Herbstanemone
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Die Heilkraft des Honigs

Honig wird bereits seit Jahrhunderten in der Naturheilkunde eingesetzt. Aber wie wirkt er genau und welcher Honig eignet sich besonders? Der Apitherapeut Detlef Mix gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Mi 24. Oktober 2018 von Gastautor*in Bienengesundheit, Honig

Im Jahr 2006 erschien mein Buch Die Heilkraft des Honigs, das bislang in verschiedenen Versionen weit über 100.000 Mal verkauft wurde. Darin beschreibe ich die Charakteristika von 28 Sortenhonigen und ihre medizinische Verwendbarkeit. Ein besonderes Kapitel ist darin dem neuseeländischen Manuka-Honig gewidmet. Auch das weitere Kapitel, das vom klinischen Honigeinsatz berichtet, handelt von diesem besonderen Honig aus dem Nektar der Südseemyrte (Leptospermum scoparium). Kliniken setzen wenn, dann in der Regel Medizinprodukte auf Manukabasis ein.

Manuka-Honig-Hype

Schon bevor mein Buch „Manuka-Honig – Ein Naturprodukt mit außergewöhnlicher Heilkraft“ 2014 erschien, wurde ich meistens mit Manuka in Verbindung gebracht und Anfragen bei mir drehen sich gewöhnlich um dieses Thema. Bei vielen Kollegen im Deutschen Apitherapiebund ist dieser sündhaft teure Honig vom anderen Ende der Welt ein absolutes Reizthema. Sie stehen auf dem Standpunkt, dass unser einheimischer Honig in jeder Hinsicht genauso geeignet sei. Deutsche oder europäische Honige sind auf jeden Fall sehr wertvoll. Ich schätze sie fast alle und bin froh, wenn ich zwischen den Honigfronten vermitteln kann. Schließlich hat Honig allgemein durch den großen Hype um Manuka-Honig in den letzten Jahren sehr viel mehr Aufmerksamkeit bekommen. Davon haben auch deutsche Imker profitiert – na ja, finanziell sicher nicht so wie ihre neuseeländischen Kollegen. Nach wie vor ist Manuka der weltweit am besten untersuchte Honig. Aber Studien, die die Vorzüge anderer Honige belegen, werden deutlich häufiger.

In arabischen, asiatischen und osteuropäischen Ländern sowie in Großbritannien ist man meines Erachtens schon seit vielen Jahren wesentlich intensiver in der therapeutischen Honigforschung engagiert. Dass Mellifera e. V. nun auf diesem Gebiet hier im Ländle Pionierarbeit leistet, finde ich äußerst erfreulich und lobenswert.

Bienen sind die wahren Honigexperten

Die wahren Honigexperten, das sind nicht irgendwelche Forscher an renommierten Instituten oder gar ein Heiltheoretiker wie ich, auch wenn manche Leute mich den Honeyman nennen. Die, die sich wirklich mit Honig auskennen, das sind die Bienen. Sie sammeln nicht nur das Rohmaterial, Blütennektar oder Honigtau, und sorgen anschließend dafür, dass daraus tatsächlich Honig entsteht, sie fügen der süßen Ausgangsflüssigkeit exakt die Menge an Enzymen hinzu, die für die Entwicklung und Haltbarkeit des Endproduktes notwendig ist. Wenn es um die antibakterielle Wirkung von Honigen geht, so steuern die Bienen in den meisten Fällen den größten Anteil dazu bei, wie es auch der Schweizer Bienenforscher Stefan Bogdanov in einer Vergleichsuntersuchung verschiedener Honige feststellte. Bogdanov bemerkte, dass selbst der Honig, den die Bienen aus bloßem Zuckerwasser herstellten, nur geringfügig schwächer ausfiel.

Südseemyrte: Aus ihr wird Manuka-Honig gewonnen. (Foto: pixabay) Südseemyrte: Aus ihr wird Manuka-Honig gewonnen. (Foto: pixabay)

