Das Blog zur Zeitschrift »Biene Mensch Natur«
Seit genau 20 Jahren gibt es das Netzwerk Blühende Landschaft. Was ist erreicht und was noch zu tun?
Wie stark sind doch die Insekten in den vergangenen Jahren durch ihre immer stärkere Abwesenheit in unserem Bewusstsein präsent geworden. Die Krefeld-Studie hat 2017 festgestellt, dass wir in Naturschutzgebieten in 27 Jahren 75 Prozent der Insektenbiomasse verloren haben. In Bayern formierte sich ein Bündnis zum Volksbegehren „Rettet die Bienen“, das als das Volksbegehren mit dem historisch größten Zuspruch ein Erdbeben in der Landwirtschafts- und Naturschutzszene weit über Bayern hinaus ausgelöst hat.
Es folgten weitere Initiativen für vergleichbare Volksbegehren in anderen Bundesländern. Daran kann man ablesen, wie wichtig den Menschen mittlerweile die Themen Insektenschwund, Artenvielfalt und Lebensraumerhalt geworden ist. Viel früher am Thema dran war jedoch eine Handvoll Menschen und Organisationen um Mellifera e. V. herum, die sich bereits 2003 um die blütenlose Insekten-Unbewohnbarkeit unserer Landschaft sorgten. Hier entstand die Initiative, das Netzwerk Blühende Landschaft zu gründen.
Anstatt die auch andernorts abrufbare Historie darzulegen, stelle ich hier die Fragen: Was ist denn geschehen in den vergangenen 20 Jahren und was muss noch passieren? Leider ist die Antwort auf Frage 1 sehr ernüchternd: In den vergangenen Jahrzehnten hat eine stetige Vereinheitlichung der Landschaft mit Verlust von Lebensräumen stattgefunden.
Monokultur ist da gar nicht mehr der richtige Begriff, denn diese immer industriellere Landnutzung hat mit „Kultur“ bzw. Kultivierung von Land nicht mehr viel zu tun. Entgegen jeder Erkenntnis ihrer Bedeutung im Kampf gegen den Klimawandel werden Moore nach wie vor degradiert, Wiesen bis zur Blütenlosigkeit übernutzt und Äcker „sauber“ in immer kürzeren Fruchtfolgen umgetrieben. Gleichzeitig sind Randstrukturen in Feld und Flur, im Öffentlichen Grün und auf privaten Flächen weiter entfernt worden, sodass vielfältige und blühende Lebensräume einfach verschwunden sind. Ein trauriger und repräsentativer Gipfel sind die vieldiskutierten (oder indiskutablen?) sterilen Schottergärten. Dieser Abwärtstrend in der Landschaft hat sich während des Bestehens, Arbeitens und Strebens des NBL fortgesetzt. War also alles umsonst? Nein!
Denn wir brauchten und brauchen einen Wandel in der Landnutzung. Es gibt zwei Möglichkeiten, einen Wandel anzugehen: „Change by design“, also Wandel, der aktiv gestaltet wird. Das würde man von intelligenten Lebensformen erwarten. Und es gibt „Change by desaster“, also Veränderung durch ein Desaster. Auch wenn die Menschheit schon ein Stück auf dem letzteren Weg vorangekommen zu sein scheint, so gibt es doch viele bereits wirksame Gestaltungsmöglichkeiten. Besonders ermutigend ist die zunehmende Menge an Menschen, die den Wandel der Landnutzung fordert und selbst gestaltet. Nachdem der Klimawandel seine desaströsen Auswirkungen unmissverständlich klar macht und sich die Biodiversitätskrise durch den fortschreitenden Verlust von Ökosystemleistungen auch langsam ökonomisch bemerkbar macht, keimt und wächst ein Pflänzchen des Umdenkens.
Dieses Pflänzchen wächst aber viel langsamer, als es die Zeit erlaubt. Wenn wir als Gesellschaft nun erst in drei, fünf oder zehn Jahren anfangen, über nötige Veränderungen nachzudenken, dann hinken wir den bevorstehenden grundlegenden Veränderungen hinterher. Und genau jetzt kommen all die Ansammlungen von Ideen, aktiven Menschen und die pionierhaften Projekte des NBL zum Tragen. Denn die Lösungen für eine Trendwende beim Verlust von Bienen, Hummeln, Schmetterlingen & Co. sind allesamt machbar und teils auch schon praxiserprobt.
Wie man zum Beispiel Ackerflächen als vorübergehenden Lebensraum für Blütenbesucher erblühen lässt, demonstrieren wir mit all unseren Partnern seit 2016 im Projekt „BienenBlütenReich“ auf beispielgebenden Blühflächen. Wie wird man in diesem Zuge dem genetischen Aspekt der Biodiversität gerecht? Während viele Bienenretter über die genetische Vielfaltskomponente noch gar nicht nachgedacht haben, haben wir diese bereits ins BienenBlütenReich und viele weitere Projekte durch den Einsatz von gebietsheimischem Wildpflanzensaatgut und durch noch kleinräumigere Methoden wie Mahdgutübertragung und Wiesendrusch in die Praxis überführt.
Während für viele Menschen die verschiedenen Umweltthemen, wie z. B. Klimawandel und Biodiversitätsverlust konkurrierende Handlungsfelder sind, haben wir bereits zusammengeführt, was zusammengehört: Nur mit gesunden Lebensräumen und aktiver Lebensvielfalt in der Landschaft können wir dem Klimawandel begegnen. Durch die Anstrengungen gegen den Klimawandel kann wiederum eine sinnvolle und blütenreiche Landschaft wirtschaftlich tragfähig werden. Wir verbinden beides in Projekten wie dem „Klimabeet“ und unseren Klimapatenschaften.
Das Schlagwort „Patenschaften“ bringt mich zurück zur zweiten oben aufgeworfenen Frage: Was muss noch passieren? Wir brauchen nicht weniger als eine weitgehende Wende in der Landnutzung, die über die Agrarwende hinaus geht. Die Fragestellungen rund um Landwirtschaft sowie öffentliche und private Flächennutzung werden von Politik und Behörden weitgehend nur verwaltet statt gestaltet. Anstatt nach einem Volksbegehren die Hände in den Schoß zu legen, müssen wir unsere Herzensthemen weiter demokratisieren – das heißt handeln, scheinbare Grenzen überschreiten und das Richtige nicht nur fordern, sondern auch selbst tun! Im NBL zeichnen wir ein positives Bild einer reich strukturierten, bunt blühenden Landschaft, in dem alle Wesen ihr Auskommen finden, mit umsichtig pflegenden Menschen im Zentrum und laden alle ein, den Weg dorthin mitzugehen.
Damit man sich diese blühende Landschaft besser vorstellen kann, schaffen wir von den ehrenamtlichen Regionalgruppen bis zu Kooperationen mit großen Akteuren beispielgebende und anschauliche Oasen des Lebens, die zum Nachmachen anregen. All das ermöglichen die Menschen, die einen aktiven Beitrag zur Wende in der Landschaftsnutzung leisten: im Garten, in der Landwirtschaft und in vielen Fällen als Blühpaten und Klimapaten. Die Ergebnisse sind summend erlebbar und über unsere kostenlosen Praxistipps für jeden zur Nachahmung freiumsetzbar.
Wir sind entschlossen, auch in den kommenden Jahren diesen Weg als Pioniere für eine lebenswerte blühende Landschaft weiterzugehen – gerne und hoffentlich mit Ihrer Unterstützung!