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Lieber von hier! Warum gebietseigene Pflanzen ökologisch so wertvoll sind

Nichts gegen die in vielen leuchtenden Farben blühende Mössinger Mischung oder die Veitshöchheimer Bienenweide! In Ortschaften oder auf landwirtschaftlichen Flächen ausgesät, bieten sie Honigbienen und einigen Wildinsekten willkommene Nahrung. Doch für die heimische Natur weitaus wertvoller sind gebietseigene Pflanzen. Warum, erklärt Anne-Kathrin Spatz vom Netzwerk Blühende Landschaft.

Fr 2. Oktober 2015 von Gastautor*in Saatgut
Fettwiese mit rund 40 Arten bei Moosinning (Foto: Reinhard Witt)
Fettwiese mit rund 40 Arten bei Moosinning (Foto: Reinhard Witt)

Verkehrsinseln, Straßenränder an Ortseingängen oder Ackerrandstreifen stehen seit einigen Jahren immer häufiger in prachtvoller Blüte. Flächen, die bisher eintönig grün aussahen, strahlen nun öffentlichkeitswirksam in satten Farben. Sie erfreuen Passanten und Bewohner und sorgen in der lokalen Presse häufig für positive Meldungen. Neben ihrem optischen Wert wollen viele dieser Mischungen ein „Bienenparadies“ oder „Bienen- und Hummelschmaus“ sein. Doch es gibt auch kritische Stimmen: Botaniker, Biologen und Naturschützer geben zu bedenken, dass solche „Exotenmischungen“ nicht nachhaltig sind und sogar ökologische Risiken bergen. Zudem böten sie nur wenigen, nicht spezialisierten Insektenarten eine Nahrungsgrundlage.

Der große Zusammenhang

Mit der Unterzeichnung der Biodiversitätskonvention von Rio, die 1993 in Kraft getreten ist, verpflichtete sich auch Deutschland, die biologische Vielfalt (Biodiversität) auf Dauer zu sichern. Im Bundesnaturschutzgesetz wurde festgeschrieben, dass ab 2020 in der freien Landschaft Pflanzen und Saatgut nur noch innerhalb ihrer Vorkommensgebiete ausgebracht werden dürfen. Das heißt, sie müssen „gebietseigen“ sein. Rein rechtlich fallen besiedelte Bereiche, innerörtliche Flächen sowie land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen nicht unter den Begriff freie Landschaft. Aus naturschutzfachlicher Sicht ist es trotzdem sinnvoll, auch in besiedelten Bereichen gebietseigenes Saatgut zu verwenden. Schließlich ist eine Abgrenzung der freien Natur oft nicht möglich. Außerdem gewinnen besiedelte Bereiche immer mehr an Bedeutung als Lebensraum für Blütenbesucher, die auf heimische Pflanzen angewiesen sind und in der heutigen Agrarlandschaft immer weniger Nahrung und Lebensraum finden. Selbst Pflanzen der selben Art, aber aus entfernten Gebieten können zu einer Florenverfälschung führen wie wissenschaftliche Untersuchungen bewiesen haben. Deutlich messbar waren solche Veränderungen beispielsweise durch verschobene Blühzeitpunkte nicht gebietseigener Pflanzen gegenüber ihren heimischen Verwandten.

Fein abgestimmtes System

Die Blüte als Nahrungsgrundlage der Blütenbesucher stellt die wichtigste Schnittstelle der Pflanzenwelt mit der Welt von Biene, Hummel & Co. dar. Sensible Lebenszyklen von stark spezialisierten Blütenbesuchern, wie jene vieler Wildbienen- und Schmetterlingsarten, können möglicherweise durch die Veränderungen der Pflanzenwelt gestört werden. Wegen der engen Bindung an bestimmte Wirts- und Nahrungspflanzen in den verschiedenen Entwicklungsphasen der Insekten kann sich ein veränderter Blühzeitraum negativ auf die Blütenbesucher auswirken. So kann für spezialisierte Wildbienen, die eine kurze Flugdauer haben, eine Verschiebung des Blühzeitpunktes der essentiellen Nahrungspflanze von nur wenigen Wochen bedeutende Folgen haben. Eine Schweizer Untersuchung zum Blühzeitpunkt wichtiger Nahrungspflanzen zeigte, dass Pflanzen, die aus nördlicheren und östlicheren Regionen stammen, später als die einheimischen Exemplare blühen. Für Wegwarte, Margerite, Kornblume und Wilde Möhre wurden Verschiebungen von zwei bis drei Wochen nachgewiesen. Die Wissenschaftler leiten eine klare Empfehlung ab: Blühmischungen, die in Ortsrandlagen oder in der freien Landschaft ausgebracht werden, sollten ausschließlich Saatgut heimischer Wildpflanzen enthalten und nur innerhalb ihrer Herkunftsregion vermehrt und ausgebracht werden. Derartige Mischungen bieten zudem das ganze Jahr über Eiablage- und Puppenplätze und reiches natürliches Futter für Vögel und andere Lebewesen.

Die Rechnung geht auf

Ein gewichtiges Argument gegen die gebietseigenen Mischungen sind die wesentlich höheren Saatgutkosten. Doch dem höheren Kostenaufwand für das Saatgut und dessen Ausbringung und die anfängliche Bestandespflege steht eine langfristige Kostenreduzierung gegenüber. Schließlich werden die Flächen für einen Zeithorizont von etlichen Jahren angelegt und erfordern ab dem zweiten Jahr nur eine ein- oder zweimalige Mahd und ansonsten keine weitere Pflege. Anpassungsfähigkeit an die regionalen Gegebenheiten, ausdauernde Lebensweise und ein Etablierungsvorteil gegenüber nichtheimischen Pflanzen halten die Pflegekosten langfristig auf niedrigem Niveau.

Eine Gemeinde geht mit gutem Beispiel voran

Die Gemeinde Haar, im Südosten Münchens gelegen, verfolgt seit 1998 eine beispielhafte, naturnahe Strategie auf ihren Grünflächen. Das Haarer Modell zeigt, wie umfassender Natur- und Umweltschutz im öffentlichen Raum erfolgreich gelingen kann. Entscheidend für den Erfolg in Haar ist – neben der guten Zusammenarbeit von Naturgartenplaner, Umweltreferent, Bürgermeister und Bauhofleiter – eine ordentliche Portion Geduld und Ausdauer. Bei der Gestaltung der Flächen wurde eine ansprechende Ästhetik, möglichst hohe ökologische Funktionsfähigkeit sowie gleichzeitig eine – finanziell wie kräftemäßig – leistbare Pflege angestrebt.

Anne-Kathrin Spatz

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Kontakt und kostenlose Beratung

Netzwerk Blühende Landschaft Fischermühle 7, 72348 Rosenfeld
Tel. 07428-945 249 28
E-Mail schreiben
www.bluehende-landschaft.de


Weitere Informationen

zu gebietseigenem Wildpflanzensaatgut:
www.natur-im-vww.de

Bezug von zertifiziertem Wildpflanzensaatgut:
www.rieger-hofmann.de
www.saaten-zeller.de

Naturnahe Gestaltung von Gärten und öffentlichen Räumen:
www.naturnahe-gaerten.biz
www.naturgartenplaner.de
www.naturgarten.org/mitgliedsbetriebe.html


Biene sitzend auf Blüte