Stoppt Neonics!
Stoppt Neonics! Mellifera protestiert bei der Bayer Hauptversammlung.
So 1. Mai 2016 von Michael Slaby BieneMenschNatur.31, Neonicotinoide, Pestizide„Für eine bienenfreundliche Landwirtschaft – ohne Pestizide und Gentechnik!“ – unter diesem Motto haben wir am 29. April die Proteste vor der Hauptversammlung der Bayer AG im Kölner Messezentrum unterstützt. Insgesamt sind rund 200 Menschen dem Aufruf der Coordination gegen BAYER Gefahren (CgB) gefolgt. Mit dabei waren Aktivistinnen von SumOfUs in Bienenkostümen, die über 1,4 Millionen Unterschriften gegen die Klagen von Bayer gegen das Teilverbot der bienenschädlichen Neonicotinoide gesammelt hatten. Die AktionärInnen wurden mit „Stoppt Neonics!“-Transparenten und Sprechchören begrüßt, und müssen an Transparenten und einem Haufen toter Bienen vorbei, den wir ihnen in den Weg gelegt haben.
(Foto: Bund e. V.)
Über die CgB, die selbst Bayer Aktien hält, hatte ich die Möglichkeit auf der Hauptversammlung eine Rede zu halten und kritische Fragen an den damaligen Vorstandssprecher Marijn Dekkers zu richten. Der Aufbau der Bühne ist furchteinflößend: Der gesamte Aufsichtsrat und Vorstand der Bayer AG thront vor zwei gigantischen Leinwänden, schräg davor steht ein sehr viel niedrigeres Pult für Fragen aus dem Saal, dahinter sitzen rund 3.000 AktionärInnen. Lautsprecher übertragen jedes auf der Bühne gesprochene Wort bis in den hintersten Winkel des riesigen Messegeländes, selbst das „stille Örtchen“ wird beschallt, damit man bloß nichts verpasst. Bereits nach dem 2. Diskussionsbeitrag kommen die ImkerInnen zu Wort, fast eine ganze Stunde lang wird Dekkers mit Fragen zu den von Bayer hergestellten bienengefährdenden Pestiziden gelöchert.
Christoph Koch vom Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbund steht bereits zum achten Mal vor den Aktionärinnen, Annette Seehaus-Arnold, Kreisvorsitzende der Imker Rhön-Grabfeld, die unter anderem im „Netzwerk Blühende Landschaft“ sowie bei „Bienen machen Schule“ aktiv ist, fragt nach, was im „Bayer Bee-Care Center“ mit den rund 10 Mio. Euro gemacht wird, die der Konzern jährlich für die „Erforschung der Bienengesundheit“ ausgibt. Corinna Hölzel, Bienenexpertin vom BUND konfrontiert Dekkers mit Untersuchungen, dass das von Bayer vertriebene Neonicotinoid Thiacloprid in rund einem Drittel aller vom BUND untersuchten Honigproben nachgewiesen wurde. Die Europäische Chemikalienagentur hat den Stoff im Frühjahr 2015 neu bewertet und als wahrscheinlich krebserregend sowie fruchtbarkeitsschädlich eingestuft.
Redetexte der kritischen Aktionäre
Meine Rede vor der Hauptversammlung
In meiner Rede werfe ich die Frage auf, wie der Bayer-Konzern zum Vorsorgeprinzip steht: „Gehe ich recht in der Annahme, dass Ihre derzeitige ‚vorbeugende Haltung‘ vor allem darin besteht, eine ganze Armada von Wissenschaftlern und Rechtsanwälten zu beschäftigen, die entweder den Studien, die den Neonicotinoiden eine Gesundheitsgefährdung für den Menschen nahelegen, die Wissenschaftlichkeit absprechen oder die staatlichen Behörden, die auf der Basis dieser Studien aktiv werden, mit Klagen belegen? Wenn ich keinen Widerspruch von Ihnen höre, gehe ich davon aus, dass diese Annahme korrekt ist.“
Zum Abschluss wende ich mich an die AktionärInnen: „Meine Damen und Herren Aktionäre, ich spreche zu Ihnen als Vater von vier kleinen Kindern. Ich wünsche mir, dass meine Kinder und alle Kinder in einer Welt aufwachsen, in der es summt und brummt. Sie als Aktionäre haben eine Verantwortung vor der Natur und unseren Kindern und Enkeln.“
Etwa zwei Stunden später verliest Dekkers einige aalglatte Antworten: „Herr Slaby, Sie erkundigten sich nach unserer Haltung zum Vorsorgeprinzip. Für uns hat der Verbraucherschutz in jedem Fall höchste Priorität. Dabei sollten wissenschaftliche Vorgehensweisen gewählt werden, um das Risikopotential realistisch einzuschätzen. Wir sind der Meinung, dass Neonicotinoide bei sachgemäßer Anwendung nicht schädlich für Menschen und Bienen sind.“ Diesen Satz wiederholt Herr Dekkers im Laufe des Tages so häufig, dass er wie eine zerbrochene Schallplatte klingt.
