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Interview: Mit summenden Pädagogen klappt es besser

Professorin Dr. Andrea Möller, geboren 1974 in Frankfurt am Main, leitet das Kompetenzzentrum für Didaktik der Biologie an der Universität Wien. Sie forscht seit vielen Jahren zum Thema Bienen im Unterricht und war bereits Kooperationspartnerin der Tagung Bienen machen Schule. Zudem ist sie Mitautorin des entsprechenden Handbuchs.

Di 17. Dezember 2019 BieneMenschNatur.37, Kinder&Jugendliche
Professorin Dr. Andrea Möller mit einigen Schülern (Foto: Hesser)
Professorin Dr. Andrea Möller mit einigen Schülern (Foto: Hesser)

Wie kamen Sie zu den Bienen?

Während meiner Post-Doc-Zeit am Institut für Biologiedidaktik an der Universität Gießen habe ich neben meinem Beruf unentgeltlich als Biologielehrerin an einem Gymnasium gearbeitet, um Schulerfahrung zu sammeln. Mein sehr netter Kollege dort, Dr. Björn Hendel, hatte Schulbienen. So bin ich in seine Bienen-AG mit reingerutscht und habe selbst beobachten können, mit welcher Begeisterung die Schüler bei der Sache waren.

Viele Jahre später als Professorin in Trier kamen dann zwei Studierende auf mich zu: Ana Luckas und Sam Butterick. Sie wollten Bienen auf dem Universitätscampus aufstellen und baten um Unterstützung. Bei allen anderen Kolleginnen und Kollegen waren sie abgeblitzt, aber bei mir kamen die positiven Erinnerungen an die Schulbienen wieder hervor. Ich war Feuer und Flamme, daraus ein umfassendes Didaktik-Projekt für (Lehramts)Studierende, Schüler und Unterrichtsforschung zu machen. Ich war überzeugt davon, dass es ein interessantes Studienprojekt werden würde. Ich konnte die beiden damals dafür begeistern und den Kanzler der Universität hatten wir auch rasch vom Konzept „Bee.Ed“ überzeugt. So zogen im September 2012 bereits unsere ersten Bienen ein.

Wieso integrieren Sie Bienenprojekte in die Ausbildung junger Lehrer?

Unsere künftigen Lehrer sind wichtige Multiplikatoren, wenn es um eine Vermittlung von Naturerleben und um nachhaltige Umweltbildung geht. Eine von uns durchgeführte Studie zeigt leider, dass Studierende zwar durchschnittlich 16 Automarken, jedoch nur elf Vogel- und neun Baumarten nennen können. Von Insektenarten ganz zu schweigen. Oft wird Wissen über die Natur als nicht zeitgemäß oder nicht notwendig angesehen. Und die Vermittlung von Artenkenntnis und Naturerfahrung ist an Universitäten leider oft Beispiel für die notwendige„Entrümpelung“ der Biologielehramtsausbildung.

Dies hat zur Folge, dass zukünftige Biologielehrkräfte immer weniger Artenkenntnis und oft auch ein geringes Verständnis für biologische Prozesse in der Natur haben. Das hat schwerwiegende Folgen: Die Zahl der Naturerfahrungen bzw. der Arbeit mit lebenden Tieren oder Pflanzen im Biologieunterricht hat in den vergangenen zehn Jahren dramatisch abgenommen. Und auch Eltern oder Großeltern sorgen kaum noch für Naturerlebnisse. So kommt es, dass immer weniger Menschen persönliche Erfahrungen mit Natur haben. Hier versuchen wir mit „Bee.Ed“ aktiv gegenzusteuern. Angehende Lehrerinnen und Lehrer lernen bei uns auch, wie sie künftig selbst Bienen auf dem Schulgelände halten und Bienen-AGs leiten können.

Professorin Dr. Andrea Möller mit einer Studentin bei den Bienen (Foto: Hesser) Professorin Dr. Andrea Möller mit einer Studentin bei den Bienen (Foto: Hesser)

Sie empfehlen Lehrern, Bienen als „pädagogische Kollegen“ einzusetzen. Wie soll das gehen und wann ist das sinnvoll?

Wir wissen aus Studien, dass erkundende Naturerfahrungen und das Wissen über Tiere und Pflanzen sehr stark mit der Wertschätzung der Natur und der Handlungsbereitschaft, diese zu schützen, korrelieren. Man schützt eben nur, was man kennt. Und mit Hilfe der Bienen können wir Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene nachweislich wieder an die Natur heranführen, wieder Interesse an der Umwelt und ihrem Schutz wecken. In Interviews, die wir mit Schülern geführt haben, die an Bienen-AGs teilnehmen, haben diese uns unter anderem berichtet, dass sie erst durch die Bienen wieder Jahreszeiten erlebt haben. Wann die Krokusse blühen, wann die Kirsche. Das war ihnen vorher gar nicht mehr aufgefallen.

