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Blühstreifen - Synergien zwischen Umweltschutz und landwirtschaftlicher Nutzung

Wir sind durch mehrere Veröffentlichungen über den ökologischen und wirtschaftlichen Nutzen von Blühstreifen in Ackerkulturen auf die Arbeiten von Matthias Tschumi und Kollegen aufmerksam geworden. Ende 2016 wurden seine Ausarbeitungen von einem bekannten Schweizer Umweltingenieurbüro als besonders praktikabel für den Natur- und Landschaftsschutz ausgezeichnet. Grund genug also für das Netzwerk Blühende Landschaft sich mit den Ergebnissen auseinanderzusetzen und Matthias Tschumi, der derzeit an der Universität Lund in Schweden forscht, um ein Interview zu bitten.

Do 13. April 2017 von Holger Loritz BieneMenschNatur.32, Blühflächen, Garten, Insekten, Landwirtschaft, Naturschutzflächen, Saatgut
Einjähriger Blühstreifen im Getreideanbau (Foto: Matthias Tschumi)
Einjähriger Blühstreifen im Getreideanbau (Foto: Matthias Tschumi)

Lieber Matthias, herzlichen Glückwunsch zum Erhalt des Forschungspreises der Hintermann & Weber AG! Das ist eine tolle Sache.

Herzlichen Dank! Das ist tatsächlich eine große Ehre, denn die Arbeit des Büros an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis hat mich seit jeher inspiriert.

In Deiner Dissertation bearbeitest Du die Wirkung von Blühstreifen auf Ackerkulturen. Was hat Dich an dem Thema interessiert und warum sind Eure Ergebnisse interessant für Landwirtschaft und Naturschutz?

Das Thema hat mehrere sehr interessante Aspekte. Es ist sowohl für die Grundlagenforschung als auch für die angewandte Forschung wichtig. Denn zum einen erlaubt es die Klärung grundlegender Mechanismen der Wechselwirkungen zwischen Pflanzen, Schädlingen und Nützlingen und zum anderen zeigt es direkte Anwendungsmöglichkeiten für die landwirtschaftliche Praxis auf. Wir können zeigen, dass es mögliche Synergien zwischen Umweltschutz und landwirtschaftlicher Erzeugung gibt. Natürlich gibt es auch hier Konfliktpotenzial – aber was gibt es schöneres als zu zeigen, dass unter gewissen Umständen Lösungen möglich sind, die sowohl der Natur als auch der Nahrungsmittelerzeugung zu Gute kommen.

Blattläuse und Getreidehähnchen sind bedeutende Schädlinge bei Kartoffeln und Getreide. In Euren Untersuchungen konntet Ihr zeigen, dass es im Umfeld der Blühstreifen ca. 40 bis 77% geringere Dichten der Schädlingslarven gibt und durch Blühstreifen unter Umständen sogar der Ertrag gesteigert werden kann. Kannst Du bitte für unsere Leser diese Zahlen einordnen?

Getreidehähnchen: Ein Schädling im Getreideanbau. (Foto: Matthias Tschumi) Getreidehähnchen: Ein Schädling im Getreideanbau. (Foto: Matthias Tschumi) Die Zahlen einzuordnen ist nicht ganz einfach. Generell lässt sich aber sagen, dass die Nützlinge präventiv eine starke Vermehrung von Schädlingen eindämmen. Durch eine starke Anwesenheit der Nützlinge werden hohe Ertragsverluste durch Schädlinge unwahrscheinlicher. In unseren Studien wurde das besonders durch eine potentielle Verringerung des Insektizideinsatzes offensichtlich. Da die Schadschwellen, ab denen ein Einsatz von Insektiziden für den Landwirt rentabel wird, nicht erreicht werden. Wenn sich der konventionelle Landwirt an eine gute Schadschwellenpraxis hält und die Schädlingsdichten im Feld als Referenz nimmt, dass heißt wirklich nur bei sehr starkem Befall behandelt, können damit tatsächlich Insektizide eingespart werden. Im Ökolandbau sind Insektizide sowieso kein Thema.

