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Bienengift - Apitoxin: Gift, Allergen und Heilmittel der Honigbiene

Bienengift ist dasjenige Heilmittel aus dem Reich der Honigbienen, welches die größte Beachtung durch die Schulmedizin und die etablierten Naturwissenschaften erfährt.

Fr 15. Dezember 2017 von Gastautor*in BieneMenschNatur.33
Bei der Bienenstichtherapie werden dem Patienten lebende Bienen auf die Haut gesetzt und zum Stechen provoziert.
Bei der Bienenstichtherapie werden dem Patienten lebende Bienen auf die Haut gesetzt und zum Stechen provoziert.

In der Welt eines Bienenvolkes wird das Bienengift beispielsweise zu Verteidigungszwecken eingesetzt, um räubernde Bienen oder andere Insekten abzuwehren. Der Stich in die elastische Haut eines Wirbeltiers bewirkt, dass sich die Biene beim Herausziehen des Stachels durch Widerhaken ihren Stachelapparat samt Giftblase aus dem Hinterleib herausreißt. Auch nach dem Stich pumpt dieser noch für ca. 20 Sekunden den gesamten Inhalt der Giftblase in das Gewebe des Opfers. Die Menge beträgt ca. 0,1 mg Bienengift in der Trockenmasse (diese Giftmenge ist bei Bienen erst ab einem Lebensalter von 14 Tagen vorhanden), medizinisch als Apitoxin bezeichnet, – eine Mischung verschiedener Peptide und kleiner Moleküle, deren Hauptvertreter Melittin ist. Dieses ist auch in erster Linie für die allergische Wirkung des Giftes verantwortlich. Hier sind weitere wichtige Bestandteile Histamin sowie daneben die Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin. Die Inhaltsstoffe greifen Zellwände an, sorgen für die Erweiterung der Blutgefäße, lassen das Gewebe anschwellen und lösen ein starkes Schmerzempfinden aus. Die Gefäßwände in der Umgebung eines Bienenstichs werden durchlässig und sorgen für eine rasche Ausbreitung des entzündlichen Geschehens.

Die dabei auftretenden Beschwerden hat der Bienenforscher und Literatur-Nobelpreisträger Maurice Maeterlinck folgendermaßen ausgedrückt:

Es ist ein trockenes, zuckendes Brennen, eine Art Wüstensonnenbrand, möchte man sagen, der sich bald über den ganzen Körperteil verbreitet. Es ist, als ob diese Sonnenkinder aus den glühendsten Strahlen ihrer Mutter ein leuchtendes Gift gesogen hätten, um die Schätze der Süßigkeit, die sie in ihren segenspendenden Stunden sammeln, desto wirksamer zu verteidigen.

Im Folgenden nun zunächst Näheres zur Gewinnung von Bienengift, welches für therapeutische Zwecke gewonnen wird; weiter unten soll dann die Wirkunsweise von Bienengift als Heilmittel erläutert werden.

Gewinnung und Anwendung von Bienengift

Gewinnung über elektrische Reizung der Bienen
Zu therapeutischen Zwecken wird Bienengift zum einen so gewonnen, indem Arbeitsbienen (denn die Drohnen sind ja giftfrei) durch einen Stromreiz zum Stich durch eine Membran hindurch provoziert werden. Eine darunterliegende Platte fängt das Gift auf, welches dann getrocknet weiterverarbeitet wird. Die einzelne Biene wird beim Stechen durch die Membran nicht getötet. Im Blick auf das Volk als ganzen Organismus ist jedoch zu beobachten, dass bei einer mehrmaligen Gewinnung pro Monat über den gesamten Sommer hindurch sowohl die Bruttätigkeit als auch der Honigertrag zurückgehen.

Bienenstichtherapie
Es gibt eine Behandlungsform, mit Bienenstichen selbst das Gift zu verabreichen, indem dem Patienten lebende Bienen auf die Haut aufgesetzt und zum Stich provoziert werden. Der österreichische Arzt Filip Terc hat hiermit bereits Ende des 19. Jahrhunderts große Erfolge gehabt, indem er die Bienen in erkrankte Körperbereiche stechen ließ. In der Akupunktur hat man schon früh Bienen zum Stich in Akupunkturpunkte provoziert, – die Apipunktur.
Hier stellt sich für manche Therapeuten als auch Patienten die Frage, ob das Töten der einzelnen Biene – wie hier beschrieben – oder die Schwächung eines Volkes durch die elektrische Reizung, ethisch zu vertreten sind.

