Herbstanemone
Zweig

Die Vergessenen

Wir betrachten blühende Bäume abseits von Streuobstwiesen. Sie finden wenig Beachtung, sind aber äußerst wertvoll für die Artenvielfalt.

Do 13. Februar 2025 von Gastautor*in BieneMenschNatur.47, Gehölze, wildlebende Bienen, Öffentliches Grün
V.l.n.r.: Eine 12 Meter hohe und 600 - 1000 Jahre alte  Sommerlinde; Über die so genannten „Weidenkätzchen“ vermehrt sich die Weide; Ein Spitzahorn in der Blüte. (Foto: Tom Trujen; Theresia Herdegen; Linda Trein)
V.l.n.r.: Eine 12 Meter hohe und 600 - 1000 Jahre alte Sommerlinde; Über die so genannten „Weidenkätzchen“ vermehrt sich die Weide; Ein Spitzahorn in der Blüte. (Foto: Tom Trujen; Theresia Herdegen; Linda Trein)

Über die Artenvielfalt auf Streuobstwiesen ist bereits viel geschrieben worden. Doch unsere heimischen blühenden Alleebäume, Feldgehölze, Stadtbäume und blühenden Bäume am Waldrand brauchen noch mehr Aufmerksamkeit, wenn es um die Förderung der Insektenvielfalt geht. Leider geraten sie auch bei Neupflanzungen in Städten und Gärten häufig in Vergessenheit. Stattdessen werden vermehrt nicht-heimische Baumarten angesiedelt, denen in Zeiten des Klimawandels und bei verdichteten Böden eine besondere Widerstandsfähigkeit zugeschrieben wird. Deshalb werden sie stark bevorzugt. Dabei gibt es durchaus heimische blühende Baumarten, die auch auf Extremstandorten gut gedeihen können. Das eigentliche Problem beginnt jedoch bei den Wurzeln.

Unsere heimischen blühenden Bäume mögen vielleicht unscheinbar wirken, sind weniger gefragt oder gelten nicht als trendy. Doch das ist unserer Meinung nach völlig ungerechtfertigt. Sie sind wichtige Trachtpflanzen für Honigbienen und diese Bäume bieten Lebensraum und Nahrung für ein Drittel unserer heimischen Insektenarten. Kurz gesagt: Wenn man innehält und genau hinhört, summt es – ein wenig verborgen für uns Menschen – hoch oben in den Kronen unserer heimischen Bäume. Im Folgenden stelle ich ein paar wenige dieser Bäume und ihre Bedeutung für die Biodiversität und insbesondere für Wildbienen näher vor.

Die Linde

Die Gattung Tilia, auch bekannt als Linde, umfasst weltweit etwa 35 Arten. In Deutschland sind die Winterlinde (Tilia cordata) und die Sommerlinde (Tilia platyphyllos) heimisch. Die Blüten der Linden sind reich an Nektar und ziehen Honigbienen und eine Vielzahl von anderen Insekten an. Ihre Blütezeit liegt im Sommer, wenn viele andere Pflanzen bereits verblüht sind, wodurch sie eine wichtige Nahrungsquelle für Bestäuber darstellen. Insbesondere bieten sie ein hohes Potenzial zur Förderung von Wildbienen-Gemeinschaften. Da die Entwicklung sozialer Hummelvölker zur Blütezeit der Linden ihren Höhepunkt erreicht, profitieren diese besonders stark.

Unsere heimischen Sommer- und Winterlinden sind sehr anpassungsfähig und können ein hohes Alter erreichen; einige Exemplare sind über tausend Jahre alt. Alte Linden sind von großer Bedeutung für höhlenbrütende Vögel, Fledermäuse und seltene Käferarten. In Anbetracht des Klimawandels könnte die Winterlinde in unseren Städten eine wichtige Rolle spielen, da sie relativ gut mit Hitze und Trockenheit umgehen kann.

Der Ahorn

Die Gattung Acer, oder Ahorn, umfasst weltweit etwa 150 Arten. In Deutschland sind jedoch nur drei Arten heimisch: der Bergahorn (Acer pseudoplatanus), der von Mai bis Juni blüht; der Feldahorn (Acer campestre), der im Mai blüht; und der Spitzahorn (Acer platanoides), der im April blüht. Die Blüten der Ahornarten sind im Vergleich zu anderen Baumarten eher unscheinbar, was möglicherweise die geringe Forschung über ihre Bedeutung für (Wild-)Bienen erklärt.

Den wenigen Studien, die in Deutschland durchgeführt wurden, zufolge, weisen Ahornarten eine hohe Populationsdichte sowie Artenvielfalt von Wildbienen auf. In einigen Vergleichen wurden sogar mehr Wildbienenarten auf Ahorn als auf Linde nachgewiesen. Unsere heimischen Ahornarten stellen zudem eine wichtige Pollenquelle für Wildbienen dar und sind bedeutende Nahrungspflanzen für zahlreiche Insektenarten.

Außerhalb der Vegetationsperiode sind die geflügelten Ahornsamen eine wertvolle Nahrungsquelle für viele Vogelarten und kleine Säugetiere. Das heruntergefallene Laub trägt zur Bodenfruchtbarkeit bei und fördert, nachdem es zersetzt ist, verschiedene Bodenorganismen. Im Klimawandel könnten unsere heimischen Ahornarten eine wichtige Rolle spielen, da sie breite Standortansprüche haben und relativ schnellwüchsig sind. Die gute Bildung von nährstoffreichem Humus nach dem Blattabwurf ist in Zeiten von Bodenerosion ebenfalls von großer Bedeutung.

Die Weide

Die Gattung Salix, oder Weide, umfasst weltweit etwa 470 Arten. In Deutschland sind rund 30 Arten heimisch. Ökologisch sind Weiden sehr wertvoll, da fast alle Arten von Insekten bestäubt werden. Einige heimische Arten beginnen bereits sehr früh mit der Blüte. Die Sal-Weide (Salix caprea) blüht oft bereits im Februar – in milden Wintern sogar schon Ende Januar. Die Reif-Weide (Salix daphnoides) hingegen blüht bis in den Mai hinein.

Die Gattung ist somit im Frühjahr eine wichtige Nahrungsquelle für Honigbienen, viele Wildbienenarten und andere Insekten. Es gibt sogar spezialisierte Wildbienen- und Schmetterlingsarten, für die Weiden überlebenswichtig sind. Zahlreiche heimische Vogelarten können ebenfalls dabei beobachtet werden, wie sie Nektar saugen oder Pollen fressen. Besonders alte Exemplare sind wichtig als Unterschlupf und Nistmöglichkeit und beherbergen holzbewohnende Insekten. Sie dienen auch als Träger für Pflanzen, die auf anderen Pflanzen wachsen, wie Farne, Misteln, Moose und Flechten.

Weiden könnten sich ebenfalls an den Klimawandel anpassen, insbesondere in Feuchtgebieten, wo sie je nach Art gut mit Extremwetterereignissen wie Überschwemmungen und Trockenperioden umgehen können.

Tom Truijen, Netzwerk Blühende Landschaft


Biene sitzend auf Blüte