Eine weitere Antwort lautet: „Herr Slaby, Sie bezweifeln, dass Bayer die Wirkung seiner Produkte auf die Umwelt berücksichtigt. Dem möchte ich entschieden widersprechen. Wir bekennen uns ganz klar zu einer nachhaltigen Landwirtschaft. Um den vielfältigen zukünftigen Herausforderungen gerecht zu werden und die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren, brauchen wir innovative Lösungen. Unser Augenmerk liegt dabei darauf, die landwirtschaftliche Produktivität zu steigern und gleichzeitig die Ressourcen soweit wie möglich zu schonen.“
Es ist schon erstaunlich, dass Dekkers diese Sätze verkünden kann, ohne dabei rot zu werden. Den Höhepunkt der Phrasendrescherei erreicht Dekkers, als er sich in seinen Antworten auf einen Gentechnik-Gegner klar zum Wert der Vielfalt bekennt – der Vielfalt der (von Bayer gentechnisch veränderten) Kulturen sowie der eingesetzten (Pestizid-)Wirkstoffe!!!
Immerhin konnte ich mit meiner Rede auf der Bayer Hauptversammlung einige der anwesenden AktionärInnen erreichen, ein älterer Herr wollte sogar das Redemanuskript von mir haben. Als kritische Verbraucher haben wir es bei jedem Gang in die Apotheke in der Hand, ob wir den Chemiegiganten aus Leverkusen unterstützen oder nicht.
Vollständige Rede und die Antworten (pdf/39 KB)
Bienenkiller Neonicotinoide
Neonicotinoide schädigen nicht nur die Bienen, sondern gefährden auch andere Tiere wie Schmetterlinge, Vögel, Fische und Regenwürmer. Diese Gifte können sich im Boden monatelang und in manchen Fällen sogar jahrelang halten. Die Bestandteile, in die sich die Wirkstoffe im Laufe der Zeit aufspalten, sind oft genauso toxisch wie oder noch toxischer als die aktiven Bestandteile. So können sich gefährliche Schadstoffkonzentrationen aufbauen, die bei zahlreichen „Nichtzielorganismen“ zu chronischen Effekten führen.
Vor diesem Hintergrund wiegt es umso schwerer, dass in Deutschland immer noch 41 Pflanzenschutzmittel mit Neonicotinoiden zugelassen sind (Quelle: BVL, Verzeichnis zugelassener Pflanzenschutzmittel). Für die besonders bienenschädlichen Wirkstoffe Imidacloprid, Clothianidin und Thiamethoxam hat die EU-Kommission zwar Anwendungsbeschränkungen zum Schutz der Bienen erlassen (um diese Teilverbote geht es im Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof, an dem unser Bündnis zum Schutz der Bienen beteiligt ist).
Dennoch sind auch diese Wirkstoffe weiterhin etwa für die Behandlung des Saatguts von Zucker- und Futterrüben zugelassen. Für den landwirtschaftlichen Einsatz verkauft Bayer die Mittel unter anderem in den Produkten „Poncho“, „Janus“, „Confindor“, „Gaucho“ und „Sombrero“. Im Produkt „Confidor® WG 70“ etwa, das als wasserlösliches Spritzmittel „gegen saugende Insekten an Hopfen, an Apfel, Zierpflanzen und –gehölzen, Tabak, im Wein- und Steinobstbau und an Salat-Arten“ zugelassen ist, sind pro Kilogramm ganze 700 g Imidacloprid enthalten.
Aber auch im Hausgartenbereich kommen Neonicotinoide zum Einsatz: Das „Ameisen-Ködergranulat“ der Bayer AG etwa enthält Imidacloprid als zentralen Wirkstoff. Andere Ameisengifte, etwa die Köderdose von Celaflor, enthalten das äußerst bienenschädliche Insektizid Fipronil. Vom Gebrauch dieser Mittel ist daher dringend abzuraten!
Zahlreiche Hausgartenprodukte von Bayer wie etwa das Gartenspray „Calypso Perfekt“, oder das „Bayer Garten Zierpflanzenspray Lizetan Plus“ enthalten den Wirkstoff Thiacloprid, der bei Bienen bereits in geringsten Dosen zu Orientierungsstörungen führt, wie Prof. Menzel von der Freien Universität Berlin herausgefunden hat. Auf diese Mittel sollte ebenfalls gänzlich verzichtet werden!
Mellifera e. V. setzt sich für ein generelles Verbot aller Neonicotinoide ein und unterstützt die Petition von SumOfUs an die EU-Kommission