Auf wie viele Insektizid-Behandlungen, die ja auch Blüten besuchende Insekten wie Schmetterlinge, Hummeln und Honigbienen schädigen, kann ein konventionell arbeitender Landwirt dadurch verzichten?

Das kann ich so nicht mit einer Zahl beantworten. Das hängt stark von den jeweiligen Gegebenheiten ab. Problematisch ist, wenn Landwirte präventiv spritzen, ohne die Schädlingsdichten im Feld zu berücksichtigen. Das ist sowohl ökonomisch als auch ökologisch ineffizient, da zum Beispiel Schädlinge dadurch resistent werden können. Manchmal sind Insektizid-Behandlungen gegen gewisse Schädlinge gar nicht nötig, weil die Schädlinge die erwähnten Schadschwellen auch ohne Blühstreifen gar nicht erreichen. Man kann davon ausgehen, dass mit einem Blühstreifen die Schadschwelle erst spät oder gar nicht erreicht wird. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass der Landwirt mindestens eine oder sogar mehrere Behandlungen einsparen kann.

Habt ihr noch Hinweise zur Förderung weiterer Nützlinge gefunden? Wenn ja, welche?

Nebst der Förderung der Ziel-Nützlinge wie Schwebfliegen, Florfliegen und Marienkäfer haben wir beispielsweise auch positive Effekte auf Laufkäfer und räuberische Wanzen gefunden. Auch dies sind potentielle Gegenspieler der erwähnten Schädlinge. Weitere positive Effekte sind auch für Honigbienen, Wildbienen und Hummeln oder auch seltene Ackerwildkräuter wahrscheinlich.

Wie schätzt Du die Wirkung von mehrjährigen Blühflächen für die Wertigkeit biologischer Schädlingsbekämpfung ein?

Viele Pflanzenarten, die in unseren einjährigen Blühstreifenmischungen für Nützlinge enthalten sind, werden zum Teil auch in mehrjährigen Mischungen verwendet. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass mehrjährige Mischungen per se weniger wirksam für die biologische Schädlingskontrolle sein sollten. Wir haben auch eine Studie mit mehrjährigen Blühflächen gemacht, die gezeigt haben, dass diese sich auch positiv auf die biologische Schädlingskontrolle auswirken. Der Vorteil von einjährigen Blühstreifen ist, das sie sehr flexibel sind und sich gezielt dort einsetzten lassen, wo die Nützlinge benötigt werden, um den Nutzen für die Produktion zu maximieren. Zudem verändert sich die Artenzusammensetzung in mehrjährigen Blühflächen über die Jahre zum Teil stark und lässt sich so weniger gut steuern. Das kann dazu führen, dass nach einigen Jahren zum Teil nur noch wenige für Nützlinge interessante Blütenressourcen vorhanden sind, wohingegen in den einjährigen Blühstreifen die Dichte von gewünschten Blüten oft hoch ist.

Mehrjährige Blühstreifen sind Nist- und Quellhabitate für Nützlinge und viele wildlebende Blütenbestäuber. (Foto: Matthias Tschumi) Mehrjährige Blühstreifen sind Nist- und Quellhabitate für Nützlinge und viele wildlebende Blütenbestäuber. (Foto: Matthias Tschumi)

Trotzdem können einjährige Blühstreifen nicht die gleiche Vielfalt und Beständigkeit von Ressourcen bieten wie mehrjährige Elemente. Sie sind stark auf die Kolonisierung durch Nützlinge aus mehrjährigen Elementen angewiesen. Die Nützlinge brauchen ja auch Schutz und Überwinterungsmöglichkeiten. Zudem bieten mehrjährige Blühflächen oft auch Nistmöglichkeiten für Wildbienen oder bestimmte Ressourcen für andere spezialisierte Nützlinge.

Das Netzwerk Blühende Landschaft setzt sich für vielfältige und artenreiche Blühflächen ein. Das Projekt BienenBlütenReich legt nun mit Hilfe von Blühpaten blühende Anschauungsflächen für Landwirte an. Welchen Tipp kannst Du uns geben, um unsere Handlungsempfehlungen für Landwirte noch besser zu machen?