Was haben Sie ganz persönlich von den Bienen gelernt?

Dass es ohne Zusammenarbeit und Achtsamkeit im Team nicht funktioniert, weder bei den Bienen selbst noch bei den Imkern. Und dass man mit Hektik und „schnell mal“ nicht weiterkommt. Bienen sind wunderbare Entschleuniger im mitunter leider doch sehr intensiven Leben einer Universitätsprofessorin. Und: Durch sie habe ich eine phantastische Ausrede, nicht dauernd vor dem Computer zu sitzen!

Welche Möglichkeiten gibt es für Pädagogen und Erzieher, Bienenprojekte umzusetzen?

Dank zahlreicher Unterstützungsmechanismen können Pädagoginnen und Pädagogen heute viel leichter Bienen halten als früher. Wir haben sehr gute Erfahrungen mit Lehrer-Imker-Tandems gemacht, die dazu führen, dass immer Ansprechpartner da sind. Auch Schulleiter sind Bienen gegenüber heute aufgeschlossener. Und selbst, wenn es keine Honigbienen sind: Gegen Nistmöglichkeiten für Wildbienen auf dem Schulgelände hat eigentlich niemand mehr etwas einzuwenden. Dazu steigt die Zahl der didaktisch ausgearbeiteten Bienenprojekte für Schulen und Kindertagesstätten. Aktuell arbeiten wir gerade an zwei neuen Themenheften „Bienen“ mit vielen erfolgreich erprobten Unterrichtsideen für Lehrkräfte, die im April 2020 erscheinen werden.

Was sagen Sie Eltern, die sich sorgen, dass ihre Kinder bei solchen Projekten gestochen werden?

Solange keine Bienenallergie vorliegt, ist ja nichts zu befürchten. Fast alle der gebräuchlichen Schulbienen sind heute auf Sanftmütigkeit gezüchtet. Mit einigen wenigen Schutzmaßnahmen, wie zum Beispiel Haare zusammenbinden und lange Hosen tragen, geht die Wahrscheinlichkeit für einen Stich gegen Null. In all den Jahren mit Schulklassen kann ich mich nur an einen einzigen Fall erinnern.

Auch Mellifera e. V. setzt sich schon lange mit der Initiative Bienen machen Schule dafür ein, dass Kinder und Jugendliche die Welt der Bienen kennenlernen. Sie unterstützten die Arbeit seit vielen Jahren. Warum?

Die Initiative Bienen machen Schule halte ich immer noch für die beste Idee überhaupt. Pädagoginnen und Pädagogen, die in der (Umwelt)Bildung mit Bienen tätig sind, aktiv zu vernetzen, ist eine großartige Maßnahme, die uns wirklich entscheidend weiterbringt. Hier entstehen so viele Synergieeffekte und Ideen – einfach großartig!

Zu welchen Fragen rund um Bienen und Kinder forschen Sie aktuell?

Konkret geht es nach wie vor darum, herauszufinden, was die Beschäftigung mit Bienen bei Kindern und Jugendlichen in Bezug auf ihre Beziehung zur Natur auslöst. Als unmittelbaren Effekt konnten wir nachweisen, dass bereits ein halber Tag ausreicht, um ihr Interesse an der Natur sowie ihr Naturverbundenheitsgefühl zu steigern und die Bereitschaft zur Ausnutzung der Natur nachhaltig zu verringern. Auch fanden wir heraus, dass wir über den unmittelbaren Kontakt bestehende Ängste vor Bienen abbauen und die Sichtweise hinsichtlich einer Schutzbedürftigkeit, Interesse und Wertschätzung von Bienen fördern können.

Das Tolle: Wenn wir nach einigen Wochen später erneut nachfragen, ist die Bereitschaft zum Schutz der Biene erneut gewachsen. Das bedeutet, dass sich Kinder und Jugendliche nach dem ersten Kontakt mit den Bienen sogar weiter mit der Thematik beschäftigen! Gemeinsam mit dem Österreichischen Umweltdachverband starten wir in Wien gerade ein (Forschungs)Projekt mit Schulklassen, die aufgrund ihrer eher bildungsfernen sozialen Herkunft wenig bis gar keinen Naturkontakt hatten und die wir über einen längeren Zeitraum begleiten dürfen. Ich bin schon sehr gespannt auf unsere Erkenntnisse!

Das Interview führten Rebecca Schmitz und Lydia Wania-Dreher.


Biene sitzend auf Blüte