Wir sollten jedoch nicht übersehen, dass die Bienen ihre Produkte in erster Linie für den Eigenbedarf herstellen. 2014 infizierten Wissenschaftler der Universität Halle in einem Gemeinschaftsprojekt mit Kollegen der Universität Cluj-Napoca (Rumänien) Bienen mit dem bienenspezifischen Darmpilz Nosema ceranae. Das klingt erstmal nicht sehr freundlich. Einer der Verantwortlichen, Dr. Silvio Erler, erklärt, was die Forscher mit dieser fiesen Aktion erreichen wollten: „Wir haben untersucht, ob Bienen entsprechend ihres Gesundheitszustands bei der Wahl des Honigs neben dem Nährwert auch den Heilwert berücksichtigen.“ Mit dem Problem wurden den Bienen jedoch auch Multiple-Choice-Lösungsvorschläge in Form von vier verschiedenen Honigen – Linden-, Robinien-, Honigtau- und Sonnenblumenhonig – angeboten. „Wir beobachteten, dass infizierte Bienen keinen Unterschied zwischen Linden- und Robinienhonig machten. Während Honigtauhonig von ihnen kaum gewählt wurde, hatten sie jedoch eine große Vorliebe für Sonnenblumenhonig, die mit zunehmender Infektion der Bienen sogar anstieg“, erklärt Erler und fügt hinzu: „Die Bienen wiesen eine wesentlich geringere Sporenmenge im Darm auf, wenn sie sich ausschließlich von Sonnenblumenhonig ernährt hatten. Bienen, die Honigtauhonig konsumiert hatten, zeigten hingegen einen stärkeren Befall.“ Die Wahl der Bienen wurde auch im Labortest bestätigt. Dr. Erler fasst seine Erkenntnisse aus dieser Studie wie folgt zusammen: „Honig ist also nicht nur gesund für den Menschen, sondern auch für die Bienen selbst, die im Krankheitsfall nicht den Honig wählen, der besser schmeckt, sondern den, der besser hilft.“ Guter Geschmack und optimale Wirksamkeit müssen sich allerdings nicht zwangsläufig ausschließen. Mein Geschmacksfavorit ist übrigens Kastanienhonig mit seiner edlen Bitternote, über den es zahlreiche Studien gibt, die u.a. seine hohe antimikrobielle Wirkung, seine Fähigkeit, DNA zu reparieren und sogar gegen Brustkrebs zu wirken, beschreiben.

Während die Haller Forscher von Nähr- und Heilwert des Honigs sprechen, habe ich von Jürgen Tautz gelernt, dass es den Bienen vorwiegend auf den Brennwert ankommt, Honig also so eine Art Kerosin für sie darstellt, womit sie fliegen und heizen. Ihre Hauptnahrungsquelle ist der Blütenpollen, den sie mithilfe von Lactobazillen milchsauer zu Perga fermentieren. Die Erkenntnis, dass Bienenprodukte wie Propolis und Honig selektiv antibiotisch wirken, war für mich lange kaum zu begreifen. Wie sollen solche Stoffe zwischen Freund und Feind unterscheiden können? Der slowakischen Mikrobiologin Sona Dubna gelang es, über 20 verschiedene Stämme von Lactobazillen in Bienen und Bienenstöcken nachzuweisen, die dort in friedlicher Koexistenz leben. Bienen schonen nicht nur ihre Symbionten, sie fördern sie regelrecht. Das gleiche trifft ebenfalls auf ihre Erzeugnisse zu. Honig eliminiert pathogene Keime konsequent, stärkt jedoch die Position der nützlichen physiologischen Flora. Da können wir noch viel von den weisen Immen lernen, besonders wenn wir entscheiden müssen, ob wir bereit sind, das Leben unserer Verbündeten im „friendly fire“ von schweren Breitband-Antibiotika-Geschützen zu opfern.

Für die Verwendung von „normalem“ Honig anstelle von Manuka-Honig spricht auf jeden Fall die Tatsache, dass dieser bereits vor der Entdeckung des neuseeländischen Ausnahmetalents erfolgreich eingesetzt wurde. Die Honig-Lebertran-Mischung, mit der in den Feldlazaretten des 1. Weltkriegs schwerste Verletzungen und Amputationen versorgt wurden, enthielt wohl kaum Manuka-Honig. Auch der Wiesbadener Arzt Dr. Schacht, über den Dr.Bodog Beck 1938 in seinem Buch „Honey and Your Health“ schrieb, dass dieser hoffnungslose Fälle von Magen- und Darmgeschwüren mit Honig und ohne Operation geheilt hätte, benutzte dazu wahrscheinlich eher hessischen Honig. Dr. Bernard Descotte, leitender Arzt und Chirurg aus Limoges, verließ sich gern auf regionalen Honig, vorzugsweise Thymianhonig, um selbst große Wunden damit zu versorgen.

Honig aus wesensgemäßer Bienenhaltung

Honig  in Naturwaben. (Foto: Mellifera e. V.) Honig in Naturwaben. (Foto: Mellifera e. V.)

Da ich gefragt wurde, ob ich spezielle Vorzüge bei der Verwendung von Honig aus wesensgemäßer Bienenhaltung sehen würde, kann ich nur sagen, dass ich es ähnlich sehe wie einige fortschrittliche Arbeitgeber, die erkannt haben, dass ihre Beschäftigten besser arbeiten, wenn sie sich rundum wohl fühlen. Ein angenehmes Betriebsklima trägt sicher zu einer höheren Produktqualität bei. Honig, der von gesunden, ungestressten Bienen erzeugt wurde, muss einfach hochwertiger ausfallen als solcher, der von pestizidgeschwächten Hochleistungsbienen stammt. Dr. Cristina Aosan, die früher häufig auf dem Apitherapie-Kongress in Passau referierte, schilderte dort einmal, wie sie eine Verbrennung, die sie sich beim Grillen zugezogen hatte, mit Honig und Propolis behandelte. Sie gab an, dass sie Propolis in der Läsion direkt gut vertragen hätte, das umliegende gesunde Gewebe jedoch allergisch reagiert hätte. Als sie jedoch dazu überging, Propolispäparate aus wesensgemäßer Bienenhaltung zu verwenden, blieb die allergische Reaktion aus. Das legt zum einen nahe, dass solche Produkte einfach besser sein müssen, zum anderen aber auch, dass Allergien nicht so sehr durch Naturprodukte selbst, als vielmehr durch Rückstände von Stoffen ausgelöst werden, die nicht da hinein gehören.

