Herbstanemone
Zweig

Jalal und die Bienen

Wie Berliner Bienen einem syrischen Imker bei der Integration helfen.

Fr 10. August 2018 von Gastautor*in Regionalgruppe

2015 bin ich von Syrien nach Deutschland gekommen.

Als ich hier in Berlin ankam, wunderte ich mich, dass, obwohl es hier so viele Blumen gibt, ich nur wenige Bienen sah. Lange suchte ich hier in Berlin einen Imker und nach ungefähr vier Monaten hatte meine Suche ein glückliches Ende. Eine ehrenamtliche Mitarbeiterin aus der Notunterkunft in der Teske-Schule in Berlin-Schöneberg, in der ich damals untergebracht war, gab mir einen Tipp und vermittelte mich an eine Imker-Gruppe. Ich traf mich von dem Zeitpunkt an mit einer sehr netten Imkerin dieser Gruppe, die sich zwei Bienenvölker hielt. Leider sprach ich damals nur sehr gebrochen deutsch und daher war es sehr schwierig mit der Verständigung. Außerdem nahte der Winter, daher blieb es nur bei einigen wenigen Treffen.

Für ein paar Monate verlor ich die Bienen und meinen Wunsch wieder zu imkern aus den Augen. Ich hatte viel damit zu tun deutsch zu lernen, mich hier zurecht zu finden und den langen Berliner Winter zu überstehen.

Im Frühling dann, als alles wieder anfing zu sprießen und blühen, wunderte ich mich erneut, wo wohl all die Bienen sind? Mein erster Gedanke damals war, mir selbst ein Bienenvolk zu kaufen, doch leider hatte ich zu dem Zeitpunkt noch zu viele Schulden und der Wunsch rückte in weite Ferne.

Im Sommer dann wechselte ich von meiner schon fast liebgewonnen Notunterkunft in der Teske-Schule in eine Gemeinschaftsunterkunft nach Köpenick. Ich habe viele wunderbare Menschen in der Teske-Schule kennenlernen dürfen. Nach meinem Umzug gerieten ich und mein Wunsch hier in Berlin imkern zu können nicht in Vergessenheit. Eine Bekannte aus der Teske Schule markierte mich in einem Facebookpost, in welchem nach einem Imker, “der durch Flucht und Vertreibung auch seine Bienen verloren hat” im interkulturellen Nachbarschaftsgarten „Blohmgarten“ in Lichtenrade gesucht wurde. Ich antwortete auf das Gesuch und kurz danach fand das erste Treffen mit der zuständigen Sozialarbeiterin statt. Ich erzählte ihr von meinem Plan mir hier in Berlin ein eigenes Bienenvolk zuzulegen, doch zu meiner Verwunderung sagte sie mir, ich solle das nicht tun.

Jalal mit seinem Imkerpaten Carlo. (Foto: privat) Jalal mit seinem Imkerpaten Carlo. (Foto: privat) Ein paar Tage später fuhr ich zusammen mit Nichole, der Sozialarbeiterin, und Hinrich, dem Projektleiter des Blohmgartens, zum ersten Mal in den Garten und traf dort Carlo, der mein zukünftiger Imkerpate werden sollte und mittlerweile ein guter Freund geworden ist.
Ich war begeistert, als ich den Garten zum ersten Mal sah. Das Gartenprojekt steht Menschen aller kulturellen Wurzeln und jeden Alters offen und ist ein wunderschöner Ort, die Rahmenbedingungen wurden abgesteckt und schon ein paar Tage später traf ich mich erneut mit Carlo.
An diesem Tag zeigte er mir ein Bienenvolk und sagte dass dies meins sein sollte. Ein Geschenk eines ebenfalls vor langer Zeit geflüchteten afganischen Imkers, der sofort auf einen Aufruf, ein Bienenvolk zu spenden, reagiert hatte.

Einmal in der Woche kümmerte ich mich nun, mal alleine – mal mit meinem Imkerpaten, um mein Bienenvolk im Blohmgarten.
Carlo nahm mich auch jeden ersten Montag im Monat zum Mellifera-Regionalgruppentreffen in den Prinzessinengärten mit. Die Berliner Regionalgruppe trifft sich dort regelmäßig und tauscht sich aus über alle Themen: die Bienen, ihre wesensgemäße Haltung, Mensch und Natur aus.

Da die Unterkunft in Köpenick komplett saniert werden musste, wechselte ich wieder meinen Wohnort und zog in eine Gemeinschaftsunterkunft nach Hohenschönhausen. Ein paar Wochen später fragte Carlo mich dann, ob ich im Rahmen eines Praktikums, einen Imkerkurs an der Schule “Grüner Campus Malchow”, die nun in meiner neuen Nachbarschaft gelegen war, geben wolle. Sofort habe ich zugestimmt. Ich traf mich mit Amelie, der zuständigen Lehrerin für das Bienenprojekt an der Schule. Da sie relativ neu in dem Bereich war, freute sie sich sehr, mich als Unterstützung in dem Projekt dabei zu haben und wir haben. Zwei Bienenvölker hat der „Grüner Campus Malchow“ auf einer sehr schönen Streuobstwiese stehen. In dem Kurs, den Amelie und ich leiteten, kümmerten wir uns zusammen mit sechs Kindern um die Bienen. Der Kurs bereitete mir sehr viel Freude, doch zugleich fand ich es schwer, all die schlauen Fragen der Kinder zu beantworten.

Sehr gerne gebe ich heute auch Auskünfte an verschiedenen Bienen-Infoständen, wie zum Beispiel der Mellifera-Regionalgruppe am langen Tag der Stadtnatur, oder dem Sommerfest im Blohmgarten.

Nach nicht allzu viel vergangener Zeit, betreue und pflege ich wieder sechs Bienenvölker und bin sehr glücklich damit!

Jalal (Mellifera-Regionalgruppe Berlin)


Biene sitzend auf Blüte