Anatomie der Honigbiene (Foto: Alfred Schade) Anatomie der Honigbiene (Foto: Alfred Schade)

Es gibt Anwendungsversuche, bei welchen man zwischen die Patientenhaut und die Biene ein feines Metallflies legt. Provoziert man dann das Insekt zum Stechen, so geschieht dies nur ganz oberflächlich; es wird mengenmäßig weniger Gift in die Haut gespritzt und der Stachelapparat der Biene bleibt intakt. Nach der Anwendung kann die Biene wieder in ihr Volk zurückgebracht werden. Durch die geringere Giftmenge ist die therapeutische Wirkung – auf einer physischen Ebene betrachtet – schwächer. Insbesondere Patienten, welche schon häufiger eine Bienenstichtherapie erhalten haben, zeigen mitunter bei dieser Behandlungsform eine schwächere Reaktion. Es hat also eine gewisse Gewöhnung an das Gift bzw. eine Art Desensibilisierung stattgefunden.

Die Heilwirkung von Bienengift

Zellbiologische und hormonelle Vorgänge
Die Wirkungsweise von Bienengift ist komplex und seine Anwendungsgebiete erscheinen zunächst paradox. Denn wie ist es zu erklären, dass Bienengift beispielsweise bei einer Gelenkentzündung lindernd wirkt, wo es doch selbst Entzündungen auslöst?

Studien haben ergeben, dass der Hauptbestandteil des Bienengiftes Melittin im entzündeten Gewebe antientzündlich wirkt und die körpereigene Cortisolausschüttung anregt. Cortisol hemmt wiederum die überschießende Immuntätigkeit und bewirkt einen Rückgang der Entzündung. Weitere im entzündeten Gewebe anzutreffende körpereigene Substanzen werden teilweise inaktiviert; die Entzündung geht weiter zurück. Es wurde sogar ein schmerzstillender Stoff Adolapin im Bienengift nachgewiesen.

Spritzt die Biene (oder der Therapeut) hingegen Bienengift in ein nicht-entzündetes Gewebe, so ist die Wirkung umgekehrt. Es treten genau jene Symptome auf, welche wir von einem Bienenstich kennen: Entzündung in Form von Rötung, Schwellung, Schmerzen und Überwärmung. Jeder Therapeut wird vor einer solchen Behandlung freilich eine Bienengiftallergie ausschließen, um den Patienten nicht zu gefährden. Löst er dann durch die Applikation von Bienengift eine lokale Entzündung um die Einstichstelle heraum aus, so kommt es zu einer vermehrten Stoffwechselaktivität. Schlacken und Zellgifte werden mobilisiert und deren Ausscheidung angeregt. Durch die Wärme wird das Gewebe, die Muskulatur, gelockert und entspannt sich.

Bienengift vermag bei einer vorliegenden Immunschwäche, das Immunsystem anzuregen wie es bei überschießenden Immunreaktionen dämpfend wirkt; es wirkt also in beide Richtungen gehend ausgleichend.

Bienengift bei Ablagerungen und Verhärtungen
Überall dort, wo Verhärtungen und Ablagerungen vorliegen, schafft das Gift oder niedrige homöopathische Potenzen von Apis mellifica (das ganze Insekt in homöopathischer Potenzierung) Abhilfe. Rudolf Steiner wies in den Arbeitervorträgen „Über das Wesen der Bienen“ darauf hin, dass Gifte, welche entzündlich wirken (das Bienengift wie auch die Ameisensäure), „Mittel gegen das Absterben“ seien. Deutlich wird dies z. B. beim Entzündungsprozess eines Gichtanfalls. Ein zu hoher Harnsäurespiegel im Blut bewirkt, dass es zur Ablagerung von Harnsäurekristallen bevorzugt im Gelenkbereich kommt. Fällt eine Säure zu ihrem Salz aus – geht in die Kristallbildung über -, so handelt es sich dabei um einen Absterbevorgang, ein “Herausfallen aus dem Lebendigen”, wie es Steiner formulierte. Eine schmerzhafte Entzündungsreaktion ist die Folge. Hier vermag insbesondere die Ameisensäure die Kristalle aufzulösen und Bienengift, innerlich oder äußerlich in Form einer Salbe aufgetragen, kann die Entzündung im Gelenkbereich deutlich lindern.

Der Hinweis Steiners wird durch die oben angeführte moderne Forschung erhellt, welche die Wirkungen des Bienengifts auf zellulärer und hormoneller (Cortisolausschüttung) Ebene erklärt.

Bienengift bei Multiple Sklerose
Apitoxin hat eine starke Wirkung auf das Zentrale Nervensystem; es findet dort auch Anwendung bei entzündlichen Prozessen wie beispielsweise Multiple Sklerose. Hier sind erfahrungsgemäß Gaben in sehr hohen Dosen entweder durch Stiche lebender Bienen oder durch Injektionen mit Bienengift in Reinform vonnöten, um den Organismus umzustimmen.

Bienengift bei Krebs
Weiter ist die regulierende Wirkung von Bienengift auf den Wärmehaushalt zu nennen. Hier kann es auch begleitend bei einer Krebserkrankung, beispielsweise ergänzend zur Misteltherapie, gegeben werden.

