Herbstanemone
Zweig

Die kulinarische Vielfalt des Honigs

Interview mit der Sensorikspezialistin Eva Derndorfer.

Mi 22. Mai 2019 BieneMenschNatur.36, Honig, Interview

Eva Derndorfer ist Ernährungswissenschaftlerin und als Spezialistin im Bereich der Lebensmittelsensorik selbstständig tätig. Eines ihrer Lieblingsprodukte ist Honig. Sie bietet Sensorikschulungen an und ist Autorin zahlreicher Fachbücher.

Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren mit dem Thema Sensorik. Warum ist gerade Honig für Sie so interessant? Und wie sind Sie darauf gekommen, sich mit diesem Thema intensiv auseinanderzusetzen?

Ich habe Honig immer schon gerne gegessen. Und als mich der österreichische Imkerbund vor elf Jahren nach einer Sensorikschulung fragte, war klar, dass das ein Lebensmittel ist, mit dem ich mich gerne intensiver auseinandersetzen möchte. Je mehr ich mich damit befasste, umso bewusster wurde mir das riesige Potenzial, das Honig besitzt. Gleichzeitig habe ich gesehen, dass die wenigsten Konsumenten über die sensorische und kulinarische Vielfalt von Honig Bescheid wissen. Von der gesundheitlichen Seite ganz abgesehen, da kursiert ja immer nur der Vergleich mit Zucker. Also habe ich mich mit meiner Koautorin Elisabeth Fischer zusammengetan und wir haben Rezepte mit Honig entwickelt, die unterschiedlichsten Aspekte des Honigs beleuchtet und ein Buch daraus gemacht, das zwar „Honig. Das Kochbuch“ heißt, aber viel mehr ist als das. Es ist Kochbuch, Sachbuch (Sensorik, Gesundheit, …), ein Bilder- & Geschichtenbuch über Imker und eine Hommage an den Honig!

Wie kann man seine sensorischen Fähigkeiten verbessern?

Ernährungswissenschafterin, Sensorikspezialistin und Buchautorin Eva Derndrofer. (Foto: privat) Ernährungswissenschafterin, Sensorikspezialistin und Buchautorin Eva Derndrofer. (Foto: privat) Das beginnt mal damit, dass man sich Zeit nimmt! Verkosten heißt, sich auf das Produkt Honig zu konzentrieren. Den Honig anzusehen und zu riechen, nicht nur in den Mund zu nehmen. Zu überlegen, wonach der Honig riecht und schmeckt. Das unterschiedliche Mundgefühl wahrnehmen. Mehrere Honige miteinander vergleichen – da offenbaren sich Unterschiede deutlicher. Das kann ein Vergleich von Honigsorten sein oder Honige aus verschiedenen Regionen. Ich empfehle auch immer, sich Notizen zu machen. Wenn man sich aufschreibt, was man riecht oder schmeckt, dann ist man stärker fokussiert und nimmt in Folge auch mehr wahr.
Für das Riechen und Schmecken sind ja spezialisierte Rezeptoren in der Nase und im Mund zuständig. Diese kann man nicht trainieren – was man aber trainieren kann, ist das sensorische Gedächtnis, also dass man Gerüche im Honig wiedererkennt. Verbessern kann man auch die Verkostungstechnik: nicht nur riechen, sondern am Honig schnüffeln. Den Honig im Mund verteilen, nicht sofort schlucken. Das alles verbessert die sensorischen Fähigkeiten deutlich. Es kann zwar nicht jeder Mensch gleich gut darin werden, aber jeder kann besser werden.

Schmecken Sie einen Unterschied zwischen Bio- und konventionellem Honig? (Wie) beeinflusst die Art der Bienenhaltung den Honig?

Die Frage nach einem sensorischen Unterschied zwischen Bio und konventionell gibt es bei vielen Lebensmitteln, allein, der Beweis ist schwer. Denn es gibt nicht zwei Honige, die ansonsten gleich sind, und sich „nur“ in Bio/konventionell unterscheiden. Ich halte Bio aber in jedem Fall für die bessere Variante, unabhängig von den sensorischen Konsequenzen.

Wie beurteilen Sie den Honig der Imkerei Fischermühle? (Wir haben Frau Derndorfer im Vorfeld einige Honige geschickt. (Anm. d.Red.))

