Jahrestagung 2008 „Blütenvielfalt in der Agrarlandschaft“ - Von Blüten, Bienen und Rehen
Bioland und Demeter NRW hatten gemeinsam mit dem Netzwerk Blühende Landschaft am 29. Februar 2008 ins Schloss Oberwerries bei Hamm geladen. Etwas über 100 Teilnehmer, bunt gemischt – aus Naturschutz, Jägerschaft, Imkerschaft, Landwirtschaft, Behörden und Politik – und damit passend zum Thema der Tagung „Blütenvielfalt in der Agrarlandschaft“, stellten sich ein.
Sa 15. März 2008 von Holger Loritz VeranstaltungIst Blütenvielfalt in der Agrarlandschaft Luxus?
Nach den Grußworten von Minister Uhlenberg (Minister für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Nordrhein-Westfalen) eröffnete Utto Baumgartner vom Netzwerk Blühende Landschaft mit der provokanten Frage „Ist Blütenvielfalt in der Agrarlandschaft Luxus?“ den Reigen der Fachvorträge. Er führte die Zuhörer in einem fotografischen Rundgang zum einen durch eintönige Mais-, Raps- und Getreideflächen, öde Vorgärten und verdeutlichte das einseitig auf das Frühjahr verteilte jahreszeitliche Blütenangebot in unserer Landschaft. Zum anderen zeigte Baumgartner dazu kontrastierende Ackerrandstreifen, blühenden Zwischenfrüchte und mit einheimischen Kräutern bepflanzte Verkehrsinseln. Hier wurde jedem Zuhörer klar, dass der vermeintliche Luxus Blütenvielfalt vielmehr eine Notwendigkeit darstellt. Nicht nur Nektar und Pollen suchende Insekten, wie Bienen, Hummeln, Schmetterlinge und Käfer profitieren davon, sondern auch besonders wir Menschen, denn weltweit sind etwa 30 % der menschlichen Nahrungspflanzen auf Bestäubung durch Insekten angewiesen. So forderte Baumgartner einen Ausgleich für den geplanten Wegfall der bisher von der EU geförderten Ökologischen Flächenstilllegung in der Landwirtschaft – deutschlandweit werden dadurch 600.000 ha wertvoller Rückzugsräume für die Tierwelt vor allem dem Anbau von sogenannten nachwachsenden Rohstoffen zum Opfer fallen.
Plädoyer für das große Netzwerk der Lebewesen untereinander
Dr. Thomas van Elsen vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau führte die Teilnehmer in Folge in die Welt der Ackerwildkräuter ein. Fast alle Arten, einst häufig und weit verbreitet, sind inzwischen gefährdet. Anschließend hielt Dr. Werner Mühlen von der Abteilung Bienenkunde der Landwirtschaftskammer NRW ein unterhaltsames und zugleich bewegendes Plädoyer für den Lebensraumschutz der kleinen Tiere und ein Bewusstsein für das große Netzwerk der Lebewesen untereinander. Denn kein Großsäuger, ob Luchs, Bär oder Mensch kann ohne die vielen kleinen verknüpften Seile des Nahrungsnetzes aufrecht stehen.
Auf einen anderen Fokus, nämlich höhere zeitliche Kontinuität des Lebensraums Brache, legte Gerhard Thomas, Vertreter des Landesjagdverbandes NRW, wert. Die Jägerschaft fordert nicht nur Blütenvielfalt im Sommer, sondern auch ausreichend Deckung für das Niederwild im Winter. Ein Altgrasbestand im Frühjahr, der oftmals keine Blütenpracht mehr zeigt, kann trotzdem von Bedeutung sein.
Blütenvielfalt in der Landwirtschaft
Eva Meyerhoff, Naturschutzberaterin am Kompetenzzentrum Ökolandbau Niedersachsen, brachte den Zuhörern konkrete Umsetzungsbeispiele von Maßnahmen für mehr Blütenvielfalt in der Landwirtschaft näher. Sie unterstrich eindrucksvoll, dass die Umsetzungen vor allem dann erfolgreich sind, wenn die Landwirte bei selbst gewollten Maßnahmen durch Beratung unterstützt werden und wenn keine erheblichen Bewirtschaftungseinbußen auftreten.
Ähnliche Ergebnisse erbrachte ein vierjähriges Forschungsprojekt zu Blühstreifen als betriebsintegrierte Naturschutzmaßnahme in der Börde, wie Alexander Becker von der Stiftung Rheinische Kulturlandschaft erzählte. Mehrjährige Blühstreifen sind sehr einfach und flexibel anzulegen und zeigten selbst in der intensiv agrarisch genutzten Kölner Bucht deutliche Verbesserungen für die Kleinfauna. Auch nach Ende des Projektes führen einige Landwirte weiterhin Blühstreifen verschiedener Entwicklungsstadien weiter.
Den Abschluss der Vorträge markierte Dr. Ulrich Hampl von der Stiftung Ökologie & Landbau. Er beleuchtete die Chancen und Möglichkeiten des Ökolandbaus, sich in der Diskussion aktiv einzubringen. Zu den wichtigsten Erfahrungen des Ökolandbaus zählen die Förderung der natürlichen Bodenfruchtbarkeit durch Anbau artenreicher Gründüngung mit Leguminosen, sowie die verringerte Nutzungsintensität der Flächen ohne Einsatz von mineralischem Dünger und synthetischem Pflanzenschutz. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen belegen die systemimmanenten positiven Wirkungen des Ökolandbaus wie beispielsweise die höhere Artenvielfalt auf Flächen des Ökolandbaus im Vergleich zu konventionell bewirtschafteten Flächen. Die Verbraucher hätten es selbst in der Hand, den Ökolandbau und damit eine blühende Landschaft zu unterstützen.
Aus verschiedenen Blickwinkeln auf ein gemeinsames Ziel
Mit der für einige möglicherweise überraschenden Erkenntnis, dass eine Biene kein Reh sei, wurde in der Schlussdiskussion deutlich, dass alle anwesenden Akteure das gleiche Ziel einer lebenswerten blühenden Landschaft verfolgen, wenngleich auch jeder aus seinem Blickwinkel für seine spezielle Zielart eintritt. Dieser Gemeinsamkeit gilt es sich bewusst zu werden, denn eine Idealmaßnahme gibt es nicht. Nur viele verschiedene, gute Maßnahmen führen zu einer vielfältigen, blühenden Landschaft.
Allen Beteiligen herzlichen Dank
Der Dank gilt vor allem Ute Buschhaus, Naturschutzberaterin bei Bioland und Demeter NRW, für die sehr gute Organisation, Moderation und Gastfreundschaft. Finanziell wurde die Veranstaltung unterstützt von der Stiftung für Umwelt und Entwicklung in Bonn. Durch die Kooperation mit folgenden Verbänden und Institutionen konnten viele Menschen erreicht werden: BUND NRW, NABU NRW, LNU (Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt NRW), Landwirtschaftskammer NRW, Imkerverbände von Westfalen-Lippe und Rheinland, Mellifera e. V., Stiftung Rheinische Kulturlandschaft, Stiftung Ökologie & Landbau, Deutsche Wildtierstiftung, CIC (Internationaler Rat zur Erhaltung des Wildes und der Jagd), Landesjagdverband Nordrhein-Westfalen, ÖJV (Ökologischer Jagdverband e. V.).