Weitere Anwendungen
In der jüngeren Vergangenheit hat Bienengift auch als Anti-Aging-Mittel Beachtung gefunden. U. a. durch seine Wirkung auf die Kollagenbildung kann es dem Alterungsprozess entgegenwirken und wird zudem auch anstelle von Botox eingesetzt, um Falten wieder zu glätten!

WICHTIG: Bei all diesen Erkrankungen und Beschwerdemustern gehört Bienengift ausschließlich in die Hände von ausgebildeten und erfahrenen Therapeuten. Zudem ist immer vor der ersten Anwendung eine Bienengiftallergie auszuschließen. Bienengift in Reinform darf wegen der Gefahr eines Lungenödems nicht intravenös verabreicht werden und sollte nicht während der Schwangerschaft angewendet werden.

Apis mellifica in der Homöopathie und in der Anthroposophischen Medizin

In der Homöopathie wird das Bienengift in verdünnter und potenzierter Form angewendet, Apisinium genannt. Weiter verbreitet ist Apis mellifica, wobei das ganze Insekt verarbeitet wird, welches ja dann auch die Giftblase samt Inhalt enthält. Die feinen Unterschiede zwischen beiden Arzneimittelbildern sollen hier vernachlässigt werden. Von den anthroposophischen Heilmittelbetrieben ist nur Apis mellifica in unterschiedlichen Potenzstufen und in Komplexmitteln erhältlich.

Das Simile-Prinzip: Ähnliches mit Ähnlichem behandeln
Hervorzuheben ist die Tatsache, dass mit höheren Potenzen (D 20, D30) von Apisinium bzw. Apis mellifica unerwünschte Wirkungen eines Bienen- oder auch Wespenstichs gelindert werden können.
In der Homöopathie wird das Bienengift in verdünnter und potenzierter Form angewendet. In der Homöopathie wird das Bienengift in verdünnter und potenzierter Form angewendet. Dem homöopathischen Prinzip folgend, Gleiches mit Gleichem zu behandeln, kann Apis D30 auch bei anderen Beschwerden gegeben werden, welche in das homöopathische Arzneimittelbild passen. D.h. hoch potenziertes Bienengift kann im Allgemeinen bei Symptomen gegeben werden, die jenen eines Bienenstichs ähneln, auch wenn die Ursache eine ganz andere ist (z.B. eine entzündete und geschwollene Rachenschleimhaut i. R. einer Erkältung, schmerzhafte Hautrötung nach Kontakt mit einer Feuerqualle).

Bienengiftallergie
Weiter können mit homöopathischen Potenzen der Honigbiene bzw. ihres Giftes Allergien im Allgemeinen, respektive die Bienengiftallergie, behandelt werden; eine Desensibilisierung auf Apitoxin kann erreicht werden.

Das oben angeführte Zitat von Maurice Maetterlinck erscheint wie eine bildhafte Zusammenfassung all jener Beschwerden, wo Apis mellifica homöopathisch angezeigt sein kann. Denn nicht nur ein Bienenstich verleiht ein Gefühl von „Wüstensonnenbrand“, -viele andere Krankheiten tun dies auch. Und da kann ein Behandlungsversuch mit Apis mellifica in homöopathischer Form sehr hilfreich sein. Übrigens gehören sowohl der Sonnenbrand als auch der Sonnenstich in die Anwendungsbreite von Apis mellifica.
So vorsichtig, wie man in der therapeutischen Anwendung mit dem reinen Bienengift umgehen sollte, so vielfältig sind andererseits die Möglichkeiten für den therapeutischen Laien, sich im Akutfall mit rezeptfrei erhältlichen homöopathischen Apis mellifica-Potenzen selbst zu behandeln, – sofern keine Bienengiftallergie vorliegt. (Auch hier sind im Allgemeinen die Herstellerangaben bzgl. der Gegenanzeigen (u. a. bei einer Anwendung während der Schwangerschaft) zu beachten.)

Dr. Almut Tobis, praktische Ärztin

Alle genannten Inhalte ersetzen im Beschwerdefall nicht die diagnostische ärztliche Abklärung bzw. den fachkundigen therapeutischen Rat.
Die juristische Haftung der Autorin ist in jedem Fall ausgeschlossen.

Literatur

  • Bogdanov, Stefan: Bienengift: Der heilende Stich.
  • Herold, Edmund: Heilweter aus dem Bienenvolk. München 1982. S. 189).
  • Maeterlinck, Maurice: Das Leben der Bienen. Jena 1925.
  • Münstedt, Karsten; Hoffmann, Sven: Bienenprodukte in der Medizin. Aachen 2012.
  • Stauffer, Karl: Homöopathische Arzneimittellehre. Regensburg 1955
  • Steiner, Rudolf: Über das Wesen der Bienen. Dornach 1988. Vortrag „Die Bedeutung der Ameisensäure“. Dornach, 15. Dezember 1923.

Biene sitzend auf Blüte