Was die Qualitätskriterien für geeigneten Honig aus apitherapeutischer Sicht betrifft, so sind diese vom Apitherapiebund schon relativ streng festgesetzt. Die strikte Einhaltung der Honigverordnung reicht da noch nicht. Imkern nach biologischen Standards ist eine Grundvoraussetzung. Bienenbändiger, die ihre Wirtschaftsweise den Bedürfnissen der Bienen anpassen und nicht die Lebensumstände ihrer Nutztiere den eigenen wirtschaftlichen Interessen unterwerfen, wären sicher die idealen Lieferanten wirkungsvoller Apitherapiemittel.

Die Frage, wann man Manuka-Honig einsetzen sollte und wann ein guter naturbelassener Honig ausreichen würde, lässt sich nicht grundsätzlich beantworten. Lange bevor ich Manuka kannte, habe ich Wunden selbst mit billigem Supermarkthonig mit zufriedenstellendem Ergebnis behandelt. Es hängt sicher auch davon ab, ob eine Wunde frisch oder bereits chronisch infiziert ist. Bei frischen oberflächlichen Wunden oder auch Verbrennungen reicht meistens ein guter Biohonig. Bei tiefen chronischen und mit antibiotikaresistenten Keimen verseuchten Wunden würde ich gleich Manuka-Honig einsetzen. Die antibakterielle Wirkung ist bei den meisten Honigen von Wasserstoffperoxid abhängig, welches durch Reaktion von Glucosoxidase, einem Enzym, das die Bienen ihrem Honig beimengen, mit Wasser und Sauerstoff entsteht. Das funktioniert allerdings nur so lange, bis der Prozess durch ein anderes Enzym, nämlich Katalase, im Gewebe wieder gestoppt wird, nicht zuletzt weil Wasserstoffperoxid potenziell zytotoxisch wirkt und unser Körper sich dagegen wehrt. Anders verhält es sich mit Methyglyoxal, dem Hauptwirkstoff des Manuka-Honigs, der auch endogen produziert wird und den Einsatz über längere Zeiträume in tiefen Wunden und unter dichten Verbänden möglich macht.

Alternativen zu Manuka-Honig

Aufgrund der ungeheuer großen Nachfrage auf dem Weltmarkt sucht man beispielsweise in Australien sehr intensiv nach Alternativen zu Manuka. Der nahe Verwandte Jellybush (Leptospermum polygallifolium) wird dort seit langem als gleichwertiger Ersatz geschätzt. Eine chinesische Studie aus dem Juni 2018 bescheinigt dem Buchweizenhonig gleichwertige, teilweise sogar überlegene Eigenschaften im Vergleich mit Manuka-Honig. Demzufolge weist Buchweizenhonig vergleichbares antibakterielles Potenzial bei den üblichen Verdächtigen Staphylococcus aureus und Pseudomonas aeruginosa, einen beachtlichen Mineral- und Phenolgehalt, sowie sogar einen höheren Gehalt an Antioxidantien auf. Der etwas eigenwillig herbe Geschmack dieser Honigsorte sollte uns nicht daran hindern, ihn in unsere therapeutischen und diätischen Pläne einzubeziehen.

Prinzipiell lässt sich jeder Honig analog zum phytotherapeutischen Einsatzgebiet seines floralen Ursprungs benutzen. Thymianhonig bei Husten, Lavendelhonig zur Entspannung, Weißdornhonig zur Herzstärkung, Sonnenblumen- und Lindenhonig bei Erkältung und Grippe und, und, und. Honig aus der unmittelbaren Umgebung eignet sich als Mittel zur Hyposensibilisierung für Pollenallergiker, da er immer auch die Pollen enthält, auf die man persönlich reagiert und gleichzeitig ausgleichend auf unser Immunsystem wirkt. Heimischer und vor allem Honig, der durch sanften Umgang mit den Bienen gewonnen wurde, lässt sich ziemlich vielseitig im Dienste unserer Gesundheit einsetzen. Manchmal muss man es einfach ausprobieren, denn nur die selbst gemachten Erfahrungen bringen uns letztendlich weiter.

Detlef Mix (Heilpraktiker & Apitherapeut)


Biene sitzend auf Blüte