Herbstanemone
Zweig

Bunt statt grün

Bericht vom Erprobungs- und Entwicklungsprojekt „Wiederherstellung artenreichen Grünlands“

Mi 12. September 2018 BieneMenschNatur.34, Forschung

Der Rückgang der Biodiversität ist insbesondere in den agrarisch geprägten Landschaften immanent. Dabei rückt neben dem Verlust der pflanzlichen Biodiversität der Rückgang der Insekten in den Fokus der Öffentlichkeit. Dieser Rückgang hat enorme negative Auswirkungen auf die Ökosysteme, deren Funktionen und die gesamten Nahrungsnetze. Der „stumme Frühling“ ohne Vogelgesang, den Rachel Carson vor 56 Jahren beschrieb, ist wahrscheinlich näher als uns allen lieb sein kann.

In vielen Landschaften sind der Rückgang der Habitate und der Insekten durch die moderne Landwirtschaft bereits so weit fortgeschritten, dass eine natürliche Wiederbesiedlung bzw. Wiederentwicklung artenreicher, extensiv genutzter Grünlandflächen nicht oder kaum mehr möglich ist. Es fehlen sowohl die Quellpopulationen als auch die Trittsteinbiotope sowie die ehemaligen Ausbreitungswege der Pflanzen- und Tierarten (z.B. Wanderschäferei), um mögliche neue Habitate wieder besiedeln zu können.

Jedoch nehmen zunehmend Flächeneigentümer und -bewirtschafter die Verarmung ihrer Nutzflächen wahr und suchen nach Wegen zurück aus der ökologischen Sackgasse der Intensivierung zu den vormals artenreicheren Beständen, die eine natürliche und standörtlich angepasste Nutzungsflexibilität und Ertragssicherheit aufweisen. Es fehlt jedoch an einfach zu vermittelndem Know-how, Erfahrungen und Handlungsanleitungen wie eine Artenanreicherung im Grünland für einen veränderungswilligen Landwirt zielorientiert, praktikabel und kosteneffizient umzusetzen ist.
Das Netzwerk Blühende Landschaft und die elobau Stiftung nehmen sich dieses Defizits an und entwickeln und erproben praxisorientierte Handlungsempfehlungen für die Wiederherstellung von artenreichen Grünlandbeständen aus Intensiv-Grünland. Ziel ist die Veröffentlichung eines Handlungsleitfadens für Landwirte und andere Flächennutzer, der verschiedene Vorgehensweisen, Kosten und Erfolgswahrscheinlichkeiten vergleichend beschreibt.

Lokalität und Situation des Versuchsgeländes

Das Versuchsgelände befindet sich nahe Leutkirch im Allgäu und ist umgeben von intensiv genutzten Grünlandflächen. Die Fläche umfasst einen nahezu rechteckigen Grünlandschlag von ca. 3,3 ha, über die die elobau Stiftung langfristigen Zugriff hat und die ein landwirtschaftlicher Betrieb nach unseren Vorgaben bewirtschaftet.

Schematische Planübersicht der Versuchsfläche. (Foto: Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg) Schematische Planübersicht der Versuchsfläche. (Foto: Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg)

Der Versuchsaufbau teilt die Fläche in sechs verschiedene Erstbehandlungen A-F und zwei unterschiedliche Pflege-Regime 1 & 2. Die Erstbehandlungen in der Wiese, die 2018 ausgeführt werden, sehen unterschiedlich starke Eingriffe auf verschiedenen Flächengrößen vor. Die Artenanreicherung danach wird zum methodischen Vergleich zum einen durch Ansaat mit handelsüblichem autochthonem Saatgut und zum anderen mittels Mähgut-Übertragung aus artenreichen Wiesen der Leutkircher Region durchgeführt. Die Folgenutzung, der eine wichtige Rolle für den Erfolg einer solchen Maßnahme zukommt, soll in der ersten Projektphase für fünf Jahre mit zwei verschiedenen Mahdhäufigkeiten mit Heuwerbung erfolgen. Parallel soll ein wissenschaftliches Monitoring die Entwicklung der Vegetation und die Qualität der Wiesen als Lebensraum für Insekten untersuchen. Ende 2022 wird ein Zwischenstand erarbeitet und ausgewertet werden, eine zweite Projektphase bis 2028 ist in Planung. Denn eine artenreiche Wiese ist nach zwei Jahren Intensivierung zumeist verloren, die Wiederherstellung einer funktionierenden, artenreichen Wiesengesellschaft benötigt jedoch mindestens zehn Jahre und mehr. Das Gelände, das bei schönem Wetter Alpenblick bietet, ist frei zugänglich und wird mit Informationstafeln ausgestattet.

Holger Loritz


Biene sitzend auf Blüte