Es ist ein besonderer Verdienst des Netzwerk Blühende Landschaft die Ergebnisse aus der Forschung für die Praxis so genau und allgemein verständlich aufzuarbeiten. Dass ihr die Erkenntnisse gleich in Vorzeigeprojekte, wie das BienenBlütenReich, umsetzt, ist außergewöhnlich und äußerst wichtig.

Blühpatenschaften

Die beste Lösung ist generell, eine Vielfalt von gut miteinander Vernetzten naturnahen Lebensräumen, also Waldfragmenten, Hecken, naturnahen Wiesen, Brachen und Blühstreifen, mit einer nützlingsschonenden Bewirtschaftung zu kombinieren.

Das Design der Blühmischungen hängt stark vom Ziel ab, das damit erreicht werden soll. Es scheint nicht möglich alle Ziele gleichzeitig mit einer Mischung zu maximieren. Die Mischung wird etwas anders aussehen, je nachdem ob man die Biodiversität per se fördern möchte – also z. B. durch eine möglichst große Vielfalt an einheimischen Wildblumen mit verschiedenen strukturellen Eigenschaften – oder den Nutzen für Bestäuber oder Gegenspieler von Schädlingen maximieren möchte. Auch für Bestäuber und Gegenspieler von Schädlingen ist eine taxonomische Vielfalt von Pflanzenfamilien wichtig. Eine Vielfalt von Pflanzen führt oft zu einer Vielfalt von Nützlingen, die oft sogar Synergien bei der Bestäubung und Schädlingskontrolle an den Tag legen. Es gibt aber einzelne Pflanzenfamilien oder Arten, die für einzelne Nützlinge besonders wertvoll sind, z.B. Buchweizen für Schwebfliegen oder Ackersenf für einige Wildbienen. Diese können in einer Mischung gezielt gestärkt werden. Monokulturen helfen aber meist nicht die gewünschten Ziele zu erreichen.

Die beste Lösung ist generell, eine Vielfalt von gut miteinander Vernetzten naturnahen Lebensräumen, also Waldfragmenten, Hecken, naturnahen Wiesen, Brachen und Blühstreifen, mit einer nützlingsschonenden Bewirtschaftung zu kombinieren. Einjährige Blühstreifen mit gezielt auf gewünschte Nützlinge ausgerichteten Mischungen sind eine optimale Ergänzung dazu, um die Nützlinge im Sommer zu unterstützen und an die Felder hin zu locken. Sie können aber mehrjährige Elemente nicht ersetzen.

Könnte man sagen, dass eine artenreiche Ackerwildkraut-Flora ebenfalls als Lebensgrundlage für biologische Nützlinge dient?

Durchaus. Es gibt Studien, die ganz klar zeigen, dass manche Wildkräuter im Acker zu einer vitaleren Nützlingspopulation führen. Somit können einige Ackerwildkräuter im Feld klar zu einer verstärkten biologischen Schädlingskontrolle beitragen. Ein Beispiel ist die Kornblume, die der parasitoiden Wespe Microplitis mediator als Nektarnahrung dient und diese verstärkt anlockt. Die Wespe ist Gegenspieler einer Kohl-Eule, die ein bedeutender Schädling auf Kohl-Feldern sein kann.

Arbeitest Du weiter an diesem oder einem ähnlichen Thema?

Im Moment forsche ich daran, wie verschiedene Organismen, z.B. Vögel, Mäuse und Invertebraten, in Ackerkulturen zur biologischen Schädlingskontrolle beitragen – und aber auch unter welchen Bedingungen sie vermehrt Schaden anrichten. Dazu sind wiederum Einflüsse von Landschaftselementen, wie Hecken, extensiv bewirtschaftete Wiesen oder Blühelementen wichtig. Das Thema ist deshalb verwandt, hat aber nicht direkt mit Blühstreifen zu tun.

Das Interview führte Holger Loritz.


Biene sitzend auf Blüte