Herbstanemone
Zweig

Für ein Totalverbot der Neonicotinoide

Warum ein Verbot der Neonicotinoide richtig und wichtig ist.

Do 12. Oktober 2017 von Michael Slaby Bienengesundheit, Landwirtschaft, Neonicotinoide, Pestizide
 (Foto: shutterstock)
(Foto: shutterstock)

Bis Ende des Jahres will die EU-Kommission über den Einsatz von Neonicotinoiden entscheiden. Wie die Süddeutsche berichtete, plant die EU-Kommission ein Totalverbot von Neonicotinoiden im Freiland. In Frankreich ist der Einsatz dieser Giftstoffe bereits ab September 2018 verboten.

Im Jahr 2013 verbot die EU-Kommission 2013 die Anwendung der als besonders bienenschädlich geltenden Neonicotinoide Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam in allen Pflanzenkulturen, die von Bienen beflogen werden. Gleichzeitig beauftragte sie die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), die Risiken der Neonicotinoide neu zu bewerten.

Diese Bewertung liege nun vor, sagt Steffen Schulz, Pressesprecher der EU-Kommission: “Die Bewertung der EFSA legt nahe, dass eine Nutzung im Freien nicht unbedenklich ist. Entsprechend wird es einen Vorschlag der EU Kommission geben. Der Entscheidungsprozess ist noch im vollen Gange. Eine Entscheidung kommt voraussichtlich im Herbst.”

Im Juni 2017 versuchte die britische EU-Abgeordnete Julie Girling die Verbotspläne im Umweltausschuss des EU-Parlaments zu Fall zu bringen. Doch der Schuss ging nach hinten los, eine große Mehrheit der Ausschussmitglieder lehnten die Resolutionsentwürfe ab.

Auch Gewässer können gefährlich sein für Bienen. Auch Gewässer können gefährlich sein für Bienen.

Vor diesem Hintergrund unterstützen wir die Aurelia Stiftung, die gemeinsam mit dem BUND einen nationalen Bienen-Aktionsplan fordert, welcher ein Totalverbot aller Neonicotinoide beinhaltet.

Außerdem unterstützen wir den Aufruf von SumOfUs an die Regierungen der EU, ein europaweites Totalverbot der Neonicotinoide durchzusetzen.

Außerdem fordern wir Bündnis90/Die Grünen auf, ihre Wahlversprechen in die Tat umzusetzen und sich in den anstehenden Koalitionsverhandlungen für ein EU weites Totalverbot starkzumachen.

Bitte verbreitet diesen Aufruf sowie die Petition zum Bienenaktionsplan, damit das Verbot trotz massivem Gegenwind von Seiten der Industrie durchgesetzt wird!

Gründe, warum Neonicotinoide verboten werden müssen:

Neonicotinoide sind Ökosystemkiller

Sie haben auf alle Spezies Auswirkungen, die eine Pflanze kauen, ihren Saft oder ihren Nektar trinken, ihre Pollen oder ihre Früchte essen. Dadurch schwächen sie die Stabilität von ganzen Ökosystemen.

7000 mal toxischer als DDT

Für Bienen und andere Bestäuber sind die Nervengifte der Neonicotinoide im Schnitt rund 7.000-mal toxischer als DDT. Auch kleinste Mengen führen zu einer chronischen Vergiftung, welche den Orientierungssinn und die Gedächtnisleistung der Bienen schwächen, was dazu führt, dass sie nicht mehr zum Stock zurückfinden.

Auch für Bienen uninteressante Kulturen sind gefährlich

Kulturen, die für Bienen eigentlich uninteressant sind, wie etwa Getreide und Kartoffeln, werden von ihnen beflogen, etwa dann, wenn es zu einem starken Blattlausbefall kommt. Außerdem schwitzen die Pflanzen kleinste Wassertröpchen aus (sog. Guttationswasser), die gerne von Bienen als Wasserquelle genutzt werden. Durch Wind kann toxischer Staub auf umliegende Flächen abdriften, was einen weiteren Kontaminationspfad für bestäubende Insekten darstellt.

