioniert nicht. Das Ziel muss es sein, dass in allen Landschaftsteilen ein vielfältiges Blütenangebot zur Verfügung steht, das heißt, dass mehr Natur in der gesamten Landschaft zugelassen wird. Dann müssen einerseits die Erwerbsvölker nach ihrer Bestäubungsreise nicht zur Erholung an Naturschutzflächen gestellt werden, weil sie überall abwechslungsreiche, unbelastete Nahrung finden. Zudem können sich auch außerhalb von Naturschutzgebieten wieder gesunde Populationen von wildlebenden Bestäubern entwickeln, die dann ihre 50% der Bestäubungsleistung in der Landwirtschaft erbringen können. Damit tragen sie dazu bei, den Bestäubungstourismus mit all seinen unerwünschten Nebenwirkungen unnötig zu machen.

Man muss den Autoren der Studie zustimmen: die Imkerei ist an sich kein Naturschutz, sondern eine Art der landwirtschaftlichen Betätigung. Aber unserer Erfahrung nach sind Imker nah dran an der blühenden (oder eben nicht blühenden) Umwelt und haben so nicht nur ein Interesse, sondern auch eine Verantwortung dafür, dass die Landschaft so verändert wird, dass darin alle Bestäuber gleichermaßen Nahrung und Lebensraum finden.

Matthias Wucherer (Leiter Netzwerk Blühende Landschaft)


Biene sitzend auf Blüte