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Wildpflanzen versus Zierpflanzen: Ist jede Blüte insektenfreundlich?

Im privaten Garten oder in öffentlichen Parkanlagen, auf dem Balkon oder der Fensterbank – Zierpflanzen erfreuen unser Auge mit einer bunten Blütenpracht. Doch was leisten sie eigentlich für Bienen, Hummeln & Co.?

Mo 17. Oktober 2022 von Gastautor*in BieneMenschNatur.43
Besonders im Spätsommer und Herbst können Zierpflanzen wie z. B. die Herbst-Aster generalistischen Bestäubern wie der Ackerhummel Nahrung bereitstellen. (Foto: Linda Trein)
Besonders im Spätsommer und Herbst können Zierpflanzen wie z. B. die Herbst-Aster generalistischen Bestäubern wie der Ackerhummel Nahrung bereitstellen. (Foto: Linda Trein)

Wodurch unterscheiden sich Wild- und Zierpflanzen?

Wildpflanzen sind nicht züchterisch durch den Menschen verändert. Heimische Insekten haben sich über Jahrmillionen an die bei uns vorkommenden Wildpflanzen angepasst. Stark spezialisierte Insekten sind auf ganz bestimmte Pflanzen angewiesen, die ihnen Nahrung, Nistmöglichkeiten oder ein Winterquartier bieten. Fehlen diese Pflanzen, können die dazugehörigen Insekten nicht überleben.

Exotische Zierpflanzen hatten nicht die Chance, sich gemeinsam mit den bei uns heimischen Insekten zu entwickeln. Sie sind an die Bestäuber ihrer Herkunftsgebiete angepasst und können unseren heimischen Spezialisten keine Nahrung bieten. Zudem wurden züchterisch veränderte Pflanzen für das menschliche Auge optimiert und nicht für unsere Bestäuber, die darauf angewiesen sind, ihre Wildpflanzen an bestimmten Merkmalen, wie Farben und Gerüchen zu erkennen.

Was macht eine „gute“ Blüte für Insekten aus?

Aus Sicht der Bestäuber sind gute Blüten reich an Pollen und Nektar. Der Pollen, welcher das männliche Erbgut der Pflanze trägt, enthält sehr viele Proteine und wird für die Aufzucht der Larven benötigt. Als Lockmittel stellen viele Pflanzen Nektar zur Verfügung. Der ist zuckerreich und dient den erwachsenen Bestäubern als Nahrung. Doch nicht nur das Vorhandensein von ausreichend Pollen und Nektar, sondern auch die Erreichbarkeit ist wichtig. Nicht jeder Rüssel ist lang genug, um an den Nektar am Boden einer langgezogenen Blüte zu gelangen.

Durch züchterische Veränderung der Zierpflanzen wurde oftmals das Ziel verfolgt, möglichst imposant wirkende Blüten zu erschaffen, bei denen die Blütenblätter vergrößert oder deren Anzahl vermehrt ist. Diese sogenannten „gefüllten Blüten” entstehen dadurch, dass Staubblätter – welche eigentlich den Pollen produzieren – in Blütenblätter umgewandelt werden. Leider entstehen dadurch sterile Blüten, welche oftmals weder Pollen noch Nektar produzieren und daher für blütenbesuchende Insekten nutzlos werden. Weiterhin sind viele Zierpflanzen Kreuzungen aus verschiedenen Arten, sogenannte Hybride. Nicht alle Hybride sind steril, doch viele sind nicht mehr in der Lage Samen zu produzieren, da das Erbgut, welches von den Eltern mitgegeben wurde, einfach zu verschieden ist.

Was können Zierpflanzen für Bienen, Hummeln und Co. leisten?

Zierpflanzen scheinen gegenüber den Wildpflanzen auf den ersten Blick eher schlecht abzuschneiden. Doch auch exotische Züchtungen können im Garten oder auf dem Balkon einen Nutzen haben. So können Zierpflanzen Pollen und Nektar für bestäubende Insekten bereitstellen, wenn das Nahrungsangebot durch Wildpflanzen rar ist. Sehr früh blühende Arten und die lange Blütezeit vieler Zierpflanzen im Herbst können für Insekten nützlich sein, wenn die Pflanzen ausreichend Nektar zur Verfügung stellen. Wer also nicht auf Zierpflanzen im eigenen Garten verzichten möchte, sollte Frühlingszwiebeln und möglichst spät blühende Arten anpflanzen.

Allerdings können nur generalistische Blütenbesucher, also Bestäuber, die an vielen verschiedenen Blütenpflanzen Pollen und Nektar sammeln, direkt von den Zierpflanzen profitieren. Doch die Krefelder Studie hat gezeigt, dass die Insektenwelt in ihrer Gesamtheit gefördert werden muss. Der riesige Verlust an Insekten-Biomasse betrifft nicht nur die Seltenheiten, sondern auch gängige Arten. Zierpflanzen, die gerne von Honigbienen und häufigen Hummelarten angeflogen werden, können mit vielen Blüten auf kleinem Raum und einer langen Blühphase einen Beitrag in der Stadt gegen das Insektensterben leisten. Und die Spezialisten haben auch etwas davon: weniger Konkurrenz an den seltenen Wildpflanzen. Insbesondere die Honigbiene stürzt sich als massentrachtsuchende Generalistin sehr gerne auf große Mengen blühender Kultur- und Zierpflanzen. Das reduziert den allgemeinen Sammeldruck auf den Wildpflanzen, die viele heimische Spezialisten so dringend benötigen. Man kann also Zierpflanzen als „Ablenkungstracht“ einsetzen.

Fazit: Die Mischung macht‘s!

Eine artenreiche Bestäuber-Gemeinschaft kann allein durch Zierpflanzen nicht gefördert werden. Das geht aus zahlreichen Studien hervor, die sich mit dem Thema befassen. Und längst nicht jede Blüte ist automatisch bienenfreundlich. Wildpflanzen sind und bleiben essenziell für den Erhalt von heimischen Insekten. Wichtig ist Vielfalt! Eine artenreiche Mischung mit vielen Wildpflanzen und verschiedenen bestäuberfreundlichen, ungefüllten Zierpflanzen ist nicht nur schön fürs Auge, sondern hilft Insekten dabei, Nahrung zu finden und ihren Nachwuchs großzuziehen. Wer nicht auf seine gefüllten Geranien oder Rosen verzichten möchte, ergänzt sein Blütenangebot einfach um ein paar Wildpflanzen und erfreut damit Menschenauge und Insektenrüssel gleichermaßen.

Eine Liste mit insektenfreundlichen Zierpflanzen finden Sie über auf der Homepage des Netzwerks Blühende Landschaft.

Hanna Konrad; Referentin Netzwerk Blühende Landschaft


Biene sitzend auf Blüte