Reißender Absatz

Trotz des EU-weiten Teilverbots wurden im Jahr 2015 laut offizieller Statistik des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit noch immer insgesamt 203 Tonnen reine Neonicotinoid-Wirkstoffe im Inland verkauft. Um die Giftigkeit dieser Stoffe einschätzen zu können, ist es wichtig, sich etwa die Anwendungsvorschrift für das für für verschiedene Gemüsesorten zugelassene Mittel „Dantop“ (Wirkstoff Clothianidin) anzuschauen. Dem zufolge darf die maximale Aufwandmenge „von 150 g Wirkstoff pro Hektar und Jahr“ (!!!) nicht überschritten werden. Meist werden den Wirkstoffen weitere hochgiftige Stoffe beigesetzt, welche etwa die Struktur von Wasser verändern, so dass die Mittel noch besser in die Pflanze eindringen können. Eine Analyse der Pestizidstatistik legt nahe, dass jährlich schätzungsweise rund 1.000 Tonnen neonicotinoidhaltige Pflanzenschutzmittel-Zubereitungen in Deutschland verkauft werden.

Gefahr Wasserstelle

Zahlreiche Studien belegen, dass Pfützen, Tümpel und Gewässer in der Nähe von Agrarflächen, auf denen Neonicotinoide ausgebracht wurden, hohe Wirkstoffkonzentrationen aufweisen. In den Niederlanden wurden in Gewässern Konzentrationen gemessen, die den als unbedenklich eingestuften Wert um den 4.770-fachen Wert überstiegen (Tennekes 2010). Diese Wasserstellen sind eine der wichtigsten Kontaminationspfade für Nicht-Zielorganismen.

Giftig auch für Vögel

Das BVL weist darauf hin, dass Neonicotinoide giftig für Vögel sind und legt u.a. für das von BayerCrop Science vertriebene Saatgutbeizmittel Poncho Beta fest, dass auf den Packungen folgende Kennzeichnungen anzubringen sind: “Das Mittel ist giftig für Vögel; deshalb dafür sorgen, dass kein Saatgut offen liegen bleibt.“ sowie „Verschüttetes Saatgut sofort zusammenkehren und entfernen.”. Ob diese Anweisungen tatsächlich befolgt werden, lässt sich nicht wirklich überprüfen. In der Praxis ist es kaum zu vermeiden, dass einzelne gebeizte Samenkörner offen auf dem Feld verbleiben. Diese werden entweder von Vögeln aufgepickt oder mit dem Regen ausgewaschen. Für ein Rebhuhn liegt die mittlere letale Dosis bei fünf mit Neonicotinoiden gebeizten Samenkörnern (Quelle). Forscher sehen daher in den Neonicotinoiden einen ernstzunehmenden Faktor für die massiven Bestandsrückgänge bei Rebhühnern und anderen Vogelarten unserer Agrarlandschaften (ebd.).

Anreicherung im Boden

Neonicotinoide können sich im Boden monatelang und in manchen Fällen jahrelang halten. Die Bestandteile, in die sie sich aufspalten, sind oft genauso toxisch oder noch toxischer als die aktiven Bestandteile. So können sich Schadstoffkonzentrationen in der Umwelt aufbauen, welche viele Nicht-Zielarten wie Bienen, Vögel und andere Wildtiere langfristig chronisch vergiften. Im Labor werden jedoch nur die Effekte der einzelnen Wirkstoffe auf die Bienen geprüft, nicht aber die der Zerfallsprodukte sowie die kumulativen Effekte der Wirkstoffe in Kombination mit den weiteren Spritzmitteln (Herbizide, Fungizide etc.), die über das Jahr verteilt auf einem Feld ausgebracht werden.


Biene sitzend auf Blüte