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Für Transparenz und Vorsorge statt „gegen Gentechnik“

Do 28. November 2024 BieneMenschNatur.46, Gentechnik
Gentechnik muss transparent sein. (Foto: Matthias Neumann)
Gentechnik muss transparent sein. (Foto: Matthias Neumann)

Magst du Insekten in Lebensmitteln? Stellst du dir vor, die EU würde die Kennzeichnungspflicht für Insekten in Lebensmitteln abschaffen, weil innovative Produkte sonst nicht verkäuflich wären. So argumentiert die EU-Kommission bei Pflanzen aus Neuer Gentechnik (NGT). Inzwischen hat sich das EU-Parlament zwar für die Beibehaltung der NGT-Kennzeichnung ausgesprochen – eine individuelle Risikoprüfung hält es aber für überflüssig.

Seltene Einigkeit

Dabei fordern 96 Prozent der Bundesbürger*innen eine NGT-Risikoprüfung und 92 Prozent eine Kennzeichnung für alle NGT-Lebensmittel, so eine repräsentative Forsa-Umfrage. Hier steht der Bundeskanzler im Wort: Olaf Scholz versprach kurz vor der Bundestagswahl, sich für Kennzeichnung und Risikoprüfung einzusetzen. Eine Politik nach dem Motto „es wird gegessen, was auf den Tisch kommt!“ würde Bürger*innen entmündigen und Demokratieverdrossenheit nähren. Sollten sich EU-Kommission und Agrarindustrie durchsetzen, wäre eine Kaufentscheidung für gentechnikfreie Natur unmöglich.

Riskant für Bienen und Ökosysteme

Die Freisetzung einer großen Zahl von NGT-Pflanzen mit neuen Eigenschaften wäre ohne Risikoprüfung mit unkalkulierbaren Ökosystem-Risiken verbunden. Darauf haben die wissenschaftliche Gesellschaft für Ökologie (GfÖ) und das Bundesamt für Naturschutz (BfN) hingewiesen. Auch die französische Lebensmittelsicherheitsbehörde ANSES empfiehlt in einer umfangreichen Studie eine NGT-Einzelfallprüfung. Die französische Regierung hatte die ANSES-Studie jedoch bis nach der Abstimmung zu NGT-Pflanzen im EU-Parlament zurückgehalten.

Fehlende wissenschaftliche Grundlage

NGT-Pflanzen könnten Interaktionen mit Bestäubern stören. Vor diesem Risiko warnt die ANSES in ihrer Studie. Zudem gebe es für die Annahme einer „Gleichwertigkeit“ von NGT1- und herkömmlichen Pflanzen „keine wissenschaftliche Grundlage“. BfN, GfÖ, ANSES sowie weitere Umweltexperten und -behörden empfehlen daher individuelle Risikoprüfungen und ein Umwelt-Monitoring für alle NGT-Pflanzen. Art und Umfang einer Veränderung erlaube keine Aussage über das Risikopotential eines NGT-Organismus. Zumal die Genschere Veränderungen zulässt, die mit herkömmlicher Züchtung praktisch unmöglich wären. Die Freisetzung von NGT-Pflanzen mit neuen Eigenschaften ist eine irreversible Entscheidung, die eine wissenschaftsbasierte Umwelt-Risikoprüfung braucht.

Schluss mit den Nebelkerzen

Fundamentalistische „Für/gegen Gentechnik“-Debatten lenken ab vom Ausverkauf der Natur durch CRISPR-Patente und fehlenden Haftungsregelungen. Denn Schäden durch nicht risikogeprüfte NGT1-Pflanzen gingen zulasten von Verbraucher*innen und Umwelt. Solche Debatten lenken auch davon ab, dass wir für bienenfreundliche, klimafeste Landwirtschaft keine Gentechnik brauchen. Statt auf die Ergebnisse höchst riskanter Gentechnik-Deregulierung zu warten, könnten wir sofort mit dem Umbau der Agrarsysteme beginnen.

Bernd Rodekohr, Fachreferent „Biene & Gentechnik“ Aurelia Stiftung


Biene sitzend auf Blüte