Sehr lecker! Der Löwenzahnhonig ist ananasfarben und riecht leicht animalisch-käsig, aber auch fruchtig. Er hinterlässt ein seidiges Mundgefühl und hat einen tollen Schmelz.
Mein persönlicher Favorit ist der Blütenhonig mit Fichte: wunderschöne Karamellfarbe, im Geruch holzig, fast barriqueartig. Er schmeckt malzig, ätherisch-harzig, aber auch leicht fruchtig. Eine tolle Mischung.
Der Edelkastanienhonig ist ein dattelbrauner Honig mit einer geleeartigen Konsistenz. Er schmeckt malzig, nach Kaffee und leicht nussig. Ein relativ bitterer Honig.

Wie beurteilen Sie die gesundheitlichen Aspekte von Honig? Wann lässt sich Haushaltszucker durch Honig ersetzen?

Wie bereits erwähnt, halte ich die Reduktion von Honig auf seinen Zuckergehalt für sehr eindimensional, das wird dem Honig in keiner Weise gerecht. Während Kristallzucker wirklich nur aus Zucker – Saccharose – besteht, hat Honig nicht nur ein Spektrum verschiedener Zuckerarten, sondern vor allem auch eine Vielzahl an Begleitsubstanzen. Diese sind zwar in geringen Konzentrationen vorhanden, aber man sollte Dosis nicht mit Wirkung verwechseln. Vordergründig finde ich die antioxidativen Eigenschaften von Honig nennenswert: Als Faustregel gilt, je dunkler ein Honig, desto stärker wirkt er antioxidativ. Diese Wirkung bleibt auch beim Kochen mit Honig zumindest teilweise bestehen. Im Winter, der klassischen Erkältungszeit, ist auch die antibiotische Wirkung hilfreich. Im Frühling leiden viele Pollenallergiker. Hier können Pollen, die man mit regionalem Honig isst, mitunter zur Hyposensibilisierung beitragen. Und zu guter Letzt gibt es Hinweise, dass Honig gut für den Magen ist. Das Bakterium Helicobacter Pylori, das oft für Gastritis verantwortlich ist, scheint gegen Honig empfindlich zu sein.
Honig kann Zucker oft ersetzen. Man muss aber bedenken, dass der Flüssigkeitsgehalt anders ist, und ein Rezept gegebenenfalls anpassen.

Honig unterscheidet sich in der Farbe, im Geruch, im Geschmack, in der Konsistenz. (Foto: shutterstock/A.Cristiano) Honig unterscheidet sich in der Farbe, im Geruch, im Geschmack, in der Konsistenz. (Foto: shutterstock/A.Cristiano)

Was ist beim Kochen mit Honig zu beachten? Wie kommen die Aromen am besten zur Geltung? Eigentlich soll man ihn ja nicht erhitzen, da so die gesunden Inhaltsstoffe verloren gehen.

Beim Kochen mit Honig steht der kulinarische Aspekt an erster Stelle. Es ist aber nicht richtig, dass alle gesundheitlichen Inhaltsstoffe verloren gehen – s.o. antioxidative Kapazität! Außerdem: Da Honig so viele Aromen besitzt, die süßlich anmuten, wird die Süße von Speisen oft intensiver empfunden, als wenn Zucker im Einsatz ist. Man kommt also oft mit weniger Honig im Vergleich zum Zucker aus.

Wir haben für unser Buch aber Honig nicht nur als Süßungsmittel, sondern auch als Gewürz verwendet. Löffelweise lassen sich mit Honig Speisen würzen, abrunden, verfeinern. Das funktioniert hervorragend im Salatdressing, genauso gut kann man kalte und warme Suppen mit Honig aromatisieren, in der warmen Jahreszeit ist eine kalte Avocado-Zitronen-Buttermilch-Suppe fein! Zur orientalischen Tomatensuppe haben wir Honig-Zimt-Croutons gemacht, ein einfach zubereitetes Gericht, von dem viele Testesser sehr begeistert waren. Mit Honig lassen sich viele Gemüsegerichte aus dem Ofen zubereiten (z.B. Auberginenscheiben mit Miso-Sesam-Creme, die mit Waldhonig gewürzt wird). Honig begleitet Käse und mariniert einen chinesischen Schweinebraten. Schnelle Desserts lassen sich ebenso zubereiten wie aufwendige Kuchen: Highlights sind ein Kurkuma-Sahne-Eis mit Blütenhonig auf gebratenen Sommerfrüchten oder die Ananas Tarte Tatin mit Waldhonig. Schnell und gut: eine Kräuter-Senf-Honig-Butter.

Was ist Ihr Lieblingshonig?

Den gibt es nicht. Ich freue mich über die Vielfalt!


Biene sitzend auf Blüte